Burg Angern
Die um 1340–1350 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Die Burg Angern um 1350: Architektur und Aufbau einer mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark. Die Burg Angern, errichtet um 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg, stellt ein herausragendes Beispiel für den Typus der mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark dar. Inmitten eines künstlich angelegten Wassergrabens erhoben sich die Hauptburg auf einer nördlichen Insel sowie der Bergfried auf einer südlichen Nebeninsel. Die hier dargestellte Rekonstruktion basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) und Vergleichen mit zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Beetzendorf und Salzwedel.

Architektur der Hauptburg

Die Hauptburg besaß eine nahezu quadratische Grundfläche von ca. 35 × 35 Metern. Errichtet wurde sie ausschließlich aus naturbelassenem Feldsteinmauerwerk, das in unregelmäßiger Lagerung verarbeitet war. Ziegel kamen erst nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges bei Reparaturen zum Einsatz.

Die Anlage war von einer massiven Ringmauer umschlossen, etwa 1,2 bis 1,5 Meter stark und bis zu 8-10 Meter hoch. Diese Ringmauer war in der Ostflucht durch den Baukörper des Palas verstärkt, dessen Rückwand zugleich als äußere Wehrmauer diente. Ein durchgehender hölzerner Wehrgang an der Innenseite der Mauern erlaubte den Verteidigern, die gesamte Burganlage zu sichern. Regelmäßig eingebrachte Schießscharten erweiterten die Verteidigungsfähigkeit. Vergleichbare Ringmauern sind bei Burgen wie Kalbe (Milde) belegt, wo die Feldsteinmauer etwa 1,2 bis 1,4 Meter stark war und einen hölzernen Wehrgang trug¹. Auch Beetzendorf und Seehausen zeigen entsprechende Mauerstärken und reine Feldsteinbauten ohne dekorative Elemente².

Der noch begehbare Palas an der Ostseite gelegen erstreckte sich über die gesamte Länge der Mauer (ca. 35 Meter) bei einer Breite von etwa 8 Metern. Sein Erdgeschoss bestand aus gewölbten Kellerräumen aus Feldstein. Das Obergeschoss beherbergte vermutlich die Wohn- und Repräsentationsräume.

Die West-, Nord- und Südseiten der Hauptburg waren durch die Feldstein-Ringmauer definiert, ergänzt um kleinere Fachwerk- oder Holzbauten, die vermutlich als Wirtschafts- und Lagergebäude dienten. Diese Bauweise ist für die Altmark des 14. Jahrhunderts vielfach nachgewiesen³.

Westseite:

  • Funktion: Reine Verteidigungsseite ohne größere Anbauten, Sicherung gegen Angriffe aus dem offenen Umland.
  • Bauweise: Massive Feldsteinmauer mit aufgesetztem hölzernem Wehrgang und Schießscharten.
  • Gebäude: Möglicherweise kleine hölzerne Schuppen oder offene Unterstände.
  • Besonderheit: Voll verteidigungsfähig, aber architektonisch schlicht gehalten.

Südseite:

  • Funktion: Trennung und Verbindung zur südlichen Insel mit dem Bergfried.
  • Bauweise: Feldsteinmauer mit Wehrgang; verstärkter Abschnitt an der Brückenanbindung.
  • Gebäude: Wahrscheinlich keine oder nur sehr kleine Anbauten.
  • Besonderheit: Ausgangspunkt der festen Zubrücke in das erste Obergeschoss des Bergfrieds.

Nordseite:

  • Funktion: Hauptzugang zur Burganlage.
  • Bauweise: Pforthaus aus Feldstein mit Fachwerkaufsatz, gesicherte hölzerne Zugbrücke.
  • Gebäude: Kleinere Wirtschafts- oder Wachgebäude denkbar.
  • Besonderheit: Besonders stark befestigter Torbereich mit schwerem Holztor und innerer Verriegelung.

