Bauzeitliche Einordnung der beiden Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern: Die im Erdgeschoss des Palas erhaltenen Tonnengewölbe lassen sich auf Basis ihrer Bauweise, Materialität und handwerklichen Ausführung mit hoher Wahrscheinlichkeit in die erste Bauphase der mittelalterlichen Burg Angern datieren. Diese fällt in die Zeit um 1340 und ist durch archivalische Quellen belegt (vgl. Gutsarchiv Angern, Rep. H, Nr. 412). Beide Gewölbe – ein nördlicher und ein südlicher Raum – sind als gedrückte Tonnenwölbungen in regelmäßiger Ziegeltechnik ausgeführt. Die Ziegel wurden in flachen Lagen längs zur Tonnenachse verlegt, ohne Rippen- oder Gurtgliederung. Die Wölbtechnik folgt einer funktionalen Statik, wie sie im hochmittelalterlichen Burgenbau der Altmark für Lager- und Wirtschaftsräume üblich war. Charakteristisch sind die flach ansetzenden Wölbansätze und das Fehlen von Kämpferprofilen oder Gliederungselementen.
Wand zwischen nördlichem und südlichem Tonnengewölbe mit opus mixum
Die beiden Gewölberäume sind durch eine massiv gemauerte Zwischenwand aus opus mixtum (Bruchstein und Ziegel) getrennt, die durchgängig mit Kalkmörtel hoher Körnung vermauert ist. Diese Trennwand zeigt keinerlei Anzeichen späterer Einfügung: Es fehlen Baufugen, Materialwechsel, Anstoßstellen oder sekundäre Setzungen. Vielmehr ergibt sich ein homogenes Mauerbild, das auf eine simultane Errichtung der Wand mit beiden angrenzenden Gewölben hinweist. Die Wand übernimmt statisch die Funktion eines Widerlagers beider Gewölbe und trennt sie gleichzeitig funktional. Dieses Konstruktionsprinzip ist für hochmittelalterliche Profanbauten in Nord- und Mitteldeutschland gut belegt. Vergleichbare Beispiele finden sich u. a. in der Burg Beetzendorf, der Burg Lenzen sowie in der südlichen Kellerzone der Burg Ziesar (vgl. Grimm 1958; Wäscher 1962).
Der Zustand des Putzes und die Form der Gewölbeansätze zeigen, dass keine nennenswerten Umbauten nach der Errichtung vorgenommen wurden. Die homogene Mörtelstruktur, die weitgehend originale Oberfläche sowie die Abwesenheit von Spolien oder versetzten Ziegelreihen stützen die bauzeitliche Datierung zusätzlich. Spätere Eingriffe beschränken sich auf Installationen oder Oberflächenveränderungen, ohne die Primärstruktur zu verändern.
Fazit: Die beiden Gewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern sind integraler Bestandteil der hochmittelalterlichen Bausubstanz und entstanden im Zuge der Ersterrichtung um 1340. Die Trennung durch eine gleichzeitige massive Mauer belegt eine ursprüngliche funktionale Differenzierung der Räume und schließt spätere Umbauten oder sekundäre Gewölbeeinzüge aus. Der bauliche Zustand erlaubt die Einordnung als unveränderte Primärkonstruktion im Kontext regionaltypischer Wehr- und Wohnbauten des 14. Jahrhunderts.
Materialität und Bauweise
Die erhaltenen Gewölbestrukturen im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern zeigen eine für hochmittelalterliche Wasserburgen im norddeutschen Raum typische Mischbauweise. Das Mauerwerk besteht aus einer Kombination von unregelmäßig gesetzten Feldsteinen, Bruchsteinfragmenten und eingestreuten Backsteinen, die mit einem grobkörnigen, kalkbasierten Mörtel vermauert wurden. Der Mörtel enthält deutliche Beimengungen von lokalem Sand und größeren Zuschlägen, was auf eine dezentrale Herstellung direkt an der Baustelle hinweist. Solche Merkmale entsprechen der gängigen Praxis im 14. Jahrhundert, wo wirtschaftlich verfügbare Materialien in funktional differenzierter Weise verbaut wurden.
