Essay: Christoph Daniel von der Schulenburg – Ein streitbarer Machtmensch, der mit Härte gegenüber Gemeinden und Nachbarn vorging
Christoph Daniel von der Schulenburg (1679–1763) war nicht nur ein erfolgreicher General im Dienst des Königreichs Sardinien, sondern auch ein streitbarer Gutsherr mit ausgeprägtem Machtbewusstsein. Seine Rolle im Wiederaufbau und in der Konsolidierung des Gutsbesitzes Angern zeigt ihn als resoluten Verfechter adeliger Vorrechte, der Konflikte nicht scheute und seine Herrschaftsansprüche mit juristischer und administrativer Konsequenz durchsetzte.
Nach der Rückkehr aus dem Militärdienst nutzte Christoph Daniel seine Ressourcen und politische Vernetzung, um das zersplitterte Familiengut Angern durch gezielte Ankäufe zwischen 1734 und 1738 wieder in eine Hand zu bringen. Noch zu Lebzeiten errichtete er 1762 ein Fideikommiss, das den Gutsbesitz dauerhaft binden sollte. Doch diese Besitzkonzentration erfolgte nicht konfliktfrei. Eine Vielzahl von Akten im Gutsarchiv Angern (Bestand H 13) dokumentiert, dass Christoph Daniel in zahlreiche Rechtsstreitigkeiten mit benachbarten Gemeinden und Adelsfamilien verwickelt war.
Insbesondere die Gemeinde Angern geriet häufig mit dem Gutsherrn aneinander. So klagte sie 1745 gegen von der Schulenburg wegen der sogenannten Pertinenzien (H 13, Nr. 36), woraufhin eine Kette von Prozessen folgte, die von Weiderechten, der Nutzung von Wegen, der Verweigerung von Baudiensten bis hin zur Beschwerde über Amtshandlungen des Oberamtmanns Croon reichte (u.a. H 13, Nr. 38, 39, 275–281). Christoph Daniel verteidigte in all diesen Fällen mit Nachdruck die herrschaftliche Verfügungsgewalt über Land, Wege und Dienstleistungen seiner Untertanen. Dass er dabei nicht selten die Untertanen kollektiv verklagte, zeugt von einem autoritären Herrschaftsverständnis, das wenig Raum für Partizipation oder gütliche Einigung ließ.
Ein zentrales Instrument seiner Macht war dabei die Patrimonialgerichtsbarkeit, die ihm als adligem Grundherrn zustand. Diese Form der privaten Gerichtsbarkeit ermächtigte ihn, auf seinen Gütern die niedere und teilweise auch höhere Gerichtsbarkeit selbst auszuüben. Christoph Daniel war damit nicht nur Grundherr, sondern auch Gerichtsherr – er ernannte die Gerichtspersonen, setzte Gerichtshalter ein (vgl. H 13, Nr. 115), überwachte die Rechtsprechung (Nr. 118–119) und nutzte die Gerichte, um seine Interessen direkt gegen seine Untertanen durchzusetzen. In vielen Fällen war er gleichzeitig Kläger, Oberrichter und Vollstrecker. Diese strukturelle Vormachtstellung erklärt die Vielzahl gerichtlicher Auseinandersetzungen, die nicht nur Ausdruck individueller Konflikte, sondern ein Mittel bewusster Herrschaftsausübung waren.
Doch nicht nur gegenüber den Gemeinden, auch gegenüber Adelsnachbarn zeigte Christoph Daniel eine harte Haltung. So stritt er sich mit den von Alvensleben um Fischereirechte in der alten Elbe (H 13, Nr. 88–90), um Zwangsrechte beim Bierverkauf (H 13, Nr. 43) und um den Wiederkauf des Dorfes Niendorf (H 13, Nr. 47–48). Diese Konflikte zeigen, dass von der Schulenburg bereit war, selbst in traditionellen Standesbeziehungen keine Rücksicht walten zu lassen, wenn es um die Ausweitung oder Verteidigung seiner Rechte ging.
Die Summe dieser Auseinandersetzungen zeichnet das Bild eines Gutsherrn, der in der barocken Ordnung zwar verwurzelt, aber keineswegs passiv war. Vielmehr nutzte Christoph Daniel gezielt die Rechtswege seiner Zeit, die er dank juristischer Bildung und effizienter Verwaltungsstruktur für sich zu nutzen wusste. In einer Zeit zunehmender Ökonomisierung des Adelsbesitzes erscheint sein Vorgehen als Ausdruck eines rational durchkalkulierten Machtanspruchs, der keine Widersprüche duldete.
Christoph Daniel von der Schulenburg bleibt somit nicht nur als Bauherr und Stifter des Fideikommisses in Erinnerung, sondern auch als streitbarer Machtmensch, der mit juristischer Akribie und patriarchaler Härte gegenüber Gemeinden und Standesgenossen vorging. Diese Seite seines Wirkens ist ein Schlüssel zum Verständnis der adligen Gutsherrschaft im 18. Jahrhundert – zwischen Repräsentation, Kontrolle und Konflikt.