Die Errichtung der Burg Angern um 1340 – Architektur, Handwerk und Kontext. Die Burg Angern entstand um das Jahr 1340 im Auftrag des Erzbischofs Otto von Magdeburg. Diese Befestigungsanlage war Teil einer territorialpolitischen Sicherungsstrategie des Erzstifts in der südlichen Altmark, nachdem 1336 ein Ausgleich mit dem Markgrafen von Brandenburg erreicht worden war. Die Anlage, gelegen an einer bedeutenden Handelsroute, zählt zu den Wasserburgen des Niederungstyps und zeigt exemplarisch, wie sich Wehrhaftigkeit, Verwaltung und Repräsentation im 14. Jahrhundert architektonisch verbanden.
Topographie und Anlage
Die Burg wurde auf zwei künstlich geschaffenen Inseln errichtet und war von einem durchgehenden Wassergraben umgeben. Dieser Graben war kein natürlicher See, sondern wurde durch gezielten Aushub in einer feuchten Niederung angelegt. Dabei nutzte man vermutlich bestehende Quellhorizonte – unterhalb der Brücke zur Hauptburg treten noch heute Quellen zutage. Diese wurden hydrologisch so gefasst, dass sie eine ständige Wasserzufuhr des Grabens sicherten. Die Anlage bestand aus einer Vorburg mit Wirtschaftsgebäuden und einer Hauptburg mit einem siebengeschossigen Wehrturm, der die Gesamtstruktur dominierte.
Anordnung der Baukörper
Die Burg bestand aus einem rechteckig ummauerten Kernbereich (Hauptburg) mit dem Bergfried als dominierendem Bauteil, ergänzt durch einen einfachen Palas (Wohnbau), der sich an die innere Ringmauer anlehnte. Er war einstöckig, massiv, aus demselben Feldsteinmaterial errichtet, mit kleinen Fensteröffnungen und innen mit hölzernen Deckenbalken überspannt. Südlich oder westlich davon erstreckte sich eine Vorburg, in der Stallungen, Speicher, ein Brunnen und mutmaßlich ein kleines Brauhaus untergebracht waren. Diese Gebäude waren funktional ausgerichtet, direkt miteinander verbunden und ebenfalls aus Feldstein errichtet – in wirtschaftlich einfacherer Bauweise.
Wehrtechnik und Zugang
Der Zugang zur Hauptburg erfolgte über eine hölzerne Zugbrücke, die einen mit Wasser gefüllten Graben überquerte und direkt zum einstöckigen Torbau führte. Dieser war ebenfalls aus Feldstein gefertigt, mit einem einfachen Rundbogendurchlass, ohne umlaufenden Wehrgang oder Zinnen – typisch für funktionale Burgen dieser Zeit.
Die äußere Ringmauer war hoch, jedoch ohne regelmäßige Wehrgänge – sie diente mehr der Absicherung als der aktiven Verteidigung, allerdings ohne durchgehenden Wehrgang. Einzelne hölzerne Plattformen oder begehbare Abschnitte könnten punktuell vorhanden gewesen sein, etwa zur Bewachung des Tores sowie auf der dem Bergfried zugewandten Südseite, oder an strategisch wichtigen Punkten Die Wehrhaftigkeit beruhte weniger auf militärischer Stärke als auf der Abgrenzung und Kontrolle des Raums. Eine durchgehende Wehrplattform aus Holz ist hingegen aufgrund der unregelmäßigen Feldsteinstruktur der Mauer unwahrscheinlich.
Der Zugang zur Hauptburg erfolgte über eine hölzerne Zugbrücke, die einen mit Wasser gefüllten Graben überquerte und direkt zum einstöckigen Torbau führte. Dieser war ebenfalls aus Feldstein gefertigt, mit einem einfachen Rundbogendurchlass, ohne Wehrgang oder Zinnen – typisch für funktionale Burgen dieser Zeit.
