Die Ringmauer der Hauptburg Angern um 1350: Struktur, Funktion und Vergleich im Kontext mittelalterlicher Wasserburgenarchitektur. Die Ringmauer der Hauptburg Angern stellt ein herausragendes Beispiel für den funktionalen Festungsbau mittelalterlicher Wasserburgen in der Altmark dar. Um 1350 gegrüdet, war sie wesentlicher Bestandteil des Verteidigungskonzepts der Burganlage. Die folgende Untersuchung basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) sowie auf dem Vergleich mit zeitgenössischen Anlagen in Kalbe (Milde), Beetzendorf und Seehausen (vgl. Bergner 1911; Danneil 1847; Dehio 1990).
Aufbau und Materialien
Die West-, Nord- und Südseiten der Hauptburg waren durch die Feldstein-Ringmauer definiert, ergänzt um kleinere Fachwerk- oder Holzbauten, die vermutlich als Wirtschafts- und Lagergebäude dienten. Diese Bauweise ist für die Altmark des 14. Jahrhunderts vielfach nachgewiesen (z. B. Burg Seehausen).
Die Ringmauer der Hauptburg Angern bestand aus unregelmäßig gesetztem Feldsteinmauerwerk, das typisch für den mitteldeutschen Burgenbau des 14. Jahrhunderts war. Ihre Mauerstärke betrug etwa 1,2 bis 1,5 Meter, die Höhe wird auf 8 bis 10 Meter geschätzt. Der verwendete Feldstein war naturbelassen, ungeschliffen und in Kalkmörtel gesetzt. Die Oberflächengestaltung war funktional rau und verzichtete auf jegliche dekorative Elemente.
Schematische Seitenansicht des Wehrgangs der Burg Angern
Entlang der Innenseite der Mauer verlief ein durchgehender hölzerner Wehrgang, getragen von in die Mauer eingelassenen Balkenauflagen. Dieser Wehrgang ermöglichte eine rasche Bewegung der Verteidiger entlang aller Seiten der Burg. In regelmäßigen Abständen waren schmale Schießscharten eingelassen, die es erlaubten, den Wassergraben sowie das nähere Umfeld der Burg effektiv zu verteidigen.
Der Wehrgang der Hauptburg Angern war ein integraler Bestandteil des Verteidigungssystems und entsprach der typischen Bauweise von Wasserburgen der Altmark im 14. Jahrhundert. Er bestand aus einem hölzernen Laufsteg, der entlang der Innenseite der Feldstein-Ringmauer verlief und auf in die Mauer eingelassenen Balkenköpfen ruhte. Ein einfaches, leicht geneigtes Schindeldach aus Holz schützte den Wehrgang vor Witterungseinflüssen sowie vor feindlichem Beschuss. Die Laufbreite war ausreichend bemessen, um schnellen Truppenbewegungen zu ermöglichen, während eine schlichte hölzerne Brüstung zusätzlichen Schutz bot. In regelmäßigen Abständen waren Schießscharten in der Mauer eingelassen, sodass die Verteidiger vom Wehrgang aus gezielt das Vorfeld und den Wassergraben der Burg überwachen und verteidigen konnten. Die Konstruktion zeigt starke Parallelen zu nachgewiesenen Wehrgangsystemen in Kalbe (Milde) und Beetzendorf (vgl. Bergner 1911; Danneil 1847), wo ähnliche Lösungen zur Anwendung kamen. Der Wehrgang der Burg Angern verband damit Funktionalität, Effizienz und Anpassung an die spezifischen Gegebenheiten einer Wasserburg im späten Mittelalter.
KI generierte Ansicht des Wehrgangs der Burg Angern
Eine Besonderheit der Ringmauer von Angern bildete der Palas: Dieser große Wohn- und Repräsentationsbau nahm die gesamte Ostseite der Hauptburg ein. Die Rückwand des Palas war als Teil der Ringmauer ausgebildet und übernahm damit eine doppelte Funktion als Wehr- und Gebäudeaußenwand. Diese Kombination von Wohnbau und Wehrmauer ist auch bei anderen Burgen der Region belegt und unterstreicht die multifunktionale Nutzung der Bausubstanz im mittelalterlichen Burgenbau (vgl. Dehio 1990).