In den Gewölbeanläufen ist eine sorgfältigere Ziegelsetzung erkennbar, während die Wandflächen überwiegend aus roh bearbeitetem Mischmaterial bestehen. Diese differenzierte Materialverwendung lässt sich auch in vergleichbaren Anlagen der Region – etwa in Kalbe (Milde), Beetzendorf oder Ziesar (vgl. Grimm 1958, Nr. 904; Wäscher 1962, Bd. 1, S. 37 f.; Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege 2004) – nachweisen, wo statisch besonders beanspruchte Bauteile gezielt mit Backstein ausgeführt wurden. Die eher grobe und heterogene Mörtelstruktur mit unregelmäßigem Gefüge ist ebenfalls typisch für die handwerkliche Bauweise des 14. Jahrhunderts.
Das nördliche Tonnengewölbe misst etwa 7,20 Meter in der Länge, 4,50 Meter in der Breite und besitzt eine lichte Höhe von derzeit 2,27 Metern. Da der Fußboden im Lauf der Jahrhunderte verschüttet wurde, ist von einer ursprünglich höheren Innenhöhe auszugehen. Die gedrückte Form des Gewölbes, das Fehlen von Gurten, Profilierungen oder plastischer Gliederung sowie die schlichte Verbindung zur aufgehenden Wandstruktur unterstreichen den funktionalen Charakter des Raumes. Die statisch sinnvolle Ausbildung der Gewölbe ohne gestalterischen Anspruch verweist auf einen pragmatisch-technischen Bauansatz.
Die Gesamtanlage des Palas belegt, dass der Bau nicht auf Repräsentation, sondern auf dauerhafte, nutzungsorientierte Funktionsfähigkeit ausgerichtet war. Derartige Ausstattungsmerkmale sind charakteristisch für den wirtschaftlichen Kellerbau hochmittelalterlicher Burgen in der Altmark und bekräftigen die bauzeitliche Entstehung der Gewölbe um 1340. Eine bauarchäologische Detailuntersuchung, insbesondere eine Mörtelanalytik, könnte diese Einordnung weiter untermauern.
Gewölbe des nördlichen Palas Erdgeschosses mit Eingang zum Umkehrgang
Ziegelverwendung im Palas der Burg Angern – bauzeitliche Einordnung
Die Ausführung des erhaltenen Tonnengewölbes im Palas der Burg Angern aus flach vermauerten, kleinformatigen Ziegeln entspricht der etablierten Baupraxis im nordostdeutschen Raum des 14. Jahrhunderts. Entgegen älteren Deutungen, die Ziegelmauerwerk häufig mit barocken Umbauphasen in Verbindung bringen, ist für die Altmark und angrenzende Regionen bereits seit dem späten 13. Jahrhundert ein systematischer Einsatz von Ziegelmaterial im Burgenbau nachgewiesen – insbesondere im Bereich von Gewölben, Kellern und funktional genutzten Palaszonen.
Typologisch vergleichbare Gewölbe aus homogenem Ziegelmauerwerk in gedrückter Tonnenform sind unter anderem in der Burg Kalbe (Milde) erhalten, wo die Ziegelausführung bauzeitlich auf etwa 1320–1350 datiert wird (vgl. Grimm 1958, S. 360). Auch in der Burg Ziesar (Brandenburg) sind Ziegelgewölbe in den Kellerräumen des Küchen- und Palasflügels archäologisch dokumentiert und werden durch das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege in die Zeit um 1300 eingeordnet. Die dortigen Läuferverbände und der Übergang zur Wand ohne Kämpferprofil entsprechen formal dem Befund in Angern.
Ziegelmauerwerk in Gewölbezonen ist in der Altmark zudem für die Burg Beetzendorf (um 1340) und die Burg Lenzen (ca. 1350) belegt. In allen genannten Fällen handelt es sich um primäre Bausubstanz, nicht um nachträgliche Überformungen. Die Ziegel wurden in der Regel unter dem Klosterformat verarbeitet und zeichnen sich durch gleichmäßige Brennfarbe, geringe Maßtoleranzen und eine dichte Fugung mit feinkörnigem Kalkmörtel aus – Eigenschaften, wie sie auch am Gewölbe in Angern beobachtet werden können.
