Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Die Vorburg der Burg Angern: Funktionsanalyse und historische Rekonstruktion unter der Annahme mittelalterlicher Vorgängermauern (ca. 1350). Die Vorburg der Burg Angern, wie sie auf einem barockzeitlichen Plan um 1760 dargestellt ist, weist eine markante rechteckige Struktur mit drei langgestreckten Wirtschaftsgebäuden und zwei freistehenden Bauten auf. Auf Grundlage architektonischer Analyse, funktionaler Einteilung sowie typologischer Vergleiche mit anderen mitteleuropäischen Burganlagen lässt sich begründet rekonstruieren, dass die barocken Gebäude auf der Struktur und dem Grundriss einer hochmittelalterlichen Vorburg basieren. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Rekonstruktion dieser früheren Vorburg unter der Annahme eines Baubestandes aus der Zeit um 1350.

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Innenhof der Vorburg Angern mit Wirtschaftsgebäuden (KI-Rekonstruktion)

Diese Aussage erlaubt es, die Existenz einer funktional genutzten Vorburgstruktur bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zu belegen. Sowohl das Brauhaus als auch der Viehstall und das Pforthäuschen sind typische Elemente einer ökonomisch genutzten Vorburg, die außerhalb der befestigten Kernanlage lagen. Das Pforthäuschen, das statt eines klassischen Torhauses den Zugang regelte, hebt sich dabei als einfachere, aber gezielt eingesetzte Zugangskontrolle ab.

Historischer Kontext und Funktion von Vorburgen im 14. Jahrhundert

Vorburgen erfüllten im Mittelalter eine zentrale Funktion innerhalb der Gesamtstruktur von Burganlagen. Sie dienten der funktionalen Entlastung der Kernburg und nahmen vorrangig wirtschaftliche und infrastrukturelle Aufgaben wahr. Typischerweise beherbergten sie Stallungen, Werkstätten, Vorratsspeicher, Gesindeunterkünfte, gelegentlich auch Backhäuser, Brauereien und Torwachen zur Zugangskontrolle. Ihre räumliche Abgrenzung zur repräsentativen Hauptburg ermöglichte eine klare Trennung zwischen wirtschaftlichem Betrieb und herrschaftlicher Repräsentation.

Baulich waren Vorburgen zumeist weniger massiv befestigt als die Kernburgen und bestanden häufig aus Gebäuden in Fachwerkbauweise, ergänzt durch Bruchsteinmauern und einfache hölzerne Wirtschaftsgebäude. Aufgrund ihrer primären Funktion als Wirtschaftsareale waren sie in der Regel offener angelegt, mit großzügigen Innenhöfen zur Beweglichkeit von Mensch, Tier und Wagen.

In Deutschland lassen sich für das 14. Jahrhundert zahlreiche vergleichbare Anlagen nachweisen. Hervorzuheben sind etwa die Burg Dankwarderode in Braunschweig, die Burg Querfurt oder Schloss Goseck, bei denen jeweils klar gegliederte Vorburgen mit rechteckigem Grundriss und funktional differenzierter Bebauung dokumentiert sind. Diese Beispiele zeigen, dass sich die typologische Grundform der Vorburg – als rechteckig umschlossener Wirtschaftshof mit getrenntem Zugangssystem – im Hoch- und Spätmittelalter überregional etabliert hatte.

Architektonische Analyse der Vorburg von Angern (1760)

Die barockzeitliche Skizze zeigt eine rechteckige Hofanlage mit drei klar ausgeprägten Flügeln (Nord-, West- und Südflügel) sowie zwei freistehenden Gebäuden. Im Osten ist die Vorburg durch eine Schneise zum Wassergraben geöffnet, die als Tränke diente. Die Brücke zur Hauptburg liegt nordöstlich, direkt am Nordflügel. Zwischen West- und Südflügel besteht eine südwestliche Durchfahrt. Nordwestlich befindet sich ein freistehendes Gebäude, vermutlich mit Zugang zum Dorf. Im Innenhof steht ein weiteres freies Bauwerk, das noch heute erhalten ist – möglicherweise ein Backhaus oder ein Brunnenhaus.