Palas der Burg Angern mit Bergfried
Vergleich mit zeitgenössischen Burgen
Kalbe (Milde): Die dortige Ringmauer zeigte vergleichbare Merkmale: Feldsteinmauerwerk von etwa 1,2 bis 1,4 Meter Stärke, einen hölzernen Wehrgang und regelmäßig angeordnete Schießscharten (vgl. Bergner 1911, S. 126). Auch hier war der Wohnbau in die Verteidigungsstruktur integriert.
Beetzendorf: In Beetzendorf bestand die Umfassung der Burg ursprünglich ebenfalls aus unbehauenen Feldsteinen. Nach späteren Zerstörungen wurden Reparaturen mit Backstein durchgeführt. Die Ringmauer war ursprünglich ähnlich dimensioniert und funktional (vgl. Danneil 1847).
Seehausen: Die noch erhaltenen Mauerreste belegen den Einsatz von unregelmäßigem Feldsteinmaterial und eine klare Ausrichtung der Schießscharten auf den Wassergraben. Auch hier war eine multifunktionale Nutzung von Wohn- und Wehrbauten üblich (vgl. Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt, 2002).
Diese Vergleiche verdeutlichen, dass die Bauweise der Ringmauer in Angern typisch für die Wasserburgen der Altmark war und dass die architektonische Verbindung von Wohnfunktion (Palas) und Wehrfunktion ein regional etabliertes Konzept darstellte.
Funktion und Verteidigungskonzept
Die Ringmauer bildete die primäre Verteidigungslinie der Hauptburg. Ihre Dicke bot Schutz vor Belagerungsmaschinen wie Katapulten und einfachen Belagerungswiddern. Der hölzerne Wehrgang ermöglichte es, Verteidiger schnell entlang der gesamten Burgmauer zu verlegen und gezielt auf Angreifer einzuwirken. Die gezielt positionierten Schießscharten deckten sowohl die Grabenbereiche als auch die Hauptangriffsrichtungen ab.
Durch die Integration des Palas in die Ringmauer konnte auf zusätzliche massive Bauwerke verzichtet werden, ohne die Verteidigungsfähigkeit der Burg zu beeinträchtigen. Diese architektonische Sparsamkeit war nicht nur aus Kostengründen, sondern auch aus militärisch-strategischen Überlegungen sinnvoll: Wohnräume konnten schnell verteidigt werden, ohne dass separate Verteidigungslinien geschaffen werden mussten.
Im Verteidigungsfall bildete die Ringmauer zusammen mit dem umlaufenden Wassergraben und der separaten Insel des Bergfrieds ein abgestuftes Verteidigungssystem: Fiel die äußere Mauer, konnten sich die Verteidiger über eine fest installierte, erhöhte Brücke in den besser geschützten Bergfried zurückziehen (vgl. Busse 2002).
Zusammenfassung
Die Ringmauer der Hauptburg Angern war ein robustes, multifunktionales Bauwerk aus naturbelassenem Feldstein, typisch für Wasserburgen der Altmark um 1350. Sie verband funktionale Verteidigungsarchitektur mit praktischer Raumnutzung durch die Integration des Palas. Vergleiche mit Kalbe (Milde), Beetzendorf und Seehausen belegen, dass Angern sich harmonisch in die regionale Baupraxis des späten Mittelalters einfügte und ihre Anlage eine effektive Verteidigung gegen die typischen Gefahren der Zeit erlaubte.
Quellen
- Bergner, Heinrich: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt. Halle a. d. S., 1911.
- Danneil, Johann Friedrich: Das Geschlecht der von der Schulenburg, Bd. 1. Salzwedel, 1847.
- Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I, Der Bezirk Magdeburg. München/Berlin, 1990.
- Busse, Peter: Burgen in Sachsen-Anhalt. Eine historische Einführung. Halle, 2002.
- Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt: Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt. Altmarkkreis Salzwedel, Petersberg 2002.