Burg Angern
Die um 1340–1350 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Die folgenden Befundanalysen dokumentieren den bauhistorischen Zustand des Palas von Burg Angern anhand der heute sichtbaren und bauarchäologisch gesicherten Baustrukturen. Untersucht wurden sowohl die original erhaltenen Bauteile aus der hochmittelalterlichen Bauphase um 1340–1350 als auch die späteren Veränderungen während der frühneuzeitlichen Umbauten im 17. Jahrhundert und die neuzeitlichen Eingriffe des 20. Jahrhunderts. Der Schwerpunkt der Analysen liegt auf der Erfassung und differenzierten Bewertung der einzelnen Baubefunde: ihrer Materialität, Bauweise, Funktion, Erhaltungszustände sowie ihrer baugeschichtlichen Bedeutung im Zusammenhang mit der Gesamtstruktur der Burganlage. Die Befunde im Palas von Burg Angern belegen eine hochmittelalterliche Grundstruktur mit original erhaltenem Sockel, Flur und Erschließungssystem, die in der Frühneuzeit durch umfassende Neuaufmauerungen, Fensterneueinbauten und Gewölbeerneuerungen überformt, jedoch in ihrer funktionalen Grundordnung bewahrt wurde.

Besonderes Augenmerk gilt dabei dem außergewöhnlich gut erhaltenen mittelalterlichen Grundriss des Erdgeschosses, der klaren funktionalen Gliederung zwischen Wirtschafts- und Repräsentationsbereichen sowie der sichtbaren Anpassung der Palasstruktur an neue Anforderungen in der frühen Neuzeit. Vergleiche mit ähnlichen Burgen der Region (Ziesar, Tangermünde, Beetzendorf, Lenzen) ermöglichen eine fundierte Einordnung der Befunde in die überregionalen Entwicklungslinien des hoch- und spätmittelalterlichen Wasserburgenbaus Norddeutschlands. Ziel der vorliegenden Analysen ist es, den komplexen Bauzustand des Palas von Burg Angern wissenschaftlich präzise zu beschreiben, seine bauliche Entwicklung zu rekonstruieren und damit eine Grundlage für weiterführende bauhistorische Untersuchungen und denkmalpflegerische Maßnahmen zu schaffen.

Befundbeschreibung: Werksteine am ursprünglichen Palaseingang der Burg Angern

Ort: Burg Angern, nördlicher Palaskeller, Flur am verschütteten Eingang

Datum der Freilegung: 24. April 2021

Befund: Hinter der späteren Ziegelmauer, welche den ursprünglichen Eingangsbereich des Palas verschloss, wurde ein weiteres, bauzeitliches Bruchsteingewölbe sichtbar. Im linken oberen Bereich des freigelegten Durchbruchs erkennt man eine Partie gleichmäßig bearbeiteter, dunkler Werksteine. Diese Steine sind rechteckig geformt, glatt behauen und in gleichmäßigen Lagen gesetzt. Ihre präzise Bearbeitung hebt sie deutlich von dem unregelmäßigen Bruchstein- und  Ziegelmauerwerk der nachträglichen Umbauten ab.

Interpretation: Die gleichmäßig bearbeiteten Steine stammen eindeutig aus der Ursprungszeit des Palas (ca. 1340–1350) und sind Teil der baulichen Gestaltung des ursprünglichen Eingangsbereichs. Vermutlich handelt es sich um die Reste eines Torgewändes (Einfassung des Eingangs) oder den Sockelbereich einer Portalrahmung. Werksteine dieser Art wurden im Hochmittelalter insbesondere an neuralgischen Punkten wie Toreinfassungen oder wichtigen Flurabschlüssen verwendet, um Stabilität und eine repräsentative Erscheinung zu gewährleisten.

Vergleich: Ähnliche Werksteinfassungen finden sich etwa an der Burg Ziesar (Brandenburg) oder an der Burg Falkenstein (Harz), wo repräsentative Zugänge ebenfalls durch Quadersteinrahmungen hervorgehoben wurden (vgl. Bergner 1911; Dehio 1990).