Die bauhistorische Evidenz spricht daher in Material, Mauertechnik und strukturellem Zusammenhang eindeutig für eine Entstehung des Gewölbes im Zuge der hochmittelalterlichen Erstbauphase des Palas um 1340. Die Verwendung von Ziegeln stellt in diesem Fall kein Indiz für eine spätere Umbauphase dar, sondern entspricht dem regionaltypischen Konstruktionsprinzip hochmittelalterlicher Burgen im östlichen Mitteleuropa.
Nordost-Ecke des nördlichen Gewölberaums im Palas der Burg Angern
Der abgebildete Gewölbeabschnitt dokumentiert die nordöstliche Ecke des nördlichen Kellerraums im Erdgeschoss des Palas. Die Konstruktion zeigt eine flach angesetzte, gedrückte Tonne mit einem Übergang zur aufgehenden Wand aus heterogenem Mischmauerwerk. Das Gewölbe ist aus kleinformatigen Ziegeln in längsgerichtetem Läuferverband errichtet; die Wölbung schließt unmittelbar an die Wandfläche an, ohne Zwischengliederung oder Kämpferausbildung – ein Befund, der der typischen Gewölbetechnik des 14. Jahrhunderts entspricht.
Nördliches Tonnengewölbe des Palas mit Anschluss an die westliche Außenwand
Gewölbeansatz: Das Tonnengewölbe im nördlichen Palasraum setzt vergleichsweise flach an, was der gedrückten Formgebung hochmittelalterlicher Gewölbestrukturen entspricht. Die Ziegel sind überwiegend längs zur Tonnenachse vermauert, ein Merkmal funktional orientierter Bauweise ohne repräsentative Überformung. Ein radialer Verband oder dekorative Gliederung fehlen vollständig. Die Lagerung erfolgt direkt auf einer Übergangszone aus Mischmauerwerk ohne Kämpferausbildung – typisch für Kellergewölbe des 14. Jahrhunderts in der Altmark. Die Nordwand besteht aus einem Verbund aus Bruch- und Backstein mit wechselnder Steingröße und unregelmäßigen Fugenverläufen. Trotz partieller Unsauberkeiten ist keine Zäsur erkennbar, die auf eine nachträgliche Aufmauerung oder eine spätere bauliche Schale schließen ließe. Die homogene Mörtelstruktur sowie das Fehlen von Spolien, Versatzfugen oder abweichenden Steinformaten sprechen für eine gleichzeitige Errichtung von Wand und Gewölbe.
In der untersten Zone sind mehrere größere Feldsteine sichtbar, die vermutlich als Fundament- oder Sockelsteine fungieren. Diese zeigen keinen Hinweis auf sekundäre Einfügung oder spätere Fundamentergänzung, sondern wirken als integraler Bestandteil der aufgehenden Mauer. Auch die Putzreste an der Ostwand sind flächig erhalten und zeigen typische Alterungsphänomene (Salzausblühungen, Abrieb), wie sie für langjährig genutzte unterirdische Wirtschaftsräume charakteristisch sind.
Der Gesamtbefund spricht für eine bauzeitliche Ausführung des Gewölbes und der umgebenden Mauerzüge im Rahmen der Erstbauphase der Burg Angern um 1340. Weder strukturelle Hinweise auf eine nachträgliche Einwölbung noch Anzeichen barocker Überformung sind feststellbar. Die sichtbaren Bautechniken, Materialverwendung und formalen Merkmale korrespondieren mit vergleichbaren hochmittelalterlichen Gewölbeanlagen in der Altmark (vgl. Grimm 1958, S. 360; Wäscher 1962, Bd. 1, S. 37 f.).
