Burg Angern
Die um 1340–1350 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.

Das Haupthaus war damit ein eher schlichter, aber durchaus stattlicher Gutshofbau des späten 17. Jahrhunderts mit symmetrischem Aufbau, zentralem Eingangsbereich und flankierenden Wirtschaftsräumen. Die Ausmaße können mit etwa 20 × 10 Metern rekonstruiert werden. Die Struktur des Hauses war geprägt durch ein einfaches Rechteckschema mit klarer funktionaler Gliederung. Laut einer zeitgenössischen Beschreibung verfügte das Haus über 15 Fenster und eine zweiflügelige Eingangstür. Eine gleichmäßige Verteilung der Fenster auf Vorder- und Rückseite oder die gesamte Schauseite ergibt rechnerisch etwa 7 bis 8 Fenster je Geschoss – in historischer Fensterbreite von rund 1 m mit 0,5 m Abstand würde dies exakt zur Fassadenbreite passen.

Im Erdgeschoss waren mehrere Räume vorhanden: das Speisezimmer mit Dielenboden als repräsentativster Raum, eine Alkovenstube, zwei Kammern, ein Kabinett sowie eine Küche mit angeschlossener Küchenstube. Im Obergeschoss war die Verwalterwohnung untergebracht, der übrige Raum diente als Kornboden – ein deutlicher Hinweis auf die enge Verzahnung von Wohn- und Wirtschaftsfunktion. Das Speisezimmer hatte als einziger Raum Holzdielen, in allen anderen war der Fußboden aus Gips, was auf eine pragmatische, jedoch solide Bauweise verweist. 

Das Nebengebäude bestand aus einer einfachen Stube mit Kammer und Kabinett und diente vermutlich Bediensteten oder älteren Familienangehörigen. Es ist denkbar, dass dieser Gebäudeteil auf einem oder mehreren Tonnengewölben der mittelalterlichen Vorburg errichtet wurde. Dies würde zu der Überlieferung passen, dass die Anlage aus „dem zweigeschossigen Haupthaus, einem einstöckigen Nebengebäude und dem dazwischenstehenden Rest des alten Turms“ bestand. Alternativ könnte das Nebengebäude auch auf dem heute noch erhaltenen Tonnengewölbe zwischen Turm und Hauptgebäude aufgebaut worden sein, das funktional eine Verbindung, aber baulich auch ein eigenes Fundament darstellte. Der Zugang erfolgte dann sowohl vom Hof als auch vom Inneren des Hauses, was auf eine integrative Nutzung hindeutet. Derartige funktionale Gewölberäume finden sich vergleichbar im Gut Kalbe (Milde) sowie in Teilen von Burg Clam (Oberösterreich).

Die räumlichen Verhältnisse waren für heutige Maßstäbe äußerst beengt. Heinrich von der Schulenburg hatte 17 Kinder, sein Sohn Heinrich Hartwig neun – hinzu kamen Hauspersonal und weitere Bewohner. Zeitgenössische Quellen belegen, dass es selbst in adeligen Häusern üblich war, dass zwei Kinder ein Bett teilten. Diese Sozialstruktur spiegelt sich in der dichten Nutzung der wenigen Räume wider.

Die Fassade war wahrscheinlich schlicht verputzt oder aus Ziegelmauerwerk mit einfachen Holzfenstern. Schmuckformen waren kaum zu erwarten – das Haus diente primär dem funktionalen und repräsentativen Anspruch eines Gutshofs im Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg. Es steht damit exemplarisch für eine Übergangsform zwischen spätmittelalterlicher Gutshofstruktur und frühbarocker Herrenhausarchitektur. Diese Konfiguration entspricht typischen Adels- oder Verwaltungswohnsitzen der Region um 1650–1690.

Befunde:

  • Die noch heute vorhandene zweiflügelige Tür könnte aus dieser Bauphase stammen, da sie stilistisch ins späte 17. Jahrhundert passt und im barocken Neubau offenbar angepasst wurde, unter anderem durch querliegende Kassetten.
  • Eine weitere Quelle für die Annahme der baulichen Kontinuität ist der architektonische Befund aus dem heutigen barocken Gebäude: In der etwa 90 cm starken Wand zwischen Gartensaal und Chambre wurde eine eingemauerte Nische mit hellblauer Kalkfassung entdeckt – ein typischer Befund für Raumnutzungen des späten 17. Jahrhunderts. Weder Ausführung noch Farbgebung entsprechen der barocken Gestaltungslogik, was auf eine bauliche Kontinuität mit dem Vorgängerbau verweist. Auch archivalisch lässt sich belegen, dass beim Umbau unter Christoph Daniel von der Schulenburg ab 1735 „nicht zwingend das gesamte Gebäude abgerissen, sondern bestehende Substanz – insbesondere tragende Mauern und Kellerzonen – in die neue Dreiflügelanlage einbezogen“ wurde (vgl. Publikation Angern, Baugeschichte ab 1735).
  • Im Rahmen baubegleitender Untersuchungen wurde in den Zwischendecken des barocken Baus Fragmente eines grün glasierten Kachelofens gefunden, gefertigt aus glasierter Ziegelkeramik mit dekorativen Reliefs. Der Fund erlaubt auch Rückschlüsse auf die materielle und symbolische Kultur im Angern des 17. Jahrhunderts.