 

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links: Gelände der Vorburg mit umfassenden Gebäuden - Karte um 1760

Rekonstruktion der Vorburg um 1350

Unter der Annahme, dass die barocken Gebäude im 17. und 18. Jahrhundert auf mittelalterlichen Vorgängermauern errichtet wurden, lässt sich eine funktionale und bauliche Kontinuität annehmen. Diese Struktur entspräche dem Typus eines funktionalen Vierseitenhofs mit offener Wirtschaftsorientierung:

Nordflügel

Der Nordflügel diente vermutlich als Speicher- und Kontrollgebäude. Aufgrund seiner Lage an der nordöstlichen Ecke der Vorburg, in unmittelbarer Nähe zur Brücke über den Wassergraben, ist davon auszugehen, dass er eine zentrale Rolle in der internen Zugangskontrolle zur Hauptburg spielte. Im Erdgeschoss könnte ein offener Durchgang zur Brücke und zugleich ein innerer Verbindungsgang in Richtung des nördlich vorgelagerten Dorfes bestanden haben. Darüber hinaus bot sich der Nordflügel durch seine Länge und Ausrichtung für die Lagerung von Getreide und anderen haltbaren Gütern an. Ein Obergeschoss mit Galerie, wie es aus typologisch verwandten Anlagen bekannt ist (vgl. Heldrungen), wäre zur Belüftung und Trocknung von Vorräten geeignet gewesen.

Nördliches Pforthäuschen: Das in der Dorfchronik erwähnte sogenannte Pforthäuschen nimmt innerhalb der Gesamtstruktur der Burg Angern eine besondere Rolle ein. Es handelt sich um einen kleinen, freistehenden Baukörper an der Nordseite der Vorburg, deutlich abgesetzt vom zentralen Wirtschaftshof (siehe rot markierte Position auf der historischen Skizze von 1760). Die Lage innerhalb der nördlichen Hofbegrenzung, nahe der vermuteten Zufahrtsachse vom Dorf, legt eine Nutzung als Kontrollpunkt oder Funktionsgebäude nahe – jedoch nicht als klassisches Torhaus zwischen Außenwelt und Vorburg, sondern als sekundäre Zugangskontrolle innerhalb des Hofareals. Die Identifikation als Pforthäuschen stützt sich auf die Dorfchronik Angern (1650), die das Gebäude als eines der letzten erhaltenen Bauteile der Vorburg erwähnt. Dennoch ist auch eine alternative Deutung möglich: Aufgrund seiner isolierten Lage und der geringen Grundfläche könnte es sich ebenso um eine Wachstube, eine Gesindeküche, eine Werkstatt oder ein einfaches Nachtquartier gehandelt haben. Alle diese Funktionen wären an dieser Stelle denkbar – in unmittelbarer Nähe zum Brückenzugang, aber funktional vom Wirtschaftshof getrennt.

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Vermutete Lage des Pforthäuschens der Vorburg

Nördlich vorgelagertes Gesindehaus: Ein auffälliges, freistehendes Gebäude befindet sich am nordwestlichen Rand der Vorburg, außerhalb des dreiseitig umbauten Hofes, jedoch innerhalb des erweiterten Vorburgareals. Aufgrund seiner isolierten Lage, kompakten Größe und funktionalen Trennung von den zentralen Wirtschaftsgebäuden ist es wahrscheinlich als Gesindehaus zu interpretieren. Es diente vermutlich der Unterbringung einfacher Dienstboten, Tagelöhner oder Wächter, die nicht dauerhaft im Wirtschaftshof tätig waren, sondern von außen kamen – etwa aus dem angrenzenden Dorf Angern. Die Position nahe dem vermuteten Hauptzugang vom Dorf zur Vorburg deutet auf eine intendierte soziale Distanzierung hin: Das Gesindehaus war Teil der wirtschaftlichen Infrastruktur, jedoch bewusst abgesetzt von Stallungen, Brauhaus und Speichern. Vergleichbare Lösungen finden sich bei anderen Altmark-Burgen, etwa in Beetzendorf oder Tangeln, wo einfache Gesindehäuser ebenfalls an den Randzonen der Vorburgen positioniert waren. Solche Gebäude erfüllten nicht nur funktionale, sondern auch soziale Aufgaben im räumlichen Gefüge spätmittelalterlicher Gutsorganisation.