Südliches Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas – Materialität und bautechnischer Befund
Das südliche Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern ist ein charakteristisches Beispiel für hochmittelalterliche Gewölbetechnik im Profanbau der Altmark. Es zeigt einen regelmäßig ausgeführten Ziegelverband mit parallel zur Lagerachse verlaufenden Fugen und horizontaler Schichtung der Ziegel – ein typisches Merkmal funktionaler Tonnengewölbe des 14. Jahrhunderts. Die Ausführung verzichtet vollständig auf radiale Anordnung oder dekorative Gliederungselemente, was auf eine pragmatische, rein statisch orientierte Konstruktion hinweist. Vergleichbare Ausführungen sind belegt in den Kellern der Burgen Beetzendorf, Kalbe (Milde) und im südlichen Flügel der Burg Ziesar.
südliches Tonnengewölbe des Palas
Der auffällige Materialwechsel zwischen dem unteren Bruchsteinmauerwerk der Wände und dem darüberliegenden Ziegelgewölbe stellt keinen Hinweis auf eine nachträgliche Überformung dar, sondern entspricht einem im hochmittelalterlichen Burgenbau gängigen Bauprinzip: Während tragende Sockelzonen und Außenmauern ökonomisch mit lokal verfügbarem Feld- und Bruchstein errichtet wurden, kamen für die technisch anspruchsvolleren Gewölbezonen gebrannte Ziegel zum Einsatz. Die Maßhaltigkeit und Wölbbarkeit des Ziegelmaterials erleichterte die Herstellung gleichmäßiger Gewölbeformen und erhöhte die statische Sicherheit.
In Angern zeigt sich diese Bauweise durch einen scharf abgesetzten Übergang, der jedoch keine bautechnische Trennfuge aufweist. Der Fugenverlauf, die Zusammensetzung des Mörtels und die formale Kontinuität des Mauerwerks sprechen eindeutig für eine gleichzeitige Errichtung von Wand und Gewölbe. Solche Konstruktionen sind u. a. auch in den Burgen Lenzen und Ziesar belegt, jeweils datiert auf das späte 13. bis frühe 14. Jahrhundert. Die Befundlage in Angern unterstützt somit die Einordnung des südlichen Tonnengewölbes als bauzeitlich, errichtet im Zuge der ersten Palasphase um 1340.
Fensteröffnung in der Ostwand des Palas
Die in der Ostwand des Palas der Burg Angern befindliche Fensteröffnung im südlichen Gewölbe weist sowohl in ihrer inneren wie äußeren Ausführung deutliche Hinweise auf eine bauzeitliche Entstehung um 1340 auf. Das Fenster durchstößt eine etwa 90 cm starke Außenwand, die sich konstruktiv aus einem innenliegenden Ziegelmauerwerk mit eingewölbtem Raumabschluss und einer äußeren Bruchsteinschale zusammensetzt.
Von innen ist die Laibung vollständig in das Ziegelmauerwerk integriert. Die Ziegel der Laibung zeigen keine abweichenden Formate, keine Ausbrüche und keine Hinweise auf nachträgliches Ausschneiden, wie sie bei sekundär eingebrachten Öffnungen zu erwarten wären. Auch der Fugenverlauf und die homogene Mörtelstruktur sprechen für eine gleichzeitige Ausführung mit dem übrigen Gewölbe. Die vermauerten Dachziegel in der Fensterbank der Ostwand sind kein Hinweis auf die Entstehungszeit der ursprünglichen Fensteröffnung, sondern zeugen von einer späteren baulichen Überformung im Detailbereich, vermutlich im Zuge einer Reparatur- oder Nutzungsanpassung im 17.–19. Jahrhundert. Sie unterstreichen damit die langfristige Nutzungsgeschichte des Raumes, ohne die bauzeitliche Entstehung der Öffnung an sich zu widerlegen.