Bedeutung des Befundes

  • Der ursprüngliche Zugang zum Palas von Angern war nicht nur funktional, sondern auch architektonisch betont.
  • Der Befund belegt die Erhaltung bedeutender mittelalterlicher Bausubstanz im Eingangsbereich.
  • Die Werksteine bestätigen die hohe bauliche Qualität der Burg Angern im 14. Jahrhundert.

Empfohlene weitere Schritte

  • Vollständige Freilegung des Werksteinverbands,
  • Dokumentation durch Vermessung und Zeichnung,
  • ggf. Untersuchung auf Reste von Türangeln, Befestigungen oder Farbspuren,
  • konservatorische Sicherung der freigelegten Partie.

Quellen

  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Brandenburg, München/Berlin 2000.
  • Dehio, Georg: "Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I", München/Berlin, 1990.
  • Lütkens, Martin: Burg Lenzen – Baugeschichte und archäologische Befunde, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege, 2011.
  • Bergner, Heinrich: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, Halle/Saale 1911.
  • Duncker, Alexander: "Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterschaftlichen Grundbesitzer", Band 12, Berlin, 1857/83.

Befundbeschreibung: Sockelbereich der Ostwand über dem Wassergraben

Lage und Kontext:

Der Sockelbereich der Ostwand befindet sich unmittelbar oberhalb des ehemaligen Wassergrabens und bildet die unterste erhaltene Baustruktur an der Ostseite des Palas von Burg Angern.

Bauweise und Material:

Die Mauerung besteht aus großformatigen, unregelmäßig geformten Feldsteinen und Flusskieseln, die in Schütttechnik vermauert wurden. Die Steine sind kaum bearbeitet und wurden lose, jedoch stabil eingefügt. Bindemittelreste (Kalkmörtel) sind vereinzelt sichtbar, weisen jedoch typische Verwaschungen durch Feuchtigkeitseinwirkung auf.

Erhaltungszustand:

Dieser Sockelbereich ist weitgehend original aus der Bauzeit (ca. 1340–1350) erhalten. Keine späteren Überarbeitungen oder Mauerergänzungen sind im unmittelbaren Sockelbereich erkennbar. Die oberste Steinlage zeigt Setzungen und leichte Verschiebungen, die vermutlich auf jahrhundertelange Wasser- und Frosteinwirkung zurückzuführen sind, aber keine wesentliche Strukturzerstörung bewirkten.

Funktion:

Der Sockel hatte die Aufgabe, die tragende Basis für die darüberliegende Palaswand zu bilden und gleichzeitig den Mauerfuß vor Wassererosion, Überschwemmungen und Frostschäden zu schützen. Seine massive Ausführung spricht für die damalige Bedeutung der Grabenfront als repräsentative und zugleich verteidigungswichtige Seite der Hauptburg.

Bedeutung im Bauzusammenhang:

Der Sockel dokumentiert eine typische Bauweise hochmittelalterlicher Wasserburgen im norddeutschen Raum, bei der massive Fundamentzonen notwendig waren, um die Gebäudestatik auf nassem, grabennahen Untergrund dauerhaft zu sichern.

Er stellt heute eines der ältesten und authentischsten erhaltenen Bauteile der gesamten Burganlage dar und ist archäologisch besonders bedeutsam, da er einen unveränderten Einblick in die mittelalterliche Gründungs- und Schutztechnik bietet.

Befundbeschreibung: Bruchsteininnenwand mit Umkehrgang im nördlichen Kellerbereich

Lage und Kontext:

Die massive Bruchsteinmauer befindet sich an der Westseite des Palas von Burg Angern und bildet dort die ursprüngliche Außenwand zur Hofseite hin. Der Bereich umfasst den Abschnitt, in dem der Flur endet und wo der Zugang zum nördlichen Kellerbereich über den Umkehrgang angelegt wurde.

Bauweise und Material:

Die Wand besteht aus grob gebrochenen Natursteinen, unregelmäßig vermauert, typisch für hochmittelalterliche Wehrarchitektur. Die Steine wurden in Schütttechnik gesetzt, ohne feine Bearbeitung, aber mit robuster Schichtung. Die Stärke der Wand beträgt ca. 1,2 Meter, was für Außenmauern im Wehrbau des 14. Jahrhunderts üblich ist.