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Westflügel

Der Westflügel ist als funktionaler Begrenzungsbau anzusehen, der vorwiegend der Unterbringung des niederen Gesindes sowie von Vorräten diente. Aufgrund fehlender Durchgänge diente er nicht der Durchfahrt, sondern bildete mit seinem massiven Baukörper eine schützende Abgrenzung zur westlich gelegenen Außenstruktur, also zum angrenzenden Dorf oder den zugehörigen Wirtschaftsflächen. In ihm könnten einfache Schlafplätze, Gerätschaften oder saisonale Lagerbestände untergebracht gewesen sein. Seine schlichte Bauweise und Orientierung zum Hof legen eine rein dienende Funktion nahe.

Südflügel

Im Südflügel waren nachweislich Stallungen und Schweineställe untergebracht. Moderne Fotodokumente belegen, dass dieser Gebäudeflügel noch bis ins 20. Jahrhundert tierwirtschaftlich genutzt wurde. Bereits für die Zeit um 1350 ist eine entsprechende Funktion anzunehmen. Die Ausrichtung zur Sonne sowie die gute Erreichbarkeit vom südwestlichen Zugang aus sprechen für eine bewusste Zuordnung der Stallungen in diesen Flügel. Innen befanden sich wohl Trennwände, Futterstellen, Vorratskammern für Heu und Stroh sowie ein separater Zugang zur Mistabfuhr.

Südwestliche Durchfahrt: Die einzige direkt erkennbare Zufahrt zur Vorburg befand sich an der Südwestecke – zwischen dem West- und dem Südflügel der Hofanlage. Dieser Zugang war ausreichend breit angelegt, um den täglichen Transport von Fuhrwerken, Zugtieren und Vieh zu ermöglichen. Seine Lage in Richtung der angrenzenden Felder und Wirtschaftsflächen im Südwesten deutet auf eine klare funktionale Trennung hin: Hier erfolgte der Zugang von den landwirtschaftlich genutzten Flächen zur Vorburg, insbesondere zur Anlieferung von Erntegut, Brennholz, Futter oder Dung. Architektonisch handelte es sich vermutlich um eine einfache Holztorkonstruktion, bestehend aus zwei verschließbaren Flügeln, möglicherweise ergänzt durch einen Riegelbalken oder einen hölzernen Schlagbaum. Die Positionierung an der Außenecke erlaubte es, den Bewegungsfluss zwischen Feld und Hof gut zu kontrollieren, ohne die Verteidigungsstruktur der Burg zu beeinträchtigen.

Tränke (Ostseite)

An der Ostseite der Vorburg öffnete sich der Hof zu einer leicht geneigten, in das Erdreich eingeschnittenen Schneise, die direkt in den Wassergraben führte und zu DDR-Zeiten entfernt und durch eine Mauer ersetzt wurde. Diese sogenannte Tränke war funktional für die Versorgung von Zug- und Nutztieren mit Frischwasser. Der Abgang war mit Feldsteinen befestigt, um das Abrutschen bei Nässe zu verhindern. Solche Tränkstellen sind aus zahlreichen ländlichen Wirtschaftsbereichen des Mittelalters belegt und waren essenzieller Bestandteil tierhaltender Hofstrukturen.

Innenhofgebäude

Das freistehende Gebäude im Zentrum des Innenhofs der Vorburg von Angern ist bis heute erhalten und stellt ein zentrales bauhistorisches Zeugnis der mittelalterlichen Wirtschaftsstruktur dar. Seine zweigeschossige Bauweise, der massive rechteckige Grundriss sowie die freistehende Lage innerhalb des Hofes sprechen gegen eine Nutzung als einfaches Back- oder Nebengebäude. Vielmehr deuten diese Merkmale auf die Funktion eines Brauhauses hin – eine Einrichtung, die auf größeren Gütern ab dem Hochmittelalter häufig anzutreffen war. Ein solches Brauhaus hätte im Erdgeschoss über eine gemauerte Feuerstelle, Braukessel, Gärbottiche und Arbeitsflächen verfügt, während im Obergeschoss die Lagerung und Trocknung von Malz, Hopfen und Getreide erfolgte. Die vertikale Trennung von Heiz- und Lagerbereich entsprach nicht nur dem funktionalen Ablauf des Brauprozesses, sondern trug auch zur Brandsicherheit bei – ein wesentlicher Grund dafür, dass Brauhäuser häufig separiert vom restlichen Gebäudebestand errichtet wurden.