Herstellung des Wassergrabens
Der Wassergraben der Burg Angern wurde nicht als Teil eines natürlichen Gewässers genutzt, sondern gezielt künstlich angelegt, um eine dauerhafte Verteidigungslinie in der Niederungslandschaft zu schaffen. Die Bauweise folgt den Prinzipien mittelalterlicher Wasserburgen in Norddeutschland und basiert auf geologischer Kenntnis, hydraulischem Verständnis und umfangreicher Handarbeit.
Das Gelände wurde so gewählt, dass es von Quellen durchzogen war, die bis heute unterhalb der Brücke nachweisbar sind. Diese feuchte, quellgespeiste Niederung ermöglichte es, den Graben dauerhaft mit Wasser zu füllen. Ein besonderer Vorteil bei der Herstellung des Grabens in Angern war das Vorhandensein einer natürlichen Lehmschicht in etwa zwei Metern Tiefe unter dem Gelände. Diese geologische Gegebenheit erleichterte nicht nur die Abdichtung des Grabens erheblich, sondern machte zusätzliche Abdichtungsmaßnahmen wie das Auslegen mit Ton oder Lehm weitgehend überflüssig. Die Bauleute konnten beim Aushub direkt auf den dichten Lehm treffen und so die Grabensohle stabil und wasserdicht ausbilden.
Der Graben wurde mit Spaten, Hacken und Schleppkarren per Hand ausgehoben. Dabei entstanden zwei getrennte Inseln – eine für die Hauptburg und eine für die Vorburg. Der Aushub wurde zum Aufschütten der Inseln verwendet, wodurch man gleichzeitig die Fundamente für die Bebauung stabilisierte. Die Tiefe des Grabens betrug etwa 2 bis 3 Meter, bei einer Breite von 6 bis 10 Metern, ausreichend für eine unüberwindbare Barriere und zur Lagerung von Wasser. Zusätzlich wurden an besonders beanspruchten Uferstellen Faschinenbündel (Reisiglagen), Flechtwerk oder Steinsatz eingesetzt, um Erosion zu verhindern und das Ufer zu sichern. Ein einfaches hölzernes Stauwehr oder eine Schützvorrichtung diente zur Regulierung des Wasserstandes. Diese befand sich vermutlich an einer tiefer gelegenen Stelle außerhalb der Anlage. So konnte der Wasserstand saisonal angepasst oder das Wasser im Verteidigungsfall angestaut werden.
Die beiden entstandenen Inseln waren über hölzerne Brücken erreichbar. Der Wassergraben bildete einen geschlossenen Ring um die Kernburg und ließ nur über den Hauptzugang mit Brüche eine Verbindung zur Umgebung zu. Damit war die Burg vor Angriffen, Brandstiftung und unbefugtem Zugang geschützt, ohne auf massive Höhenanlagen angewiesen zu sein.
Gründung und Konstruktion
Aufgrund der dauerhaft feuchten Bodenverhältnisse im Niederungsbereich der Burg Angern war eine stabile Gründung unabdingbar. Der Baugrund bot dabei eine günstige Voraussetzung: In rund zwei Metern Tiefe befand sich in Angern eine dichte, natürliche Lehmschicht, die eine tragfähige und wasserundurchlässige Basis bildete. Diese wurde gezielt genutzt, um darüber eine Pfahlrostgründung aus dauerhaftem Hartholz – meist Eiche oder Ulme – anzulegen. Die Pfähle wurden senkrecht in die gewachsene Lehmschicht gerammt, darüber verlegte man Querhölzer in regelmäßigen Abständen, auf denen die Mauerfundamente errichtet wurden. Eine Sand- oder Kalkschicht glich dabei Unebenheiten aus und diente als abschließende Tragschicht für das aufgehende Mauerwerk.