Die untersuchte Fensteröffnung befindet sich im unteren Bereich der Ostwand des Palas der Burg Angern und ist durch einen flachen Segmentbogen aus hochkant gesetzten Handstrichziegeln eingefasst. Eine Herstellung des Fensters nach dem Brand von 1631 kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, da weder Spuren nachträglicher Einfügung noch Merkmale barocker Bauweise vorliegen. Die Fensterlaibung ist vollständig in das ursprüngliche Mischmauerwerk eingebunden, ohne Setzungen, Schnittspuren oder abweichende Mörtelchargen. Die verwendeten Ziegel sind unregelmäßig geformt und weich gebrannt – typisch für das 14. Jahrhundert, nicht jedoch für die normierten Ziegelformate barocker Zeit. Zudem fehlen jede profilierte Gliederung oder Putzfaschen, wie sie für Fensteröffnungen des 17. Jahrhunderts charakteristisch wären. Zusammengenommen sprechen Material, Technik und Wandverbund klar gegen eine Entstehung in der Zeit nach 1631. Die Position der Öffnung nahe der Erdgleiche sowie ihr annähernd quadratisches Maß (ca. 40 × 40 cm) sprechen für eine bauzeitliche Funktion als Licht- und Belüftungsöffnung eines Vorratsraums. Bauform, Materialität und Ausführung entsprechen typischen Kellerfenstern hochmittelalterlicher Burgen der Altmark (vgl. Ziesar, Beetzendorf, Kalbe/Milde) und sprechen klar für eine Entstehung im 14. Jahrhundert.
Bauzeitliche Einordnung: Sowohl die Materialität der Ziegelfassung als auch die Verknüpfung mit dem umliegenden Bruchsteinmauerwerk sprechen mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine originale Ausführung im Rahmen der Palaserrichtung um 1340. Es handelt sich demnach nicht um eine spätere Öffnung oder einen barocken Einbau, sondern um einen integralen Bestandteil der mittelalterlichen Raumkonzeption.
Befund zur Sicherungseinrichtung der Fensteröffnung
Im oberen Bereich der untersuchten Fensterlaibung an der Ostseite des Palas der Burg Angern sind auf beiden Seiten je ein dunkler, korrosionsartiger Befund bzw. Materialrest erkennbar. Die symmetrische Anordnung dieser Spuren im Übergang zwischen Ziegelsturz und Bruchsteinmauerwerk sowie ihre Position im oberen Drittel der Laibung lassen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine historische Verankerung eines Sicherungselements schließen. Es handelt sich dabei vermutlich um Reste eines geschmiedeten Eisenankers oder eines durch die Laibung geführten Gitterstabes, wie sie für den hoch- und spätmittelalterlichen Burgenbau belegt sind.
Die Erhaltung dieser Spuren deutet auf eine ursprüngliche Sicherungsvorrichtung hin, die sowohl funktionale als auch sicherheitsrelevante Zwecke erfüllt haben dürfte. Vergleichbare bauliche Lösungen – insbesondere fest verankerte Fenstergitter in beidseitiger Laibungsverankerung – sind für mittelalterliche Kellerfenster zahlreich dokumentiert, etwa in der Burg Ziesar, Burg Kalbe (Milde) und der Benediktinerpropstei Jerichow. In funktionaler Hinsicht ist die Sicherung des Fensters plausibel: Die Öffnung liegt auf Geländeniveau in direkter Nähe zum Wassergraben und stellt eine potenzielle Schwachstelle im Burgsystem dar, die durch ein fest verankertes Gitter gegen Eindringen geschützt wurde.
Der technische Befund spricht gegen eine nachträgliche Einfügung: Es sind keine Spuren sekundärer Ausbesserung oder Anpassung sichtbar, die auf spätere Installationen oder Umbauten hindeuten würden. Auch der Mörtelverbund und die Fugenführung bleiben in diesem Bereich konsistent. Die Existenz solcher Sicherungselemente fügt sich nahtlos in die bauzeitliche Logik der hochmittelalterlichen Burg Angern ein und unterstreicht die funktionale Planung des Palas im Kontext verteidigungsrelevanter Architektur des 14. Jahrhunderts.
