Die Burganlage von Angern in der heutigen Altmark (Sachsen-Anhalt) gehört zu den bedeutenden Wasserburgen der Altmark. Ihre Entwicklung lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen, als sie im Rahmen der hochmittelalterlichen Landesausbauprozesse errichtet wurde. Die Hauptburg entstand auf einer künstlich angelegten Insel innerhalb eines doppelten Wassergrabensystems. Von der ursprünglichen Anlage ist heute vor allem die Struktur des Geländes erhalten, während die bauliche Substanz größtenteils durch kriegerische Ereignisse wie die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1631) sowie durch barocke Umbauten im 18. Jahrhundert überformt wurde.
Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Die Burganlage stellt ein herausragendes Beispiel für eine bislang kaum erforschte hochmittelalterliche Wasserburg des nördlichen Mitteleuropas dar. Ihre Überreste dokumentieren nicht nur die regionalen Machtverhältnisse zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert, sondern erlauben darüber hinaus zentrale Rückschlüsse auf die baugeschichtliche Entwicklung, die funktionale Differenzierung und die soziale Organisation adliger Herrschaftsstrukturen im ländlich geprägten Raum. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die architektonische Gestalt, die Besitzgeschichte und die Nutzung der Burg bis zu ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg auf Basis einer interdisziplinären Auswertung historischer Schriftquellen und bauarchäologischer Befunde systematisch zu rekonstruieren.
Obwohl die Anlage über zahlreiche original erhaltene Baustrukturen – darunter Tonnengewölbe, Fundamentzüge, Bruchsteinmauern sowie Reste eines eigenständigen Turmbaus – verfügt, liegt bislang keine systematische bauhistorische Untersuchung vor. Einzelne Erwähnungen beschränken sich auf punktuelle Beobachtungen ohne tiefere Kontextualisierung. Historische Quellen wie Lehnbriefe, Visitationsprotokolle und die handschriftliche Dorfchronik von Angern (17. Jh.), ergänzt um die Bestände der Familie von der Schulenburg im Gutsarchiv Angern (Rep. H Angern Nr. 412), bieten jedoch eine solide Grundlage für eine quellenbasierte Rekonstruktion der Besitzverhältnisse, baulichen Entwicklungen und sozialen Rahmenbedingungen. Zusätzlich liefern kartographische Zeugnisse, insbesondere kolorierte Pläne des 18. Jahrhunderts sowie eine digitale Bauaufnahme von 2025, wichtige Hinweise auf die topographische Struktur und den Funktionszusammenhang der Gesamtanlage.
Den Schwerpunkt der Untersuchung bildet die Analyse der funktionalen und räumlichen Gliederung der Burg, insbesondere des Verhältnisses zwischen Hauptburginsel, südlich vorgelagertem Wehrturm (Bergfried) auf einer separaten Insel sowie der festlandseitigen Vorburg. Dieses dreigliedrige System findet Parallelen in zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Ziesar oder Beetzendorf (vgl. Ziesemer 1994; Boockmann 2002) und lässt Rückschlüsse auf die strategische Ausrichtung und Nutzung der Anlage zu.
Die bauarchäologische Evidenz – etwa die erhaltene Schießscharte im Turmfundament oder die Funde grün glasierter Kachelfragmente aus dem späten 15. Jahrhundert – ermöglicht es darüber hinaus, einzelne Bauphasen und Nutzungsänderungen differenziert nachzuzeichnen.
Vor diesem Hintergrund verfolgt die Dokumentation einen interdisziplinären Ansatz, der Schriftquellenkritik, architekturhistorische Analyse und vergleichende Burgenforschung miteinander verbindet. Ziel ist es, die Burg Angern nicht nur in ihrer regionalen, sondern auch in ihrer überregionalen Bedeutung innerhalb der hochmittelalterlichen Burgenlandschaft Mitteleuropas zu verorten und damit einen Beitrag zur Schließung bestehender Forschungslücken zu leisten.
Einordnung in den regionalen Burgenbau: Die Burg Angern in der Altmark stellt ein selten erhaltenes Beispiel einer hochmittelalterlichen Wasserburg mit weitgehend authentischer Bausubstanz dar. Charakteristische Elemente wie die Unterkellerung des Palas, die strategische Trennung von Palas und Bergfried sowie die eigenständige Wehrstruktur sind in ihrer ursprünglichen Form überliefert. Trotz zahlreicher Befunde blieb die Anlage bislang wissenschaftlich nahezu unbeachtet. Angern bietet damit ein bedeutendes Potential für die zukünftige Erforschung hochmittelalterlicher Burgenarchitektur im nördlichen Mitteleuropa.
Quellen
- Dorfchronik Angern
- Gutsarchiv Angerh, Rep. H Angern Nr. 412
- Ziesemer, E.: Die mittelalterlichen Burgen der Altmark. Magdeburg 1994
- Boockmann, H.: Die Burgen im deutschen Sprachraum. München 2002