Erhaltungszustand:

Im unteren Bereich ist die Wand original aus der Bauzeit um 1340–1350 erhalten. Die Oberzone ist heute nicht vollständig untersuchbar, könnte jedoch durch spätere Umbauten beeinträchtigt worden sein. Die originalen Strukturen im Kellerbereich zeigen keine späteren Durchbrüche oder Störungen.

Sonderstruktur: Umkehrgang:

In die westliche Außenwand wurde bereits bei der Errichtung ein schmaler Umkehrgang integriert. Dieser Durchgang verläuft zunächst gerade, knickt dann im rechten Winkel ab (180-Grad-Wendung) und erschließt den nördlichen Kellerraum. Die Anlage zeigt die typische Strategie hochmittelalterlicher Burgen, durch verwinkelte Erschließungen Bewegungen zu kontrollieren und im Verteidigungsfall Vorteile zu schaffen.

Funktion:

Die Wand diente primär als tragende und schützende Außenmauer des Palas zur Hofseite. Der integrierte Umkehrgang ermöglichte die gesicherte Erschließung eines angrenzenden Kellerraums, ohne die Mauerlinie zu schwächen.

Bedeutung im Bauzusammenhang:

Die westliche Außenwand belegt eindrucksvoll das hochmittelalterliche Konzept kompakter, stabiler Bauweise bei gleichzeitiger funktionaler Durchdringung für interne Erschließungszwecke. Der Befund zeigt, dass Wehrfähigkeit, Raumnutzung und Erschließungslogik im Palas von Angern auf engem Raum miteinander verbunden waren.

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Erhaltene mittelalterliche massive Bruchsteinwand mit Eingang zum Umkehrgang (links)

Befundbeschreibung: Sandsteintreppe im südlichen Flurbereich

Lage und Kontext:

Die Sandsteintreppe befindet sich im südlichen Bereich des Flurs im Erdgeschoss des Palas von Burg Angern. Ihre Lage unmittelbar rechts neben dem (heute verschütteten) Haupteingang deutet auf eine planmäßige Erschließungsachse vom Innenhof in die Obergeschosse hin.

Bauweise und Material:

Die Treppe besteht aus sorgfältig behauenen Sandsteinstufen. Die Stufen sind schmal (ca. 60–70 cm breit) und steigen relativ steil an. Ihre Proportionen und Bauweise entsprechen typischen hochmittelalterlichen Treppenanlagen, bei denen Funktionalität und Wehrfähigkeit Vorrang vor Repräsentation hatten.

Erhaltungszustand und Analyse:

Die heutige Sandsteintreppe zeigt keine groben Verformungen, jedoch leichte Mörtelergänzungen an einzelnen Stufen.

Es kann bislang nicht mit absoluter Sicherheit bestätigt werden, ob sämtliche Stufen noch aus der ursprünglichen Bauzeit (ca. 1340–1350) stammen oder ob sie in der Frühneuzeit (17. Jahrhundert) teilweise erneuert oder ergänzt wurden.

Allerdings spricht die ursprüngliche Lage direkt am Palaseingang und der bauliche Anschluss an die mittelalterlichen Flurstrukturen stark dafür, dass der Treppenaufgang grundsätzlich an der originalen Position liegt und konzeptionell auf die Bauzeit zurückgeht.

Funktion:

Die Treppe erschloss den Weg vom Wirtschaftsgeschoss im Erdgeschoss in die Wohn- und Repräsentationsräume im Obergeschoss. Ihre Enge und Steilheit erhöhten gleichzeitig die Verteidigungsfähigkeit gegen Angreifer.

Bedeutung im Bauzusammenhang:

Unabhängig von möglichen Reparaturen dokumentiert die heutige Treppe den ursprünglichen Erschließungsgedanken des Palas: eine klare, geschützte und funktional durchdachte vertikale Verbindung zwischen den ökonomischen und herrschaftlichen Bereichen des Gebäudes.