Asymmetrische Fensteranordnung in den Tonnengewölben des Palas
Ein auffälliges, jedoch konstruktiv sinnvolles Merkmal der beiden erhaltenen Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern ist die seitlich versetzte Anordnung der Fensteröffnungen. Während das Fenster im südlichen Gewölberaum zur linken, das im nördlichen Raum zur rechten Gewölbezone positioniert ist, weichen beide deutlich von der Längsachse des jeweiligen Tonnengewölbes ab. Diese Asymmetrie ist kein Indiz für spätere Veränderungen, sondern entspricht einem bauzeitlich intendierten Funktionsprinzip, wie es in vergleichbaren hochmittelalterlichen Burgen der Altmark und angrenzender Regionen vielfach belegt ist. Die gewählte Position der Fenster außerhalb des Scheitelbereichs folgt statischen Erwägungen: Der Gewölbescheitel ist als Zone maximaler Schub- und Druckbeanspruchung ungeeignet für Öffnungen. Fenster in diesen Bereichen hätten die Stabilität der Wölbung beeinträchtigt und wären nur mit zusätzlichen Verstärkungen oder Entlastungsbögen realisierbar gewesen. Die seitliche Platzierung erlaubt es dagegen, Licht in den Raum einzuleiten, ohne die Tragfähigkeit der Konstruktion zu gefährden.
Zugleich lässt die Fensterstellung praktische Rückschlüsse auf die Nutzung zu: In Vorrats- oder Wirtschaftsräumen diente ein Fenster primär der Beleuchtung und Belüftung, nicht der Aussicht. Eine seitliche Lage verbessert den Zugang zur Öffnung, erlaubt gezielte Lichtführung und war aus verteidigungstechnischer Sicht leichter zu sichern.
Vergleichbare Fensteranordnungen sind belegt in den Kellerzonen der Burgen Ziesar, Beetzendorf und Kalbe (Milde), wo kleinformatige, segmentbogige Fenster regelmäßig asymmetrisch an der Gewölbebasis angeordnet wurden. Auch in klösterlichen Wirtschaftsbauten wie Jerichow und Leitzkau ist dieses Prinzip verbreitet. Der Befund in Angern entspricht somit der regionalen Bautradition des 14. Jahrhunderts (vgl. Grimm 1958, S. 360; Dehio 2002, S. 91; Brandenburgisches Landesamt 2004).
Die Fensteröffnungen in Angern sind demnach bauzeitlich, funktional sinnvoll positioniert und integraler Bestandteil der ursprünglichen Raumstruktur. Ihre Ausführung unterstreicht die pragmatische Ausrichtung der Gesamtanlage, die in Bauweise und Nutzung auf Effizienz, Schutz und Dauerhaftigkeit hin optimiert war.
Bauliche Einordnung der östlichen Palaswand
Der untere Wandbereich der Ostwand des Palas besteht aus ungemörteltem bis schwach gebundenem Bruchsteinmauerwerk mit gelegentlichen Backsteineinschlüssen. Diese Schalenmauertechnik mit außenliegendem Naturstein wurde offenbar über einem tragenden Ziegelkern ausgeführt – ein Vorgehen, das auch in anderen Burgen des 14. Jahrhunderts (etwa Ziesar oder Beetzendorf) belegt ist. Der Mauerverbund zeigt keine Hinweise auf sekundäre Einfügungen oder abrupte Materialwechsel im Bereich der unteren Wandpartie. Die gleichmäßige Struktur und der kontinuierliche Fugenverlauf sprechen für eine originale, hochmittelalterliche Außenschale. Die beobachtbare Wandstärke von rund 90 cm ist dabei zwar geringer als bei Wehranlagen, aber für Lager- oder Wirtschaftsbauten in Randbereichen einer Hauptburg durchaus üblich. Die Lage der Ostwand zum Wassergraben hin und ihre Integration in das Gesamtverteidigungskonzept der Burg machen sie daher nicht zu einer sicherheitstechnischen Schwachstelle im engeren Sinne, sondern verweisen auf eine funktionsdifferenzierte Bauweise, wie sie für wirtschaftlich konzipierte Burgen dieser Zeit typisch ist.
