Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.
Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen.
Die Umnutzung einzelner Räume steht exemplarisch für diesen Strukturwandel. So wurde der vormals rein repräsentativ genutzte Gartensaal mit seiner barocken Tapetierung und Stuckdecke zu einem regulären Speisesaal umgewandelt. Dies verweist auf eine Verschiebung des gesellschaftlichen Schwerpunkts hin zu familialen und wirtschaftlichen Funktionen, wie sie für den Adel im 19. Jahrhundert zunehmend charakteristisch wurden. Die frühere repräsentative Selbstdarstellung wich einer stärker funktionalisierten Nutzung, die auf einen verstärkten Alltagsbezug abzielte.
Der Obere Saal wurde jedoch nicht mehr in der Weise als Gemäldesaal genutzt, wie es noch 1739 dokumentiert ist. Die Überlieferung legt nahe, dass im Zuge des Umbaus zahlreiche Bildwerke entfernt oder in das Erdgeschoss umgehängt wurden. Stattdessen traten biedermeierliche Raumkonzepte in den Vordergrund, die eine gedämpfte Farbigkeit, eine reduzierte Ornamentik und eine klare Funktionszuweisung in den Mittelpunkt stellten. Die Ausstattung dieser Zeit war geprägt von schlichterem Mobiliar, textilen Fensterbehängen und der Nutzung der Räume als Salon im familiären Rahmen.
Zugleich kam es zu einer stärkeren Differenzierung zwischen privaten und öffentlichen Bereichen des Hauses. In Anlehnung an städtische Palais wurden Empfangsräume, Speisesaal und Bibliothek als sogenannte "öffentliche" Zimmer im Erdgeschoss angeordnet, während sich die Schlaf- und Wohnräume der Familie in die oberen Etagen zurückzogen. Diese Trennung ist ein typisches Merkmal bürgerlich geprägter Wohnkultur des 19. Jahrhunderts, die sich im Adel zunehmend durchsetzte.
Die administrative Funktion des Schlosses blieb weiterhin erhalten. Die Räume der Gutsverwaltung, darunter das Archiv und die Kanzlei, befanden sich weiterhin in den Seitenflügeln und wurden durch neue Ausstattung und teilweise Umbauten an zeitgenössische Anforderungen angepasst. Die Trennung zwischen Wohn- und Verwaltungsbereich wurde architektonisch klarer gefasst.
Die klassizistische Umgestaltung betraf auch die Fassade und die innere Erschließung: Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt.
Insgesamt war die Nutzung des Schlosses Angern um 1843 durch eine funktionale Differenzierung, eine bürgerlich geprägte Wohnkultur und eine alltagsnähere Raumaufteilung gekennzeichnet. Das Haus war kein barockes Repräsentationsinstrument mehr, sondern ein landsitzartiger Herrschaftssitz, der familiäre Lebensführung, landwirtschaftliche Verwaltung und repräsentative Kontinuität in einem klassizistisch geprägten Rahmen verband.