Befundbeschreibung: Werksteine am ursprünglichen Eingang des Palas

Lage und Kontext:

Die Werksteine befinden sich im Bereich des ehemaligen Haupteingangs des Palas von Burg Angern, an der Westseite des Gebäudes, in unmittelbarer Nähe zum ursprünglichen Flur. Der Zugang führte vom Innenhof direkt ins Erdgeschoss des Palas.

Bauweise und Material:

Die Werksteine bestehen aus einem dunkelgrauen, sehr harten Naturstein – mit hoher Wahrscheinlichkeit Basaltlava oder andesitähnlichem Vulkangestein –, wie es für hochmittelalterliche Burgen der Altmark und Brandenburg typisch war. Die Steine sind sorgfältig behauen, mit glatten Sichtflächen und exakt gearbeiteten Kanten. Die Bearbeitung und die regelmäßige Fugung heben sich deutlich von dem unregelmäßigen Bruchsteinmauerwerk der angrenzenden Bereiche ab.

Erhaltungszustand:

Das Eingangsgewände ist offenbar vollständig erhalten, wurde bislang jedoch nur teilweise freigelegt. Erste Befunde deuten darauf hin, dass beide Seitenwangen sowie die obere Abschlusszone (Sturz oder Bogenansatz) vorhanden sind, jedoch durch spätere Vermauerungen teilweise verdeckt. Die hochwertige Bearbeitung und die klare Baunaht zum übrigen Mauerwerk legen eine Entstehung im Rahmen der ursprünglichen Bauphase (ca. 1340–1350) nahe.

Funktion:

Die Werksteine bildeten die tragende und stabilisierende Rahmung des Hauptportals. Sie sollten die über der Öffnung lastenden Mauerteile sicher ableiten und den Eingang zugleich als zentrales architektonisches Element hervorheben. Solche Eingangsrahmungen sind typisch für hochmittelalterliche Burgen, die eine bewusste Repräsentation der Machtverhältnisse architektonisch inszenierten.

Bedeutung im Bauzusammenhang:

Das fast vollständig erhaltene Eingangsgewände liefert einen außergewöhnlich wichtigen Befund. Es erlaubt Rückschlüsse auf die ursprüngliche Gestaltung des Palas, auf die Bauqualität und auf die symbolische Bedeutung des Hauptzugangs innerhalb der Gesamtanlage. Die Erhaltung solcher Eingangsportale in situ ist im norddeutschen Raum selten und macht den Befund in Angern besonders wertvoll für die Burgenforschung.

Vergleichsbeispiele:

  • Burg Ziesar (Brandenburg): Portalgewände aus Basaltlava im Palasbereich, sorgfältig behauen (vgl. Dehio Brandenburg 2000, S. 115).
  • Burg Tangermünde (Altmark): Ursprünglicher Torbogen mit Gewändesteinen aus andesitähnlichem Material, funktional und repräsentativ (vgl. Dehio Sachsen-Anhalt 1996, S. 195).
  • Burg Lenzen (Prignitz): Erhaltene Eingangsrahmungen aus hartem Naturstein dokumentieren vergleichbare Baukonzepte (vgl. Lütkens 2011).

Quellen:

  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Brandenburg, 2000.
  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I, 1996.
  • Lütkens, Udo: Burgen und Herrensitze in der Prignitz, 2011.
  • Bergner, Heinrich: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt, 1911.

Befundbeschreibung: Erhaltener Grundriss des Erdgeschosses des Palas von Burg Angern

Lage und Kontext: Der Grundriss des Erdgeschosses des Palas von Burg Angern ist trotz späterer Umbauten in seiner ursprünglichen Struktur weitgehend erhalten. Er umfasst die westliche Eingangszone, den zentralen Flur, den Umkehrgang zum nördlichen Kellerbereich sowie die Anbindung der Sandsteintreppe zum Obergeschoss.