Die Annahme wird durch eine Quelle aus der Dorfchronik Angern untermauert, die sich im Gutsarchiv befindet. Dort heißt es um 1650:

„Außer dem mangelhaften Brauhause ohne den geringsten Inhalt und einem Dach- und Fachlosen Viehstall nur noch das Pforthäuschen stand.“

Dieser Eintrag belegt nicht nur die Existenz eines Brauhauses innerhalb der Vorburg, sondern zeigt auch, dass es selbst nach dem baulichen Verfall anderer Einrichtungen als eines der letzten Gebäude erhalten geblieben war. Angesichts der baulichen Merkmale des erhaltenen Gebäudes und der schriftlichen Überlieferung spricht vieles dafür, dass es sich um das ursprüngliche Brauhaus der mittelalterlichen Vorburg handelt – ein seltenes Beispiel für die bauliche Kontinuität wirtschaftlicher Infrastruktur vom 14. bis ins 17. Jahrhundert und darüber hinaus.

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Brauhaus im Innenhof der Vorburg 

Vergleichbare Burgen

Die Vorburg der Burg Angern entspricht in ihrer Funktion dem klassischen Typus hochmittelalterlicher Wasserburgen. Als vorgelagerter, über Graben oder Brücke mit der Kernburg verbundener Wirtschaftshof diente sie der Aufnahme zentraler Versorgungs- und Arbeitsbereiche: Stallungen, Lagerräume, Gesindewohnungen, Brauhaus sowie mitunter auch Schmiede oder Backstube waren hier untergebracht. Vergleichbare Vorburgen lassen sich unter anderem bei den Burgen Beetzendorf und Letzlingen nachweisen. In all diesen Fällen stand die eher funktionale, offene Vorburg in deutlichem baulichen und symbolischen Kontrast zur stark befestigten Hauptburg. Während die ursprüngliche Vorburg von Beetzendorf heute durch spätere Überprägungen kaum noch erkennbar ist, ist sie in Angern zwar baulich nicht erhalten, jedoch eindeutig durch schriftliche Überlieferung belegt. Eine Karte des Landeshauptarchivs Magdeburg lokalisiert sie vermutlich westlich der Hauptburg, was mit der topographischen Situation übereinstimmt.

Ein typologisch gut fassbares Beispiel bietet die Burg Gleichen in Thüringen: Ihre rechteckige Vorburg war klar gegliedert und von Stallungen, Scheunen sowie einem Torhaus eingefasst. Der Zugang erfolgte über eine schmale, kontrollierbare Durchfahrt mit angrenzender Wachstube. Ähnlich konzipiert ist die Wasserburg Heldrungen, deren Vorburg aus drei bis vier linear angeordneten Funktionsbauten bestand – darunter Pferdeställe, Küche, Remise und Getreidescheune. Der Innenhof diente als zentraler Umschlagplatz wirtschaftlicher Tätigkeiten und war so angelegt, dass er mit Fuhrwerken vollständig umrundet werden konnte. Solche funktional gegliederten Hofanlagen bildeten nicht nur das wirtschaftliche Zentrum der Burg, sondern sicherten auch deren autarke Versorgung, insbesondere im Belagerungsfall, und spiegeln ein hochgradig arbeitsteiliges, hierarchisches Burgleben wider.

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Stalltrakt der Vorburg Angern im 14. Jahrhundert (KI-Rekonstruktion)

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Backhaus der Vorburg der Burg Angern

Bauweise und Materialien im 14. Jahrhundert

Die Gebäude dürften um 1350 größtenteils in Fachwerk mit steinernen Fundamenten errichtet worden sein. Stallungen und Speicher nutzten Bruchsteinmauern zur Kühlhaltung. Die Tränke wurde aus pragmatischen Gründen offengehalten. Der Zugang war durch ein Doppeltor gesichert. Holz war Hauptmaterial für Tore, Fensterläden und Dachtragwerke. Ziegeldächer waren in dieser Region ab dem 14. Jh. verbreitet.