Baumaterialien und Bauweise
Die Konstruktion der Burg um 1340 erfolgte primär mit lokal verfügbarem Feldstein, wie es für Wehrbauten der Altmark typisch war. Backstein war zu dieser Zeit in der Region zwar bereits bekannt, wurde im Burgenbau jedoch meist nur punktuell verwendet, etwa für Gewände oder dekorative Elemente, da er recht teuer war. Die Feldsteine stammten aus den umliegenden Äckern und wurden in mühsamer Handarbeit mit Kalkmörtel verbunden. Die Feldsteine waren unregelmäßig, von unterschiedlicher Größe und Farbe – überwiegend Grau-, Schwarz- und Weißtöne –, was dem Mauerwerk das typische unruhige, aber solide Erscheinungsbild verleiht. Die Fugenführung war unregelmäßig, der Mörtel grobkörnig – eine typische Technik des 14. Jahrhunderts, die auf schnelle Errichtung und Widerstandsfähigkeit abzielte, nicht auf Ästhetik. Die mittelalterlichen Mauern bestanden somit hauptsächlich aus unregelmäßig gebrochenem Feldstein, verarbeitet im sogenannten "opus emplectum" – mit einer inneren und äußeren Mauerschale und einer Verfüllung aus Bruchstein und Kalkmörtel.
Die Mauern wurden lagenweise aufgezogen. Zunächst wurde ein Fundamentgraben gegraben, mit Kies und einer Lehmschicht ausgeglichen und dann mit einer ersten Lage Feldstein gefüllt. In den unteren Bereichen der Mauern wurden besonders große und stabile Steine verwendet. Die äußeren Mauerschalen wurden mit sichtbarem Verband gemauert, während der Zwischenraum mit Bruchstein und Mörtel verfüllt wurde. Die Mauerstärken betrugen bei Wohnbauten meist 0,8 bis 1,2 m, bei Wehrtürmen bis zu 2,5 m. Der verwendete Mörtel bestand aus ungelöschtem Kalk, Sand und Wasser, teilweise mit Zuschlägen wie Ziegelmehl oder Holzasche zur Erhöhung der Bindefähigkeit. Je nach Witterung betrug die Aushärtezeit mehrere Wochen, was die Etappierung des Bauprozesses bestimmte.
Die Erdgeschosse wurden zumeist mit Tonnen- oder Stichkappengewölben überdeckt, insbesondere dort, wo Lagerung, Brandschutz oder feuchteempfindliche Vorräte untergebracht waren. In den Obergeschossen kamen hölzerne Balkendecken zum Einsatz, deren Enden auf in die Mauer eingelassenen Auflagern oder steinernen Konsolen ruhten. Die Fensteröffnungen waren klein, zur besseren Verteidigung hochliegend und meist mit steinernen Gewänden eingefasst, teils in romanischer oder frühgotischer Bogenform. Als Dachdeckung diente ein hölzerner Sparrendachstuhl, der je nach Gebäudetyp mit Reet, Holzschindeln oder lokal gefertigten Lehmziegeln gedeckt war. Ziegeldächer waren in dieser Zeit bereits gebräuchlich, doch für Nebengebäude und Wirtschaftsflügel wurde Reet oder Schindel verwendet – günstiger und leichter verfügbar in der Region.
Handwerkliche Umsetzung
Die handwerkliche Umsetzung des Baus beruhte auf enger Zusammenarbeit mehrerer spezialisierter Gewerke. Die Arbeiten erfolgten abschnittsweise, meist in der frostfreien Zeit von Frühjahr bis Herbst, und unter Leitung eines durch das Erzstift eingesetzten Bauverwalters oder Vogts:
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Maurer stellten das Mauerwerk aus Feldstein her. Sie richteten das Fundament aus, mischten Kalkmörtel vor Ort in offenen Gruben und fügten die Steine per Hand ein, wobei die Lagerfugen mit Holz- oder Lederkellen geformt wurden. Gewölbe wie Tonnen- oder Stichkappengewölbe errichteten sie auf Holzbügen, die nach dem Aushärten entfernt wurden.