Struktur und Bauweise: Die Haupterschließung erfolgt über einen 2 Meter breiten Flur, der von Westen (Innenhof) gerade nach Osten führt und an einem Fenster zum Wassergraben endet. Vom Flur gehen zwei Hauptverbindungen ab: Nach Norden Zugang über einen bauzeitlichen Umkehrgang in den nördlichen Kellerraum, nach Süden Zugang zur mittelalterlichen Sandsteintreppe, die ins erste Obergeschoss führt.

Südliche Gewöbebereiche: Südlich des Flurs sind weitere Keller- bzw. Gewöberäume vorhanden, die aufgrund moderner Vermauerungen derzeit nicht zugänglich sind. Nach den sichtbaren Baunähten, der Anordnung der Fenster in der Ostwand und der Gesamtstruktur ist davon auszugehen, dass dieser Bereich ursprünglich mindestens einen, möglicherweise zwei Gewölberäume umfasste. Genauere Aussagen zur Raumstruktur können erst nach zukünftigen Freilegungen getroffen werden.

Erhaltungszustand: Der Flur, die massive Binnenstruktur der westlichen Außenwand mit dem Umkehrgang, und die Treppenanlage sind weitgehend original aus der Bauzeit (ca. 1340–1350) erhalten. Die Decken (heute Ziegelgewölbe) sowie einzelne Wandpartien wurden im 17. Jahrhundert erneuert. Die südlichen Gewölbebereiche sind verschlossen, ihr Zustand kann aktuell nicht bewertet werden.

Funktion: Der Flur diente als Hauptachse für die Erschließung der Wirtschaftsräume und der Wohnbereiche. Der nördliche Kellerraum und die südlichen Gewöbe dienten der wirtschaftlichen Nutzung (Vorratslagerung, möglicherweise Werkstätten). Der Umkehrgang und die schmale Treppe erhöhten die Verteidigungsfähigkeit.

Bedeutung im Bauzusammenhang: Der erhaltene Grundriss dokumentiert auf herausragende Weise die hochmittelalterliche Funktionsgliederung einer Wasserburg: klare Erschließungsachsen, gesicherte Bewegungsführung und die bewusste Trennung von ökonomischen und repräsentativen Zonen. Vergleichbare Grundrisskonzepte finden sich auch in der Burg Ziesar, wo ein axialer Flur mit seitlichen Wirtschaftsräumen und kontrollierter Wegeführung existiert, in der Burg Tangermünde, wo die Kellergeschosse ähnlich funktional strukturiert sind, sowie in der Burg Beetzendorf, die ebenfalls über eine zentral gelenkte Erschließung verfügte. Auch die Burg Lenzen zeigt mit ihrem Palas eine ähnliche Anordnung von Flur, Wirtschaftsräumen und Wohngeschossen entlang der Grabenseite. Diese Parallelen belegen, dass der erhaltene Grundriss von Angern sich in ein regional typisches Baukonzept hochmittelalterlicher Wasserburgen einordnet.

Kurz zusammengefasst:

  • Bauzeit: ca. 1340–1350
  • Struktur: Flur, Umkehrgang, Sandsteintreppe, südliche Gewöbebereiche (nicht zugänglich)
  • Funktion: Wirtschaftliche Lagerung, Verteidigung, soziale Trennung
  • Erhaltungszustand: Grundstruktur original, Aufbauten (Gewölbe) frühneuzeitlich erneuert

Befundbeschreibung: Neuaufmauerung der Ostwand über dem mittelalterlichen Sockel

Lage und Kontext:

Die Ostwand des Palas von Burg Angern oberhalb der mittelalterlichen Sockelzone wurde im Rahmen einer umfassenden Baumaßnahme in der Frühneuzeit – vermutlich im späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert – vollständig erneuert.

Bauweise und Material:

Während der Sockelbereich aus unregelmäßig gesetztem Feldsteinmauerwerk der Bauzeit (ca. 1340–1350) besteht, wurde der aufgehende Mauerwerksbereich über dem Sockel aus wiederverwendeten Bruchsteinen und neu eingebrachten Ziegeln errichtet. Das Mauerwerk weist eine deutlich homogenere, regelmäßigere Schichtung auf als das mittelalterliche Fundament. Die Verarbeitung der Fugen und das Bindemittel (heller Kalkmörtel) deuten auf eine spätere Bauphase.