Die Abwesenheit eines aufwendig gestalteten Torhauses in Angern verweist zudem auf eine eher pragmatische Verteidigungsstrategie, wie sie bei wirtschaftlich genutzten Niederungsburgen häufig anzutreffen ist. Auch dies spricht für eine eigenständige Vorburgzone, die nicht Teil des repräsentativen oder wehrhaften Kernbereichs war.

Bedeutung und Forschungsbedarf

Die Vorburg von Angern besitzt erhebliche baugeschichtliche Bedeutung, da sie trotz der weitgehenden Zerstörung der Gesamtanlage in Teilstrukturen überliefert und zugleich archivalisch eindeutig belegbar ist. Ihr typologischer Aufbau folgt dem überregional verbreiteten Muster funktionaler Peripherzonen hoch- und spätmittelalterlicher Wasserburgen und bezeugt eine klare Trennung zwischen wirtschaftlicher Vorzone und befestigter Kernburg. Der besondere Quellenwert dieser Anlage liegt in der außergewöhnlich deutlichen Differenzierung von Versorgungs- und Repräsentationsbereich, wie sie in dieser Klarheit nur selten dokumentiert ist.

Ein erheblicher Forschungsbedarf besteht hinsichtlich der westlich vorgelagerten Vorburgzone, in der sich laut Überlieferung das Pforthäuschen, das Brauhaus und ein Viehstall befanden. Eine gezielte archäologische Untersuchung dieser Fläche könnte wertvolle Erkenntnisse über die genaue Ausdehnung, bauliche Beschaffenheit und funktionale Zonierung der Vorburg erbringen. Dabei wäre insbesondere die Analyse von Mauerfundamenten, Brandschichten und Nutzschichten im Bereich des erhaltenen Brauhauses von hoher Aussagekraft.

Darüber hinaus erscheint eine vergleichende Untersuchung weiterer Vorburgen der Altmark – etwa in Beetzendorf, Tangeln oder Apenburg – im Rahmen einer typologischen Studie sinnvoll, um regionale Bauformen, Nutzungsmuster und Entwicklungsphasen gegenüberzustellen.

Schlussbetrachtung

Die barockzeitliche Vorburg von Angern weist klare Merkmale eines wirtschaftlich genutzten Vierseitenhofes auf, dessen Ursprünge mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine mittelalterliche Anlage um 1350 zurückgehen. Die Struktur, Raumaufteilung und Funktionaltrennung entsprechen typologischen Parallelen anderer Burgen Mitteleuropas. Die Hypothese von Vorgängermauern wird durch die Gebäudestellung, die Durchfahrtsachsen sowie die Tränke am Wassergraben gestützt.