Wandpodest im nördlichen Palasgewölbe
Der erhaltene steinerne Sockel im nördlichen Tonnengewölbe des Palas der Burg Angern lässt sich funktional als wandständiges Podest zur Lagerung von empfindlichem oder wertvollem Wirtschaftsgut deuten. Die unmittelbare Anbindung an die aufgehende Wand, das niedrige Höhenmaß sowie das Fehlen baulicher Anschlussmerkmale für eine thermische Nutzung sprechen gegen eine Funktion als Heiz- oder Kochstelle. Stattdessen dürfte das Podest der stabilen, leicht erhöhten Aufstellung eines einzelnen größeren Vorratsgefäßes gedient haben – etwa für Talg, Salzlauge, Öl oder Gärgut.
Diese Interpretation findet ihre Entsprechung in mehreren hoch- und spätmittelalterlichen Anlagen Nord- und Mitteldeutschlands. In der Burg Ziesar (Brandenburg) wurde ein vergleichbares Einzelpodest in einem Nebenraum des Küchenkellers dokumentiert, das mutmaßlich zur Lagerung stark riechender oder auslaufsicherer Flüssigkeiten diente. Auch in der Burg Lenzen ist ein isoliertes Podest belegt, das zur Unterbringung eines Halbfasses mit technischen oder tierischen Fetten interpretiert wurde. Das Kloster Jerichow wiederum zeigt in seinem Wirtschaftskeller einen steinernen Sockel, der der Lagerung von Salzlösung diente und aufgrund seiner isolierten Lage bewusst separiert worden war.
Diese vergleichbaren Einbauten verdeutlichen, dass einzelne fest eingemauerte Podeste durchaus Teil eines differenzierten Nutzungskonzepts sein konnten – insbesondere in Räumen, die nicht als reine Lagerflächen, sondern als Teil eines arbeitsteiligen Versorgungssystems innerhalb der Burgstruktur dienten. In diesem Licht ist auch das Angerner Podest weniger als Anomalie, sondern vielmehr als Relikt eines funktionalen Spezialbereichs zu verstehen, dessen übrige Einrichtung heute verloren ist. Die bauliche Qualität und Einbindung sprechen für eine Entstehung im Rahmen der bauzeitlichen Palasanlage um 1340 und bekräftigen die Eigenständigkeit der Gewölberäume als Wirtschaftstrakt innerhalb der Burgarchitektur.
Erhaltungszustand und bauliche Kontinuität nach 1631
Der Fortbestand der Gewölbestrukturen im Palas der Burg Angern über die Zerstörung von 1631 hinaus ist durch mehrere unabhängige Indizien belegt: Dazu zählen die hohe Feuerresistenz der massiv ausgeführten Tonnengewölbe, ihre geschützte Lage unterhalb der Flammenzone sowie die Aussagen der Dorfchronik von 1650, in der die Keller ausdrücklich als erhalten genannt werden. Eine nachträgliche Ersetzung oder Wiederverwendung älterer Bauteile (Spolien) kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Dafür sprechen folgende Einzelbeobachtungen:
- Homogenität des Mauerwerks: Ziegel und Bruchsteine im Bereich der Wände und Gewölbe zeigen eine einheitliche Materialität, identische Fugenverläufe und gleichmäßige Mörtelqualität. Es sind keine Unterschiede in Format, Lagerung oder Mörtelzusammensetzung erkennbar, die auf spätere Ergänzungen oder Umbauten schließen ließen.
- Fehlende Bearbeitungsspuren: Es fehlen Merkmale sekundärer Bearbeitung, wie sie bei der Wiederverwendung älterer Steine typisch wären (z. B. geschnittene Ränder, nachträgliche Putzüberarbeitungen, Abweichungen in der Oberflächenstruktur).
- Keine Versatz- oder Verdrehungsmerkmale: Alle Ziegel und Natursteine wurden in regulärer Lagerung und Schichtung eingebaut. Unregelmäßige Einbaurichtungen, spiegelbildliche Versätze oder mischtechnische Fremdelemente, wie sie bei Spolien üblich sind, wurden nicht festgestellt.
