Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) war der jüngste Sohn des Daniel I. von der Schulenburg und übernahm nach seinem Tod den Burghof in Angern. Er steht exemplarisch für die komplexe Rolle des niederen Adels im frühneuzeitlichen Brandenburg – zwischen dynastischer Kontinuität, territorialer Zersplitterung und finanzieller Prekarität.
Wie sein älterer Bruder studierte er an der Universität Helmstedt, einer der führenden Bildungsstätten für den protestantischen Adel Norddeutschlands und bereiste 1607 Straßburg. Nach dem Tod seines Vaters teilte Henning die väterlichen Güter gemeinsam mit seinem Bruder auf. Ihm fielen dabei insbesondere die Güter Angern, Schricke, Kehnert und Falkenberg zu. Bereits vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges befand sich Henning jedoch in angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen: 1619 belieh er Falkenberg hoch bei der Herzogin Sibylla von Braunschweig-Lüneburg.
Im Jahr 1617 veräußerte er seinen Anteil an Beetzendorf (Rittleben) an Leopold von der sogenannten „schwarzen Linie“ der Familie von der Schulenburg. Die Transaktion belief sich auf eine Summe von 19.000 Reichstalern – eine hohe, aber offenbar dringend benötigte Liquidität, um seinen Anteil am Familienerbe auszugleichen. Allerdings stellte sich bald heraus, dass Henning die vereinbarten Zahlungen nicht in vollem Umfang leisten konnte. Dies führte zu neuen Konflikten mit den Vettern aus der schwarzen Linie, die ihren Anteil schließlich 1624 doch an Dritte veräußerten. Die Aufnahme der Schulden und die daraus resultierende Belastung der Besitzstruktur prägten die nächsten Jahre seines Lebens.
Der Bruder Matthias V. von der Schulenburg (* 1578, † 1656), Herr auf Beetzendorf und Altenhausen, spielte eine zentrale Rolle bei der Verwaltung und Erweiterung des Familienbesitzes während des Dreißigjährigen Krieges. Matthias V. und sein Bruder Henning III. verwalteten nach dem Tod ihres Vaters Daniel I. zunächst gemeinschaftlich die Familiengüter. Durch den Tod von Daniel Schilling fiel ihnen das Gut Falkenberg zu, dessen Angefälle bereits ihr Großvater erhalten hatte. Später teilten sich die Brüder die Besitzungen: Matthias übernahm Altenhausen, Emden, Beetzendorf und Hohenwarsleben, während Henning Angern, Falkenberg, Kehnert und Schricke erhielt. Beetzendorf, das ihr Vater an Wedige Wigand wiederkäuflich überlassen hatte, verblieb zunächst in den Händen von Wedige Wigands Familie, bis Matthias den Wiederkaufsvertrag 1609 mit dessen Sohn Leopold erneuerte.
Matthias V – Der gebildete Gründer von Altenhausen: Matthias studierte an mehreren Universitäten (Helmstedt, Frankfurt/Oder, Tübingen), reiste durch Europa, darunter Frankreich, Spanien und England, und wurde 1603 an der Universität Siena immatrikuliert. Er war Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft („Palmenorden“) und später magdeburgischer Landrat sowie kurbrandenburgischer Erbküchenmeister. Nach der Teilung mit seinem Bruder im Jahr 1610 erhielt er Altenhausen, Bodendorf, Emden, Hohenwarsleben sowie einen verpfändeten Anteil an Beetzendorf. Frühzeitig suchte er Kontakte zu Schweden, u. a. mit einer Bergbaukonzession 1615. Die Härten des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) trafen auch Matthias besonders schwer. Seine Güter in Altenhausen wurden mehrfach geplündert – sowohl von kaiserlichen als auch von schwedischen Truppen, da sich militärische Kontrollverhältnisse in der Region häufig und unvorhersehbar änderten. 1632 trat er in schwedische Dienste und wurde Oberhauptmann der magdeburgischen Ämter im Holzkreis. Sein Lebensabend war von Flucht, familiären Verlusten und wirtschaftlichem Ruin geprägt. Während der Pest von 1636 starben seine Frau und vier Kinder. Nach dem Krieg musste er Konkurs anmelden; er hinterließ nur einen Lebenslauf und Anweisungen für sein Begräbnis (1651), in denen er jedem Kind lediglich eine Uhr vermachte.
Henning bemühte sich dennoch um die Sicherung und Erweiterung seines Besitzes: 1624 erwarb er das Gut Pfullendorf bei Schricke und überführte es 1625 in sein Eigentum. Dennoch musste er bereits wenige Jahre später aufgrund wirtschaftlicher Engpässe beginnen, seine Besitzungen zu veräußern. So verkaufte er 1632 das Gut Schricke an den Oberstleutnant Hoffmann für 2.000 Spezies. Auch das Gut Schricke wurde als Pfand gegen eine Schuld von 3.000 Reichstalern hinterlegt.
Im Sommer 1631, nach der Eroberung und Zerstörung Magdeburgs durch die Truppen von General Johann T’Serclaes von Tilly am 20. Mai, kam es im Zuge weiterer Operationen der kaiserlich-ligistischen Seite zu Übergriffen auch in der Altmark. Das Holksche Reiterregiment, das zur Ligaarmee gehörte, drang in die Region vor und zerstörte unter anderem Dorf und Burg Angern. Die erst später einsetzende schwedische Intervention unter König Gustav II. Adolf konnte die Lage nicht sofort stabilisieren; stattdessen geriet die Bevölkerung dauerhaft zwischen die Fronten, geplagt von Einquartierungen, Kontributionen, Bränden und Seuchen.