Erhaltungszustand:

Die frühneuzeitliche Neuaufmauerung ist heute weitgehend erhalten. Spuren nachträglicher Reparaturen und Teilverfugungen sind sichtbar. Der Verband wirkt stabil, jedoch unterscheidet sich die Material- und Verarbeitungstechnik klar vom mittelalterlichen Unterbau.

Funktion:

Die Neuaufmauerung diente dazu, die beschädigte mittelalterliche Palaswand – vermutlich infolge von Kriegseinwirkungen oder struktureller Alterung – funktional wiederherzustellen. Gleichzeitig wurde die Wandstruktur an veränderte Wohn- und Nutzungsanforderungen angepasst, insbesondere durch das Einfügen neuer Fensteröffnungen (siehe eigener Befund).

Bedeutung im Bauzusammenhang:

Die frühneuzeitliche Neuaufmauerung der Ostwand dokumentiert eine entscheidende Umbauphase der Burg Angern, in der die mittelalterliche Substanz repariert, modernisiert und neuen funktionalen Erfordernissen angepasst wurde. Sie bildet ein wesentliches Zeugnis für die dauerhafte Nutzung und kontinuierliche Anpassung der Burgstruktur bis in die Neuzeit.

Vergleichsbeispiele:

Ähnliche Neuaufmauerungen über mittelalterlichen Sockeln lassen sich an mehreren Burgen der Altmark und Brandenburgs beobachten, etwa an der Burg Ziesar (Neustrukturierung der Vorhallenwand im 17. Jahrhundert) oder an der Burg Salzwedel, wo nach Kriegsschäden die Erdgeschosswände teilweise in Bruchstein-Ziegel-Mischtechnik erneuert wurden (vgl. Dehio Brandenburg 2000, Dehio Sachsen-Anhalt 1996, Bergner 1911).

Kurz zusammengefasst:

  • Zeitstellung: Spätes 17. bis frühes 18. Jahrhundert
  • Material: Wiederverwendeter Bruchstein und Ziegel
  • Funktion: Reparatur und Modernisierung der Palasstruktur
  • Erhaltungszustand: Weitgehend intakt, aber technisch deutlich vom mittelalterlichen Sockel zu unterscheiden

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Stich von Duncker mit Blick auf die Ostseite des Palas

Befundbeschreibung: Fensteröffnungen in der Ostwand des Palas

Lage und Kontext:

Die Fensteröffnungen befinden sich in der neu aufgemauerten Ostwand des Palas von Burg Angern, oberhalb des mittelalterlichen Sockelbereichs. Sie liegen gleichmäßig verteilt auf mittlerer Höhe und sind nach außen zur Grabenseite hin ausgerichtet.

Bauweise und Material:

Die Fensteröffnungen sind aus Ziegelmauerwerk gefasst. Sie zeigen flache Segmentbogenabschlüsse, die präzise gemauert und sauber verfugt wurden. Das verwendete Ziegelmaterial und der Aufbau der Öffnungen unterscheiden sich deutlich vom mittelalterlichen Bruchsteinverband, was auf ihre Entstehung im Rahmen der frühneuzeitlichen Neuaufmauerung (spätes 17. Jahrhundert) hinweist.

Erhaltungszustand:

Zwei der Fensteröffnungen sind heute noch sichtbar. Weitere Öffnungen könnten existieren, sind jedoch verschüttet oder durch spätere Umbauten vermauert worden. Die vorhandenen Fenster sind strukturell stabil, zeigen aber Spuren späterer Reparaturmörtel und teilweiser Ausbesserungen im Bereich der Bögen.

Funktion:

Die Fenster dienten primär der Belichtung und Belüftung der angrenzenden Keller- und Lagerräume im Erdgeschoss. Ihre gleichmäßige Anordnung ermöglichte eine bessere Luftzirkulation und klimatische Verbesserung in den Wirtschaftsräumen – ein funktionales Konzept, das bereits im Hochmittelalter üblich war und hier in der Frühneuzeit modernisiert wurde.