- Durchgängige Fugensysteme: Die Lager- und Stoßfugen im Mauerwerk verlaufen ohne Brüche oder Unterbrechungen. Es gibt keine Indikatoren für versetzte Bauteile oder Mauerabschnitte, die auf eine spätere Neuordnung schließen lassen würden.
- Fehlen epochenfremder Materialien: Es sind keine jüngeren Ziegelformate, keine industriellen Mörtelarten und keine nachmittelalterlichen Steinqualitäten in den relevanten Bauabschnitten erkennbar. Auch das Fehlen barocker Gliederungselemente oder geputzter Gewölbeabschnitte spricht gegen eine Überformung nach dem 14. Jahrhundert.
Diese Befunde belegen, dass die erhaltenen Mauerwerks- und Gewölbestrukturen des Palas im Bereich des Erdgeschosses nicht das Ergebnis einer späteren Rekonstruktion sind, sondern auf die Erstbauphase um 1340 zurückgehen. Für den Zeitraum nach 1631 sind im Gutsarchiv Angern (Rep. H) keine Eingriffe in die Palasstruktur dokumentiert; vielmehr betreffen die ab 1738 bezeugten Bauarbeiten ausschließlich die Turminsel. Für die Hauptinsel fehlen sowohl archivalische Hinweise als auch bauliche Spuren von Umbauten.
Die durchgehende Einheitlichkeit der Materialien, die originale Fugengeometrie und das Fehlen baulicher Trennfugen oder Spolien stellen ein starkes Indiz für die Authentizität der erhaltenen Substanz dar. Die Gewölbe des Palas sind damit ein besonders gut überlieferter Baubestand des 14. Jahrhunderts – von hohem Wert für die Baugeschichtsforschung hochmittelalterlicher Profanarchitektur in der Altmark.
Vergleich und Stellung der Anlage im Burgenbau der Altmark
Die erhaltenen Gewölbestrukturen im Palas der Burg Angern sind als qualitätsvolles Beispiel hochmittelalterlicher Kellerarchitektur im mitteldeutschen Raum zu bewerten. Sie dokumentieren eine Bauform, die sich durch gedrückte Tonnengewölbe, Mischmauerwerk aus Bruchstein und Ziegel sowie einen funktional orientierten Entwurf auszeichnet. Vergleichbare Gewölbetypen finden sich in der Altmark vor allem in den Anlagen von Beetzendorf und Apenburg, wo ebenfalls wirtschaftlich genutzte Kellerräume mit massivem Mauerwerk und schlichter, statisch optimierter Ausführung überliefert sind.
Im Fall von Angern ist der Erhaltungszustand der Gewölbe außergewöhnlich. Insbesondere die klare Trennung der baulichen Funktionsbereiche – Hauptburg, Vorburg und Turminsel – sowie das vollständige Überdauern der Gewölbe trotz des Brands im Jahr 1631 ermöglichen eine differenzierte bauhistorische Analyse. Die weitgehende Unversehrtheit der Substanz erlaubt Rückschlüsse auf die ursprüngliche Nutzungskonzeption und die technische Ausführung der hochmittelalterlichen Bauphase. Sekundäre Veränderungen, etwa in Form späterer Putzüberarbeitungen oder partieller Ausbesserungen, lassen sich zwar nachweisen, beeinträchtigen jedoch nicht die grundlegende historische Authentizität der Gewölbeanlage.
Literatur
- Kießling, Rolf: Burgen in Mitteleuropa. Darmstadt: WBG, 2011.
- Seiler, Alexander: Gewölbebau des Mittelalters – Konstruktion und Typologie. Berlin: Ernst Wasmuth, 2008.
- Grimm, Paul: Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg, Berlin 1958, S. 360, Nr. 904.
- Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege: Burg Ziesar – Baugeschichte und Museumskonzeption, 2004.
- Krahe, Friedrich-Wilhelm: Burgen des deutschen Mittelalters, Würzburg 2000, S. 95.
- Wäscher, Hermann: Feudalburgen in den Bezirken Halle und Magdeburg, Berlin 1962, Bd. I, S. 37 ff.
- Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I, München/Berlin 2002, S. 91 (Angern).