Das Pforthaus und der Zugang

Der einzige Zugang zur Hauptburg erfolgte über ein kleines Pforthaus an der Nord-West-Seite. Auch dieser Bau bestand im unteren Bereich aus Feldstein und trug einen leichten Fachwerkaufsatz mit einem einfachen Schindeldach. Eine hölzerne Zugbrücke verband das Pforthaus mit der äußeren Brücke zur Vorburg. Das Tor selbst war wohl ein schweres hölzernes Flügeltor, gesichert durch eiserne Beschläge. Das Pforthaus war funktional ausgerichtet: eine kleinere Wachstube könnte darüber gelegen haben, jedoch ohne ausgeprägten Turmcharakter oder Repräsentationsanspruch. Vergleichbare einfache Pforthäuser existierten ebenfalls in Kalbe (Milde) und Beetzendorf.

Der Bergfried auf der Turminsel

Die südlich vorgelagerte Insel beherbergte den Bergfried, einen Wehr- und Fluchtturm mit einer Grundfläche von etwa 10 × 10 Metern. Er erhob sich über sieben Stockwerke und war damit das höchste Bauwerk der Anlage.

Die bauliche Verbindung zwischen der Hauptinsel und dem auf einer südlich gelegenen Turminsel befindlichen Bergfried erfolgte mit hoher Wahrscheinlichkeit über eine erhöhte, fest installierte Zubrücke, die direkt in das erste Obergeschoss des Turms führte. Diese Konstruktion entsprach dem gängigen Verteidigungsschema spätmittelalterlicher Wehrbauten: Während das Erdgeschoss des Turms über Schießscharten verfügte und primär defensiven Zwecken diente, war der eigentliche Zugang bewusst in das erste Geschoss verlegt – erhöht und nur über eine Brücke erreichbar.
Solche Brückenzugänge sind aus zahlreichen Vergleichsanlagen belegt⁴, etwa bei der Neuenburg in Freyburg („Dicker Wilhelm“) oder der Burg Hanstein in Thüringen. In beiden Fällen erfolgte der Zugang ursprünglich nicht ebenerdig, sondern über einen festen, nicht beweglichen Steg oder eine gemauerte Rampe.

Auch in Angern spricht die Lage der erhaltenen Schießscharte im Erdgeschoss sowie die historische Geländetopografie für diese Lösung. Eine bewegliche Zugbrücke, wie sie an Torburgen Verwendung fand, erscheint hier hingegen architektonisch unwahrscheinlich.
Ergänzend belegen die erhaltenen beiden Tonnengewölbe südlich des Bergfrieds die wirtschaftliche Funktionsgliederung der Turminsel: Sie dienten als Versorgungsräume und unterbauten die Brückenzone, indem sie Lagerflächen sowie eine interne Erschließung zwischen Wirtschaftshof und Turm bereitstellten. Der Zugang zum Turm erfolgte aus dem westlichen Tonnengewölbe heraus durch einen direkten Durchgang in das erste Geschoss, während der im westlichen Gewölbe verborgene Brunnen die autarke Versorgung der Besatzung sicherte.
Die Zubrücke verband somit nicht nur den funktionalen Wirtschaftshof der Vorburg mit dem befestigten Rückzugsraum des Turms, sondern stellte gemeinsam mit den Tonnengewölben ein zentrales Element der inneren Sicherheits- und Versorgungskonzeption der Gesamtanlage dar. Sie diente der Versorgung, Lagererschließung sowie als möglicher Rückzugsweg im Verteidigungsfall.

Gesamtbewertung

Die Burg Angern vereinte typische Elemente einer Wasserburg des 14. Jahrhunderts: einen kompakten Grundriss, reine Feldsteinarchitektur, funktionale Verteidigungsanlagen und eine klare Trennung von Wohn- und Wirtschaftsbereichen. Ihre vergleichsweise schlichte Ausführung entsprach dem regionalen Baustil der Altmark und spiegelte die praktischen Erfordernisse eines niederen Adelsgeschlechts im Grenzraum zwischen Brandenburg und dem Erzbistum Magdeburg wider. Historische Quellen wie die "Dorfchronik Angern" sowie Parallelen zu Burg Beetzendorf, Kalbe (Milde) und Seehausen stützen diese Rekonstruktion.

Quellen

¹ Bergner, Heinrich: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt. Halle a. d. S., 1911.

² Danneil, Johann Friedrich: Das Geschlecht der von der Schulenburg. Erster und Zweiter Band. Salzwedel, 1847.

³ Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt. Band 10.2 Ohrekreis (II): Altkreis Wolmirstedt. Hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt. Petersberg, 2001.

⁴ Puhle, Matthias: Burgen in Sachsen-Anhalt. 2. Auflage. Halle (Saale), 1998.

Im Nordosten der zweiten Insel erhob sich ein massiver, quadratischer Turm mit einer Grundfläche von 10 mal 10 Metern. Seine sieben Geschosse machten ihn zum dominanten Element der früheren Wehranlage. Die Höhenrekonstruktion des Bergfrieds der Burg Angern lässt sich auf Grundlage der bekannten Grundfläche von 10 × 10 Metern und der Überlieferung von sieben Stockwerken annähernd bestimmen. Typische hochmittelalterliche Bergfriede wiesen lichte Raumhöhen von etwa 3,0 bis 3,5 Metern auf, ergänzt um Decken- und Mauerstärken von circa 0,5 bis 0,7 Metern pro Geschoss. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Geschosshöhe von etwa 3,5 bis 4,0 Metern. Multipliziert mit sieben Etagen ergibt sich eine Turmhöhe von etwa 24,5 bis 28 Metern, zuzüglich der Höhenanteile für eine Wehrplatte, Brustwehr oder eventuelles Zeltdach. Somit dürfte der Bergfried von Angern eine Gesamthöhe von etwa 26 bis 30 Metern erreicht haben, vergleichbar mit anderen regionalen Anlagen wie dem Bergfried von Tangermünde oder Lenzen. Diese Rekonstruktion verdeutlicht die imposante Dominanz des Turmes innerhalb der Burganlage und seine zentrale Rolle im Verteidigungssystem. KI generierte Ansicht des Bergfrieds der Burg Angern ca. um 1600
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Die mittelalterliche Burg von Angern stellt ein bemerkenswertes Beispiel für die Kombination aus natürlicher Topographie und wehrarchitektonischer Anpassung dar. Grundlage der Analyse bilden topographische Befunde, schriftliche Überlieferungen sowie bauliche Relikte, die eine differenzierte Rekonstruktion der Gesamtanlage ermöglichen.
Die Burganlage von Angern in der heutigen Altmark (Sachsen-Anhalt) gehört zu den bedeutenden Wasserburgen der Altmark. Ihre Entwicklung lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen, als sie im Rahmen der hochmittelalterlichen Landesausbauprozesse errichtet wurde. Die Hauptburg entstand auf einer künstlich angelegten Insel innerhalb eines doppelten Wassergrabensystems. Von der ursprünglichen Anlage ist heute vor allem die Struktur des Geländes erhalten, während die bauliche Substanz größtenteils durch kriegerische Ereignisse wie die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1631) sowie durch barocke Umbauten im 18. Jahrhundert überformt wurde. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum.
Die Burg Angern befand sich in der nordöstlichen Altmark, etwa 5 Kilometer westlich der Elbe, in einer feuchten Niederungslandschaft, die durch zahlreiche Altarme, sumpfige Wiesen und temporäre Überflutungsflächen geprägt war. Die Wahl dieses Standorts war sowohl durch defensive als auch durch infrastrukturelle Überlegungen motiviert. Die Anlage nutzte die natürlichen Gegebenheiten der Landschaft, um durch Wassergräben, Inselbildung und kontrollierte Wegeführung ein hohes Maß an Wehrhaftigkeit zu erzielen. Zugleich ermöglichte die Lage zwischen Magdeburg, Tangermünde, Rogätz und Wolmirstedt die Einbindung in überregionale Verkehrs- und Kommunikationsnetze.
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Die bauliche Entwicklung der Burg Angern lässt sich in mehreren Phasen vom Hochmittelalter bis zur Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg nachzeichnen. Die Anlage vereinte typische Merkmale einer wasserumwehrten Adelsburg in der norddeutschen Tiefebene: Inselfestung, Verteidigungsstruktur, Wirtschaftseinheit und Repräsentationsort. Das zentrale Element war die vollständig von Wassergräben umgebene Hauptburginsel, ergänzt durch eine südlich vorgelagerte Turminsel und eine festlandseitige Vorburg.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.