Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Die Südinsel der Burg Angern bildet einen eigenständigen, verteidigungsorientierten Baubereich innerhalb der mittelalterlichen Wasserburganlage. Zentraler Bestandteil ist das vollständig erhaltene Erdgeschoss des Wehrturms (Bergfried) mit zugehörigen Wirtschafts- und Lagerräumen in Form zweier Tonnengewölbe sowie einem separaten Brunnen. Die erhaltenen Befunde zeigen, dass die Südinsel im Hochmittelalter nicht lediglich einen Einzelbau trug, sondern als autarke Verteidigungs- und Versorgungseinheit konzipiert war.

Zusätzlich deuten weitere Beobachtungen auf zusätzliche, bislang nicht vollständig erfasste mittelalterliche Baustrukturen auf der Südinsel hin: Im Keller des heutigen Hauptgebäudes des Wasserschlosses Angern, das um 1745 auf älteren Fundamenten errichtet wurde bzw. einen Vorgängerbau aus dem 17. Jahrhundert umformt hat, ist m Keller Bruchsteinmauerwerk sichtbar. Dieses Bruchsteinmauerwerk unterscheidet sich klar von den barocken und klassizistischen Aufmauerungen und könnte zu weiteren mittelalterlichen Wirtschafts- oder Verteidigungsbauten gehört haben.

Zugang zum Wehrturm (Bergfried)

Ein möglicher Zugang zum Wehrturm vom Palas aus erfolgte nicht ebenerdig: Auf der Nordseite des Bergfrieds befindet sich im Erdgeschoss lediglich eine Schießscharte, jedoch keine Tür. Möglicherweise bestand eine hochgelegene Brücke, die aus dem ersten Obergeschoss des Palas zur Südinsel führte, auch wenn dafür keine baulichen Reste erhalten sind. Dies könnte möglicherweise durch eine Untersuchung der noch verschütteten Gewölbe des südlichen Palas geklärt werden.

Zusätzlich erfolgte die Erschließung des Bergfrieds über das angrenzende Tonnengewölbe, von dem aus ein Zugang zum Turminneren bestand. Diese doppelte Erschließung sicherte sowohl die Verteidigungsfähigkeit als auch die interne Beweglichkeit der Besatzung.

Die doppelte Erschließung des Wehrturms von der Südinsel aus – über das Tonnengewölbe und möglicherweise über eine hochgelegene Brücke – sicherte die vollständige Autarkie der Südinsel im Verteidigungsfall. Dies deutet klar auf eine weitergehende Bebauung hin, die über Bergfried und Wirtschaftsgewölbe hinausging und eine eigenständige, dauerhaft verteidigungsfähige Besatzung ermöglichte.

Eine archäologische und bauhistorische Untersuchung der unteren Mauerschichten könnte wertvolle Aufschlüsse über die ursprüngliche Bebauung und die vollständige Funktionsgliederung der Südinsel liefern. Die erhaltene Substanz – Bergfried, Tonnengewölbe, Brunnen sowie mögliche weitere Baureste – macht die Südinsel der Burg Angern zu einem herausragenden und ungewöhnlich gut erhaltenen Beispiel strategischer Wasserburgenarchitektur im norddeutschen Raum.

Brückenverbindung zwischen Palas und Bergfried (hypothetische Ableitung)

Lage und Kontext: Zwischen dem Bergfried auf der Nordostecke der Südinsel und dem ca. 5 Meter entfernten Palas auf der Nordinsel, über den Wassergraben hinweg.

Bauweise und Rekonstruktion: Bauliche Reste einer Brücke oder Brückenanbindung sind nicht erhalten. Die Annahme einer erhöhten Verbindung basiert ausschließlich auf folgender Befundlage:

  • Im Erdgeschoss des Bergfrieds auf der Palasseite befindet sich nur eine Schießscharte, keine Tür.
  • Der Zugang zwischen Palas und Bergfried muss daher im ersten Obergeschoss gelegen haben.
  • Typologisch sind solche hochgelegenen Verbindungen bei vergleichbaren Wasserburgen üblich (vgl. Ziesar, Lenzen).

Funktion (rekonstruiert): Eine Brücke hätte eine gesicherte Verbindung zwischen dem Palas (Wohn- und Repräsentationsbereich) und dem Wehrturm ermöglicht, ohne eine direkte Bodenverbindung zu schaffen. Im Verteidigungsfall hätte die Brücke schnell entfernt oder zerstört werden können.

Bedeutung: Auch wenn die Brücke selbst hypothetisch bleibt, ergänzt die angenommene Struktur sinnvoll das Verteidigungskonzept der Gesamtanlage und belegt die hochmittelalterliche Planung einer mehrstufigen Sicherung und könnte anhand der erhaltenen Gewölbestruktur des südlichen Palas näher untersucht werden. 

