Burg Angern
Die um 1340–1350 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Die Burganlage von Angern in der heutigen Altmark (Sachsen-Anhalt) gehört zu den bedeutenden Wasserburgen der Altmark. Ihre Entwicklung lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen, als sie im Rahmen der hochmittelalterlichen Landesausbauprozesse errichtet wurde. Die Hauptburg entstand auf einer künstlich angelegten Insel innerhalb eines doppelten Wassergrabensystems. Von der ursprünglichen Anlage ist heute vor allem die Struktur des Geländes erhalten, während die bauliche Substanz größtenteils durch kriegerische Ereignisse wie die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1631) sowie durch barocke Umbauten im 18. Jahrhundert überformt wurde.

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Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)

Die Burganlage stellt ein herausragendes Beispiel für eine bislang kaum erforschte hochmittelalterliche Wasserburg des nördlichen Mitteleuropas dar. Ihre Überreste dokumentieren nicht nur die regionalen Machtverhältnisse zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert, sondern erlauben darüber hinaus zentrale Rückschlüsse auf die baugeschichtliche Entwicklung, die funktionale Differenzierung und die soziale Organisation adliger Herrschaftsstrukturen im ländlich geprägten Raum. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die architektonische Gestalt, die Besitzgeschichte und die Nutzung der Burg bis zu ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg auf Basis einer interdisziplinären Auswertung historischer Schriftquellen und bauarchäologischer Befunde systematisch zu rekonstruieren.

Hauptburg-Angern

Obwohl die Anlage über zahlreiche original erhaltene Baustrukturen – darunter Tonnengewölbe, Fundamentzüge, Bruchsteinmauern sowie Reste eines eigenständigen Turmbaus – verfügt, liegt bislang keine systematische bauhistorische Untersuchung vor. Einzelne Erwähnungen beschränken sich auf punktuelle Beobachtungen ohne tiefere Kontextualisierung. Historische Quellen wie Lehnbriefe, Visitationsprotokolle und die handschriftliche Dorfchronik von Angern (17. Jh.), ergänzt um die Bestände der Familie von der Schulenburg im Gutsarchiv Angern (Rep. H Angern Nr. 412), bieten jedoch eine solide Grundlage für eine quellenbasierte Rekonstruktion der Besitzverhältnisse, baulichen Entwicklungen und sozialen Rahmenbedingungen. Zusätzlich liefern kartographische Zeugnisse, insbesondere kolorierte Pläne des 18. Jahrhunderts sowie eine digitale Bauaufnahme von 2025, wichtige Hinweise auf die topographische Struktur und den Funktionszusammenhang der Gesamtanlage.

Den Schwerpunkt der Untersuchung bildet die Analyse der funktionalen und räumlichen Gliederung der Burg, insbesondere des Verhältnisses zwischen Hauptburginsel, südlich vorgelagertem Wehrturm (Bergfried) auf einer separaten Insel sowie der festlandseitigen Vorburg. Dieses dreigliedrige System findet Parallelen in zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Ziesar oder Beetzendorf (vgl. Ziesemer 1994; Boockmann 2002) und lässt Rückschlüsse auf die strategische Ausrichtung und Nutzung der Anlage zu.

Die bauarchäologische Evidenz – etwa die erhaltene Schießscharte im Turmfundament oder die Funde grün glasierter Kachelfragmente aus dem späten 15. Jahrhundert – ermöglicht es darüber hinaus, einzelne Bauphasen und Nutzungsänderungen differenziert nachzuzeichnen.

Vor diesem Hintergrund verfolgt die Dokumentation einen interdisziplinären Ansatz, der Schriftquellenkritik, architekturhistorische Analyse und vergleichende Burgenforschung miteinander verbindet. Ziel ist es, die Burg Angern nicht nur in ihrer regionalen, sondern auch in ihrer überregionalen Bedeutung innerhalb der hochmittelalterlichen Burgenlandschaft Mitteleuropas zu verorten und damit einen Beitrag zur Schließung bestehender Forschungslücken zu leisten.

Einordnung in den regionalen Burgenbau: Die Burg Angern in der Altmark stellt ein selten erhaltenes Beispiel einer hochmittelalterlichen Wasserburg mit weitgehend authentischer Bausubstanz dar. Charakteristische Elemente wie die Unterkellerung des Palas, die strategische Trennung von Palas und Bergfried sowie die eigenständige Wehrstruktur sind in ihrer ursprünglichen Form überliefert. Trotz zahlreicher Befunde blieb die Anlage bislang wissenschaftlich nahezu unbeachtet. Angern bietet damit ein bedeutendes Potential für die zukünftige Erforschung hochmittelalterlicher Burgenarchitektur im nördlichen Mitteleuropa.