burg-angern-grundriss-1650

Mögliche Burganlage Angern ca. 1650-1690

Im Nordosten der zweiten Insel erhob sich ein massiver, quadratischer Turm mit einer Grundfläche von 10 mal 10 Metern. Seine sieben Geschosse machten ihn zum dominanten Element der früheren Wehranlage. Die Höhenrekonstruktion des Bergfrieds der Burg Angern lässt sich auf Grundlage der bekannten Grundfläche von 10 × 10 Metern und der Überlieferung von sieben Stockwerken annähernd bestimmen. Typische hochmittelalterliche Bergfriede wiesen lichte Raumhöhen von etwa 3,0 bis 3,5 Metern auf, ergänzt um Decken- und Mauerstärken von circa 0,5 bis 0,7 Metern pro Geschoss. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Geschosshöhe von etwa 3,5 bis 4,0 Metern. Multipliziert mit sieben Etagen ergibt sich eine Turmhöhe von etwa 24,5 bis 28 Metern, zuzüglich der Höhenanteile für eine Wehrplatte, Brustwehr oder eventuelles Zeltdach. Somit dürfte der Bergfried von Angern eine Gesamthöhe von etwa 26 bis 30 Metern erreicht haben, vergleichbar mit anderen regionalen Anlagen wie dem Bergfried von Tangermünde oder Lenzen. Diese Rekonstruktion verdeutlicht die imposante Dominanz des Turmes innerhalb der Burganlage und seine zentrale Rolle im Verteidigungssystem. KI generierte Ansicht des Bergfrieds der Burg Angern ca. um 1600
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Die mittelalterliche Burg von Angern stellt ein bemerkenswertes Beispiel für die Kombination aus natürlicher Topographie und wehrarchitektonischer Anpassung dar. Grundlage der Analyse bilden topographische Befunde, schriftliche Überlieferungen sowie bauliche Relikte, die eine differenzierte Rekonstruktion der Gesamtanlage ermöglichen.
Die Burganlage von Angern in der heutigen Altmark (Sachsen-Anhalt) gehört zu den bedeutenden Wasserburgen der Altmark. Ihre Entwicklung lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen, als sie im Rahmen der hochmittelalterlichen Landesausbauprozesse errichtet wurde. Die Hauptburg entstand auf einer künstlich angelegten Insel innerhalb eines doppelten Wassergrabensystems. Von der ursprünglichen Anlage ist heute vor allem die Struktur des Geländes erhalten, während die bauliche Substanz größtenteils durch kriegerische Ereignisse wie die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1631) sowie durch barocke Umbauten im 18. Jahrhundert überformt wurde. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum.
Die Burg Angern befand sich in der nordöstlichen Altmark, etwa 5 Kilometer westlich der Elbe, in einer feuchten Niederungslandschaft, die durch zahlreiche Altarme, sumpfige Wiesen und temporäre Überflutungsflächen geprägt war. Die Wahl dieses Standorts war sowohl durch defensive als auch durch infrastrukturelle Überlegungen motiviert. Die Anlage nutzte die natürlichen Gegebenheiten der Landschaft, um durch Wassergräben, Inselbildung und kontrollierte Wegeführung ein hohes Maß an Wehrhaftigkeit zu erzielen. Zugleich ermöglichte die Lage zwischen Magdeburg, Tangermünde, Rogätz und Wolmirstedt die Einbindung in überregionale Verkehrs- und Kommunikationsnetze.
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Die bauliche Entwicklung der Burg Angern lässt sich in mehreren Phasen vom Hochmittelalter bis zur Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg nachzeichnen. Die Anlage vereinte typische Merkmale einer wasserumwehrten Adelsburg in der norddeutschen Tiefebene: Inselfestung, Verteidigungsstruktur, Wirtschaftseinheit und Repräsentationsort. Das zentrale Element war die vollständig von Wassergräben umgebene Hauptburginsel, ergänzt durch eine südlich vorgelagerte Turminsel und eine festlandseitige Vorburg.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.