Bedeutung im Bauzusammenhang:

Obwohl die heutigen Fensteröffnungen nicht mehr aus der Bauzeit des Palas stammen, setzen sie die hochmittelalterliche Grundidee der Grabenseitigen Belichtung der Keller fort. Sie belegen die Anpassung der Anlage an veränderte Nutzungsbedürfnisse in der Frühneuzeit und verdeutlichen die langfristige wirtschaftliche Nutzung der unteren Gebäudebereiche.

Vergleichsbeispiele:

Vergleichbare Fensterstrukturen sind bei anderen Burgen in der Region dokumentiert. In Burg Ziesar wurden ebenfalls während frühneuzeitlicher Umbauten neue Fenster zur Belichtung der Wirtschaftsräume eingefügt (vgl. Dehio Brandenburg 2000). Auch an der Burg Beetzendorf wurden nachträglich Belichtungsöffnungen entlang der Grabenseite geschaffen (vgl. Bergner 1911).

Kurz zusammengefasst:

  • Zeitstellung: Spätes 17. Jahrhundert
  • Material: Ziegelmauerwerk mit Segmentbögen
  • Funktion: Belichtung und Belüftung der Kellerzonen
  • Erhaltungszustand: Zwei Fenster sichtbar, weitere verschüttet oder vermauert

Befundbeschreibung: Ziegelgewölbe über Flur und nördlichem Kellerraum

Lage und Kontext:

Das Ziegelgewölbe überspannt heute den Flur des Erdgeschosses sowie den nördlich angrenzenden Kellerraum des Palas von Burg Angern. Es ersetzt das ursprüngliche, vermutlich aus Bruchstein ausgeführte Gewölbe der hochmittelalterlichen Bauphase.

Bauweise und Material:

Das Gewölbe wurde vollständig aus rechteckigen Ziegelsteinen errichtet. Die Ziegel sind regelmäßig gemauert, die Gewölbekappe zeigt eine schlichte, tonnenförmige Ausführung ohne Gurte oder Rippen. Die Bindemittel- und Fugenstruktur (heller Kalkmörtel) weist auf eine Bauzeit im späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert hin.

Erhaltungszustand:

Das Ziegelgewölbe ist strukturell gut erhalten. Einzelne Mörtelerneuerungen und kleinere Rissbildungen sind erkennbar, jedoch stabil. Der ursprüngliche, bauzeitliche Charakter des Raumes wurde durch die Gewölberneuerung verändert, die Raumwirkung aber in ihrer Grundform (Tonne) bewahrt.

Funktion:

Das Ziegelgewölbe dient als tragende Deckenkonstruktion für die darüberliegenden Etagen und gewährleistet eine hohe Druckaufnahme. Es sichert den Schutz der darunterliegenden Wirtschaftsräume und ermöglicht gleichzeitig eine brandsichere Trennung der Geschosse.

Bedeutung im Bauzusammenhang:

Das nachträglich eingezogene Ziegelgewölbe dokumentiert eine wichtige Phase der strukturellen Erneuerung und Anpassung des Palas an neue Wohn- und Nutzungskonzepte nach dem Dreißigjährigen Krieg. Seine Errichtung sicherte die weitere Nutzung der Kellerräume und stabilisierte die gesamte Palasstruktur.

Vergleichsbeispiele:

Ähnliche Ziegelgewölbe als Ersatz für mittelalterliche Bruchsteingewölbe finden sich etwa im Erdgeschoss der Burg Ziesar, wo ebenfalls nach Kriegsschäden im 17. Jahrhundert tonnenförmige Ziegelgewölbe eingesetzt wurden (vgl. Dehio Brandenburg 2000). Auch die Burg Beetzendorf weist solche nachträglich eingezogenen einfachen Ziegeltonnen über Wirtschaftsräumen auf (vgl. Bergner 1911).