Quellen

  • Biller, Thomas: "Burgen im Mittelalter", Darmstadt 2005.
  • Evers, Ulrich: "Vorburgen in Mitteleuropa: Struktur und Funktion", in: Burgenforschung 18 (2012), S. 85–112.
  • Niemitz, Jan: "Burganlagen in der Altmark und ihre Entwicklung", Magdeburg 1998.
  • Denecke, Dietrich: "Historische Kulturlandschaften in Mitteleuropa", Stuttgart 2004.
  • Grundriss- und Befundvergleiche: Burg Gleichen, Burg Heldrungen, Burg Dankwarderode (Braunschweig), Schloss Goseck.
  • Brigitte Kofahl: Dorfchronik Angern
  • Heinrich Bergner: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt, Halle a. d. S., 1911.
  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt I, München / Berlin 1990.
  • Vergleichsanlagen: Burgen Beetzendorf, Letzlingen, Apenburg (typologische Einordnung nach Danneil 1847).
Die Quellenlage und baulichen Befunde der Burg Angern: Rekonstruktion einer hochmittelalterlichen Wasserburg. Die Burg Angern in der Altmark stellt ein selten erforschtes Beispiel für eine hochmittelalterliche Wasserburg mit außergewöhnlich gut erhaltener Geländestruktur und greifbaren Bauspuren dar. Errichtet im 14. Jahrhundert unter dem Magdeburger Erzbistum, blieb ihre ursprüngliche Funktionsgliederung – bestehend aus Hauptburg, Vorburg und separater Turminsel – trotz späterer Zerstörungen und barocker Überformungen bis heute in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben sind. Die Umrisse der Gräben und die Insellage lassen sich im heutigen Gelände noch deutlich nachvollziehen und liefern eine seltene, anschauliche Grundlage für die topografische Rekonstruktion der spätmittelalterlichen Burgstruktur. Diese klare Dreigliederung – Wohnbereich, Wirtschaftsbereich und Wehrinsel – ist im norddeutschen Raum nur selten in solcher Klarheit überliefert. Das vorliegende Essay analysiert die archivalischen Quellen und baulichen Überreste und bewertet das Rekonstruktionspotenzial der Anlage im Vergleich mit regionalen Parallelbeispielen.
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum. Hauptburg Angern mit Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
1735 ließ Christoph Daniel von der Schulenburg, ein General im Dienst des Königs von Sardinien, ein neues dreiflügeliges Schloss auf auf der 2. Insel erbauen, auf der sich auch der Turm befand. Dieses Gebäude wurde nach den Plänen des Magdeburger Landbaumeisters Fiedler gebaut, wobei zahlreiche Baufehler auftraten, die eine Fertigstellung verzögerten. Der Bau wurde schließlich unter der Aufsicht von Maurermeister Böse abgeschlossen. Von der ursprünglichen Burg auf der ersten Insel sowie dem Turm auf der zweiten Insel blieben Kellergewölbe erhalten, die heute zum Teil begehbar sind.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1350 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik. Von der Vorburg zum Pforthäuschen
Die Burg Angern im Kontext des hochmittelalterlichen Burgenbaus in der Altmark und im mitteldeutschen Raum. Die hochmittelalterliche Burg Angern zählt zu den am besten bauarchäologisch überlieferten Niederungsburgen im norddeutschen Raum. Ihre topografische Besonderheit – die Trennung von Hauptburg und Wehrturm auf zwei künstlich angelegten Inseln – stellt ein herausragendes Beispiel für die strategische und funktionale Entwicklung von Wasserburgen im 14. Jahrhundert dar. Das vorliegende Essay untersucht die Stellung der Burg Angern im Vergleich zu regionalen Burgenbautypen und reflektiert Gemeinsamkeiten und Abweichungen im Hinblick auf Anlageform, Materialität, Verteidigungskonzept und architektonische Klarheit.
Die Burg Angern um 1350: Architektur und Aufbau einer mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark. Die Burg Angern, errichtet um 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg, stellt ein herausragendes Beispiel für den Typus der mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark dar. Inmitten eines künstlich angelegten Wassergrabens erhoben sich die Hauptburg auf einer nördlichen Insel sowie der Bergfried auf einer südlichen Nebeninsel. Die hier dargestellte Rekonstruktion basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) und Vergleichen mit zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Beetzendorf und Salzwedel. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern entstand 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg als klassische Niederungsburg auf zwei künstlich angelegten Inseln, geschützt durch ein umfassendes System von Wassergräben. Die räumliche Trennung von Hauptburg und Wehrturm auf zwei eigenständigen Inseln ist im hochmittelalterlichen Burgenbau Norddeutschlands bislang ohne bekannte Parallele dokumentiert. Der Zugang zur Hauptburg erfolgte über eine hölzerne Brücke, die zur möglicherweise westlich vorgelagerten Vorburg führte, welche ihrerseits Wirtschaftsfunktionen wie Stallungen, Lagerräume und Gesindewohnungen beherbergte sowie möglicherweise vom Wehrturm der südlichen Insel. Die Hauptinsel war quadratisch (ca. 35 × 35 m) angelegt. Ein eigenständiges Torhaus ist für Angern nicht nachweisbar; der Zugang wurde vielmehr nachweislich durch ein einfaches Pforthäuschen geregelt – eine Abweichung von der sonst verbreiteten Torhausarchitektur und ein Hinweis auf eine reduzierte, pragmatische Verteidigungsstrategie.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.