Quellen

  • Dorfchronik Angern
  • Gutsarchiv Angerh, Rep. H Angern Nr. 412
  • Ziesemer, E.: Die mittelalterlichen Burgen der Altmark. Magdeburg 1994
  • Boockmann, H.: Die Burgen im deutschen Sprachraum. München 2002
Im Nordosten der zweiten Insel erhob sich ein massiver, quadratischer Turm mit einer Grundfläche von 10 mal 10 Metern. Seine sieben Geschosse machten ihn zum dominanten Element der früheren Wehranlage. Die Höhenrekonstruktion des Bergfrieds der Burg Angern lässt sich auf Grundlage der bekannten Grundfläche von 10 × 10 Metern und der Überlieferung von sieben Stockwerken annähernd bestimmen. Typische hochmittelalterliche Bergfriede wiesen lichte Raumhöhen von etwa 3,0 bis 3,5 Metern auf, ergänzt um Decken- und Mauerstärken von circa 0,5 bis 0,7 Metern pro Geschoss. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Geschosshöhe von etwa 3,5 bis 4,0 Metern. Multipliziert mit sieben Etagen ergibt sich eine Turmhöhe von etwa 24,5 bis 28 Metern, zuzüglich der Höhenanteile für eine Wehrplatte, Brustwehr oder eventuelles Zeltdach. Somit dürfte der Bergfried von Angern eine Gesamthöhe von etwa 26 bis 30 Metern erreicht haben, vergleichbar mit anderen regionalen Anlagen wie dem Bergfried von Tangermünde oder Lenzen. Diese Rekonstruktion verdeutlicht die imposante Dominanz des Turmes innerhalb der Burganlage und seine zentrale Rolle im Verteidigungssystem. KI generierte Ansicht des Bergfrieds der Burg Angern ca. um 1600
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Die mittelalterliche Burg von Angern stellt ein bemerkenswertes Beispiel für die Kombination aus natürlicher Topographie und wehrarchitektonischer Anpassung dar. Grundlage der Analyse bilden topographische Befunde, schriftliche Überlieferungen sowie bauliche Relikte, die eine differenzierte Rekonstruktion der Gesamtanlage ermöglichen.
Die Burganlage von Angern in der heutigen Altmark (Sachsen-Anhalt) gehört zu den bedeutenden Wasserburgen der Altmark. Ihre Entwicklung lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen, als sie im Rahmen der hochmittelalterlichen Landesausbauprozesse errichtet wurde. Die Hauptburg entstand auf einer künstlich angelegten Insel innerhalb eines doppelten Wassergrabensystems. Von der ursprünglichen Anlage ist heute vor allem die Struktur des Geländes erhalten, während die bauliche Substanz größtenteils durch kriegerische Ereignisse wie die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1631) sowie durch barocke Umbauten im 18. Jahrhundert überformt wurde. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum.
Die Burg Angern befand sich in der nordöstlichen Altmark, etwa 5 Kilometer westlich der Elbe, in einer feuchten Niederungslandschaft, die durch zahlreiche Altarme, sumpfige Wiesen und temporäre Überflutungsflächen geprägt war. Die Wahl dieses Standorts war sowohl durch defensive als auch durch infrastrukturelle Überlegungen motiviert. Die Anlage nutzte die natürlichen Gegebenheiten der Landschaft, um durch Wassergräben, Inselbildung und kontrollierte Wegeführung ein hohes Maß an Wehrhaftigkeit zu erzielen. Zugleich ermöglichte die Lage zwischen Magdeburg, Tangermünde, Rogätz und Wolmirstedt die Einbindung in überregionale Verkehrs- und Kommunikationsnetze.
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Die bauliche Entwicklung der Burg Angern lässt sich in mehreren Phasen vom Hochmittelalter bis zur Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg nachzeichnen. Die Anlage vereinte typische Merkmale einer wasserumwehrten Adelsburg in der norddeutschen Tiefebene: Inselfestung, Verteidigungsstruktur, Wirtschaftseinheit und Repräsentationsort. Das zentrale Element war die vollständig von Wassergräben umgebene Hauptburginsel, ergänzt durch eine südlich vorgelagerte Turminsel und eine festlandseitige Vorburg.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.