Kurz zusammengefasst:

  • Zeitstellung: Spätes 17. oder frühes 18. Jahrhundert
  • Material: Ziegelmauerwerk (Tonnengewölbe)
  • Funktion: Tragkonstruktion, Brandschutz, Stabilisierung
  • Erhaltungszustand: Gut erhalten, kleinere Reparaturen
Im Nordosten der zweiten Insel erhob sich ein massiver, quadratischer Turm mit einer Grundfläche von 10 mal 10 Metern. Seine sieben Geschosse machten ihn zum dominanten Element der früheren Wehranlage. Die Höhenrekonstruktion des Bergfrieds der Burg Angern lässt sich auf Grundlage der bekannten Grundfläche von 10 × 10 Metern und der Überlieferung von sieben Stockwerken annähernd bestimmen. Typische hochmittelalterliche Bergfriede wiesen lichte Raumhöhen von etwa 3,0 bis 3,5 Metern auf, ergänzt um Decken- und Mauerstärken von circa 0,5 bis 0,7 Metern pro Geschoss. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Geschosshöhe von etwa 3,5 bis 4,0 Metern. Multipliziert mit sieben Etagen ergibt sich eine Turmhöhe von etwa 24,5 bis 28 Metern, zuzüglich der Höhenanteile für eine Wehrplatte, Brustwehr oder eventuelles Zeltdach. Somit dürfte der Bergfried von Angern eine Gesamthöhe von etwa 26 bis 30 Metern erreicht haben, vergleichbar mit anderen regionalen Anlagen wie dem Bergfried von Tangermünde oder Lenzen. Diese Rekonstruktion verdeutlicht die imposante Dominanz des Turmes innerhalb der Burganlage und seine zentrale Rolle im Verteidigungssystem. KI generierte Ansicht des Bergfrieds der Burg Angern ca. um 1600
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Die mittelalterliche Burg von Angern stellt ein bemerkenswertes Beispiel für die Kombination aus natürlicher Topographie und wehrarchitektonischer Anpassung dar. Grundlage der Analyse bilden topographische Befunde, schriftliche Überlieferungen sowie bauliche Relikte, die eine differenzierte Rekonstruktion der Gesamtanlage ermöglichen.
Die Burganlage von Angern in der heutigen Altmark (Sachsen-Anhalt) gehört zu den bedeutenden Wasserburgen der Altmark. Ihre Entwicklung lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen, als sie im Rahmen der hochmittelalterlichen Landesausbauprozesse errichtet wurde. Die Hauptburg entstand auf einer künstlich angelegten Insel innerhalb eines doppelten Wassergrabensystems. Von der ursprünglichen Anlage ist heute vor allem die Struktur des Geländes erhalten, während die bauliche Substanz größtenteils durch kriegerische Ereignisse wie die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1631) sowie durch barocke Umbauten im 18. Jahrhundert überformt wurde. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum.
Die Burg Angern befand sich in der nordöstlichen Altmark, etwa 5 Kilometer westlich der Elbe, in einer feuchten Niederungslandschaft, die durch zahlreiche Altarme, sumpfige Wiesen und temporäre Überflutungsflächen geprägt war. Die Wahl dieses Standorts war sowohl durch defensive als auch durch infrastrukturelle Überlegungen motiviert. Die Anlage nutzte die natürlichen Gegebenheiten der Landschaft, um durch Wassergräben, Inselbildung und kontrollierte Wegeführung ein hohes Maß an Wehrhaftigkeit zu erzielen. Zugleich ermöglichte die Lage zwischen Magdeburg, Tangermünde, Rogätz und Wolmirstedt die Einbindung in überregionale Verkehrs- und Kommunikationsnetze.
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Die bauliche Entwicklung der Burg Angern lässt sich in mehreren Phasen vom Hochmittelalter bis zur Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg nachzeichnen. Die Anlage vereinte typische Merkmale einer wasserumwehrten Adelsburg in der norddeutschen Tiefebene: Inselfestung, Verteidigungsstruktur, Wirtschaftseinheit und Repräsentationsort. Das zentrale Element war die vollständig von Wassergräben umgebene Hauptburginsel, ergänzt durch eine südlich vorgelagerte Turminsel und eine festlandseitige Vorburg.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.