So wurden sämtliche Gutsgebäude, das gesamte Dorf Angern sowie die Kirche ein Raub der Flammen. Laut einem Vermerk im Archiv zu Angern existierte nach der Brandschatzung einzig noch ein baufälliges Brauhaus „ohne den geringsten Inhalt“ sowie ein dach- und fachloser Viehstall sowie das Pforthäuschen (wohl ein kleines, meist steinernes oder hölzernes Wach- oder Torhaus, das sich möglicherweise auf Seite der Vorburg in unmittelbarer Nähe zur Zugbrücke befand. Es diente dem Pförtner (oder Wächter) als Unterkunft und Kontrollpunkt für den Zugang zur Hauptburg. Historisch gesehen hatte das Pforthäuschen oft eine administrative oder repräsentative Funktion. In Zeiten des Krieges blieb es wohl als einziges stehen, weil es nicht brennbar war oder strategisch unbedeutend erschien).
Die schwedische Intervention unter König Gustav II. Adolf begann zwar bereits im Sommer 1630 mit der Landung in Pommern, gewann jedoch erst ab dem Herbst 1631 – nach dem Bündnis mit Kursachsen und dem Sieg bei Breitenfeld – strategisch entscheidenden Einfluss. Die Lage in der Region um Angern konnte dadurch nicht unmittelbar stabilisiert werden; vielmehr geriet die Zivilbevölkerung dauerhaft zwischen die Fronten, geplagt von wechselnden Einquartierungen, Kontributionen, Brandschatzung und Seuchen.
Einige Jahre lang soll kein einziger Mensch in Angern gelebt haben – die völlige Entvölkerung war keine Ausnahme, sondern Ausdruck der katastrophalen Versorgungslage, der gewaltsamen Übergriffe und der grassierenden Seuchen. Ähnliche Verwüstungen trafen die benachbarten Besitzungen in Wenddorf, Schricke, Kehnert, Farsleben und Cobbel. Die Truppen unter General Wolf Heinrich von Baudissin (genannt „General Fuchs“) hinterließen nichts als verbrannte Erde. In einer Spezifikation von 1637 heißt es, dass sämtliche Äcker bei allen genannten Orten weder bestellt noch genutzt würden, sondern „meistens ganz mit Dornen bewachsen“ seien – ein drastisches Bild für den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Gutsherrschaft in der Region.
Zwischen 1626 und 1637 lebte Henning III. in ständiger Lebensgefahr, nicht nur durch direkte militärische Bedrohung, sondern auch durch Seuchen, Hungersnöte und den moralischen Verfall ganzer sozialer Ordnungen. Der Verlust seiner Ehefrau, mehrerer Kinder und großer Teile seines Viehbestands führten zu einem existenziellen Zusammenbruch. Trotz alledem hielt Henning an seinem Stammsitz in Angern fest und nahm sogar zeitweise die Familie seines Bruders Matthias V. auf, die vor der Pest und kaiserlichen Truppen aus Altenhausen fliehen musste. In einer Angabe aus dem Jahr 1637 wurde vermerkt, dass Henning nur noch einen Teil seiner früheren Besitzungen selbst bewirtschaftete, der Rest war bereits verkauft oder verpfändet.
Henning III. starb am 1. September 1637 in Angern. Sein Tod markierte das Ende einer krisenhaften Lebensphase, in der er unter extremen Bedingungen versuchte, die Besitzstruktur der Familie zu bewahren. Das Ausmaß der Zerrüttung war so gravierend, dass erst 1656 – fast zwei Jahrzehnte nach seinem Tod am 17.01.1656 – ein offizielles Konkursverfahren über die Güter eingeleitet wurde. Die Familie erlitt weitere Verluste, etwa durch den Tod seines Sohnes Jakob III., der während der Schlacht bei Wolfenbüttel (1641–1643) fiel – einem der blutigsten und strategisch bedeutsamsten Gefechte des Dreißigjährigen Krieges - was die Familie stark belastete. Von seinen zehn Kindern überlebten nur drei.
Eheschließung: Aus seiner Ehe mit Catharina Schenk von Flechtingen (+ nach 1638), einer Tochter seines Vetters Werner, gingen zahlreiche Kinder hervor, von denen allerdings viele jung verstarben.
- Jakob III. von der Schulenburg, Oberst (* 1615, † 1642 in der Schlacht bei Wolfenbüttel), diente in der kaiserlichen Armee während des Dreißigjährigen Krieges.
- Heinrich XI. von der Schulenburg (* 06.09.1621, † 19.05.1691) (Nr. 627 der Stammtafel), setzte die Linie fort.
Er ist ein typisches Beispiel für die prekäre Lage des niederen Adels in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: Hohe Schuldenlast, dynastische Erbauseinandersetzungen und die Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges führten zur weitgehenden Auflösung ehemals gefestigter Besitzkomplexe. In Henning III. kulminieren die Herausforderungen, denen viele Adelsfamilien im Übergang von konfessionell geprägter Herrschaft zur frühabsolutistischen Neuordnung gegenüberstanden.
Quellen
- Johann Friedrich Danneil: Geschichte des Geschlechts von der Schulenburg, Bd. II, Salzwedel 1847, S. 547–549.
- Carl Friedrich Friedrich: Die Bevölkerungsverluste der Mark Brandenburg im Dreißigjährigen Krieg, Berlin 1907, S. 33–36