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Zimmerleute fertigten Dachstühle mit stehenden und liegenden Stühlen, konstruierten Wehrgänge aus Balken und Bohlen, errichteten Brücken und Gerüste. Balkenverbindungen wurden mit Holznägeln (Döbeln) gesichert, Zapfenverbindungen gehauen und gezapft. Auch Räderwerke für Aufzüge und Kräne wurden von ihnen bereitgestellt.
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Dachdecker verwendeten regional übliche Materialien wie Reet oder Holzschindeln. Diese wurden auf eine Lattung aus Nadelholz aufgenagelt oder gebunden. Der First wurde mit Lehm oder Brettern abgedeckt.
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Schmiede produzierten eiserne Türbänder, Schlösser, Gitter, Zugketten für Brücken, Beschläge und Wehrtechnik wie Lanzenspitzen und Armbrustbolzen.
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Steinmetze fertigten Gewände für Türen und Fenster, Sockelsteine und Eckverstärkungen, wenn verfügbar auch aus Sandstein. Sie schlugen Wappen, Inschriften oder Bauzeichen ein.
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Hilfskräfte und Tagelöhner gruben Fundamente, trugen Steine herbei, rührten Mörtel und halfen bei Hebearbeiten. Diese Arbeiten wurden meist aus der Umgebung rekrutiert.
Werkzeugbestand: Holz- und Eisenhämmer, Steinspaltkeile, Maurerkellen, Schnur und Lot, Kräne mit Seilwinden, Holzwinden für Lastenaufzug, Gabeln und Holzbügel für Gewölbe.
Funktion und Vergleich
Die Burg Angern war nicht nur militärischer Stützpunkt, sondern zugleich Verwaltungszentrum und Wohnsitz. Ihre bauliche Ausgestaltung folgt typischen Elementen hoch- und spätmittelalterlicher Wasserburgen der Altmark. Vergleichbare Anlagen wie Beetzendorf oder Letzlingen weisen ähnliche Merkmale auf – etwa Ringgräben, Turmbauten und Wirtschaftshöfe. Die zweifache Inselstruktur mit klar getrennter Vor- und Hauptburg jedoch ist in dieser Form außergewöhnlich und verleiht Angern eine besondere Stellung. Der massiv ausgeführte Turm und die vollständig umschließenden Wassergräben betonen den repräsentativen und defensiven Charakter der Anlage im Auftrag des Erzbistums Magdeburg.
Einordnung und Bedeutung
Die Bauweise der Burg Angern um 1340 folgt keinem repräsentativen Anspruch, sondern ist Ausdruck territorialer Sicherung und wirtschaftlicher Kontrolle. Sie ist eine typische Vertreterin der frühgotischen, märkischen Burganlagen, wie sie auch in Burg Bischofstein, Kalbe/Milde oder Brome zu finden sind. Der Verzicht auf monumentale Elemente und die Konzentration auf funktionale, gut geschützte Strukturen macht ihren historischen Reiz aus – und erlaubt eine plausible Rekonstruktion in enger Anlehnung an erhaltene Parallelbeispiele.
Fazit
Die Burg Angern verkörpert eine technisch durchdachte und symbolisch aufgeladene Bauform des 14. Jahrhunderts. Sie kombiniert regionale Baustoffe mit spezialisierter Handwerkskunst und nutzt die vorhandenen Wasserverhältnisse, insbesondere die natürliche Lehmschicht und Quellzuflüsse, zur Schaffung eines funktionalen Graben- und Inselsystems. Ihre Errichtung markiert exemplarisch den Übergang von der rein militärisch geprägten Wehranlage zur vielschichtigen Adelsburg mit Verwaltungs-, Wohn- und Repräsentationsfunktionen im spätmittelalterlichen Raum der Altmark.