Gesamtbedeutung

Die Südinsel der Burg Angern bewahrt mit dem erhaltenen Bergfried, den vollständig intakten Tonnengewölben und der funktional logisch rekonstruierten Verbindung zur Hauptburg ein äußerst seltenes vollständiges Verteidigungs- und Versorgungssystem einer hochmittelalterlichen Wasserburg. Der Bauzustand erlaubt wertvolle Erkenntnisse zur Organisation und Verteidigung mittelalterlicher Burganlagen im norddeutschen Raum.

Lesen Sie hier die Beschreibung der Burginsel um 1350

Quellen

  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Brandenburg, München 2000.
  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I, München 1996.
  • Lütkens, Udo: Burgen und Herrensitze in der Prignitz, Berlin 2011.
  • Bergner, Heinrich: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt, Magdeburg 1911.
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg sowie einflussreiche Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitzrechte, Lehnsbindungen und lokale Machtstellungen. In diesem territorial instabilen Raum stellte die Gründung der Burg Angern eine gezielte Maßnahme der Erzdiözese Magdeburg dar, um ihren Einfluss militärisch abzusichern und administrativ zu konsolidieren. Die Errichtung einer Wasserburg mit deutlich ausgeprägter Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz vor Ort und fungierte zugleich als sichtbares Machtsymbol gegenüber konkurrierenden Adelsinteressen. Hauptburg Angern Palas, Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1350 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik.
Die Burg Angern im Kontext des hochmittelalterlichen Burgenbaus der Altmark. Die Burg Angern zählt zu den wenigen noch heute klar strukturell erfassbaren Beispielen hochmittelalterlicher Wasserburgen im nördlichen Sachsen-Anhalt. Errichtet vermutlich um 1340 unter dem Einfluss des Magdeburger Erzstifts, zeigt die Anlage eine außergewöhnlich gut erhaltene Grundstruktur, die sich aus drei funktional getrennten Inselbereichen zusammensetzt: Hauptburg mit Palas, südlich vorgelagerte Turminsel mit Wehrturm sowie die westlich angegliederte Vorburg mit wirtschaftlicher Nutzung. Die gezielte Gliederung in Verteidigung, Verwaltung und Versorgung veranschaulicht in exemplarischer Weise die Prinzipien rationalisierten Burgenbaus im Spätmittelalter. Ostansicht des Palas mit dem Wehrturm (KI Rekonstruktion)
Die Burg Angern um 1350: Architektur und Aufbau einer mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark. Die Burg Angern, errichtet um 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg, stellt ein herausragendes Beispiel für den Typus der mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark dar. Inmitten eines künstlich angelegten Wassergrabens erhoben sich die Hauptburg auf einer nördlichen Insel sowie der Bergfried auf einer südlichen Nebeninsel. Die hier dargestellte Rekonstruktion basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) und Vergleichen mit zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Beetzendorf und Salzwedel. Lageplan der Burg Angern mit Hauptburg, Turminsel und Vorburg um 1350
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern zählt zu den wenigen archäologisch und archivalisch gleichermaßen gut dokumentierten Beispielen hochmittelalterlicher Wasserburgen in der norddeutschen Tiefebene. Die um 1340 entstandene Anlage vereint in exemplarischer Weise militärische, wirtschaftliche und administrative Funktionen innerhalb eines klar gegliederten Burgsystems. Ihre topografische Konzeption – bestehend aus zwei künstlichen, bis heute erhaltenen Inseln inmitten eines umlaufenden Grabensystems – dokumentiert eindrucksvoll die strategischen und technischen Planungsprinzipien des Burgenbaus im mittleren 14. Jahrhundert.
Die Vorburg der Burg Angern: Funktionsanalyse und historische Rekonstruktion unter der Annahme mittelalterlicher Vorgängermauern (ca. 1350). Die Vorburg der Burg Angern, wie sie auf einem barockzeitlichen Plan um 1760 dargestellt ist, weist eine markante rechteckige Struktur mit drei langgestreckten Wirtschaftsgebäuden und zwei freistehenden Bauten auf. Auf Grundlage architektonischer Analyse, funktionaler Einteilung sowie typologischer Vergleiche mit anderen mitteleuropäischen Burganlagen lässt sich begründet rekonstruieren, dass die barocken Gebäude auf der Struktur und dem Grundriss einer hochmittelalterlichen Vorburg basieren. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Rekonstruktion dieser früheren Vorburg unter der Annahme eines Baubestandes aus der Zeit um 1350. Innenhof der Vorburg Angern mit Wirtschaftsgebäuden (KI-Rekonstruktion)
Die strategische Lage Angerns im Dreißigjährigen Krieg. Angern war zu Beginn des 17. Jahrhunderts Sitz eines ausgedehnten Lehngutes der Familie von der Schulenburg, gelegen an der Grenze zwischen dem Kurfürstentum Brandenburg und den geistlichen Territorien Halberstadt und Magdeburg. Die Burg war Teil eines befestigten Ensembles aus Hauptburg, Vorburg und Turminsel. Ihre Lage machte sie im Kontext konfessioneller Konflikte und durchziehender Heere zu einem militärisch sensiblen Ziel.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.