Befundbericht: Zugemauerte Fenster in der Ringmauer der Hauptburg Angern (1660–1715)
- Objekt: Burg Angern, Hauptburginsel (Landkreis Börde, Sachsen-Anhalt)
- Bauabschnitt: Frühneuzeitliche Übergangsphase zwischen Zerstörung (1631) und barockem Umbau (ab 1735)
- Untersuchungsgegenstand: Sekundäre Fensteröffnungen in der ehemaligen Ringmauer
Zugemauerte Fenster in der westlichen Ringmauer
Zielstellung und Quellenbasis
Ziel ist die bauhistorische Einordnung mehrerer zugemauerter Fensteröffnungen in der Ringmauer der Hauptburg von Angern. Die Öffnungen befinden sich auf der Ost- und Westseite der Hauptburginsel und wurden sekundär in die mittelalterliche Mauerstruktur eingefügt. Die Untersuchung stützt sich auf:
- Sichtbefunde (Fotodokumentation)
- Bauarchäologische Merkmale (Mauerverband, Ziegel, Mörtel)
- Archivalien: Rep. H Angern Nr. 76, Nr. 79, Nr. 412; Dorfchronik Angern (1650)
- Vergleichsliteratur: Dehio Sachsen-Anhalt I (2002), Wäscher (1962)
Beschreibung und Datierung der Befunde
Die Fensteröffnungen sind klar sekundär: Sie wurden nachträglich in die Bruchsteinmauer eingeschnitten und mit Ziegeln eingefasst. Zwei Formen sind nachweisbar:
- Rechteckige Öffnungen mit geradem Sturz
- Segmentbogige Öffnungen mit flach überspanntem Ziegelbogen
Die Höhenlage der Fenster entspricht dem Niveau der aufgefüllten Hauptburginsel, die nach 1631 sukzessive bis zur Höhe der Palas-Oberkante erhöht wurde. Die verwendeten Ziegel (25–27 × 13–14 × 6 cm) und der grobkörnige, kalkreiche Mörtel lassen sich dem regionalen Baumaterial des späten 17. Jahrhunderts zuordnen. Form und Material sprechen für eine Entstehung im Zeitraum 1660–1715, mit einem Schwerpunkt um 1670–1700.
Bauhistorische Einordnung
Die ursprüngliche Ringmauer stammt aus dem 14. Jahrhundert und war als Wehrmauer fensterlos. Die nachträglich eingeschnittenen Fenster gehören weder zur ursprünglichen Wehrarchitektur noch zur barocken Phase ab 1735, da der barocke Ausbau ausschließlich die Turminsel betraf. Die Fenster wurden während der provisorischen Nutzung der Hauptburginsel nach dem Dreißigjährigen Krieg eingebracht – in einer Zeit, als die Substanz zwar ruiniert, aber weiterhin genutzt wurde. Sie dienten der Belichtung einfach genutzter Räume (z. B. Lager, Werkstätten, Gesinde).
Funktionaler und baulicher Kontext
Parallel zur Fensterentstehung wurde auf der Turminsel ein einfaches Wohnensemble errichtet. Laut Dorfchronik erfolgte dies im Jahr 1680 nach dem Rückerwerb des Gutes durch Heinrich von der Schulenburg:
„Der Neubau bestand aus dem zweistöckigen Haupthaus mit einer zweiflügeligen Eingangstür und 15 Fenstern, einem kleineren einstöckigen Nebengebäude und dem dazwischen stehenden Rest des alten Turmes.“ (Quelle: Dorfchronik Angern)
Die Fensteröffnungen stehen nicht in baulichem, aber in funktionalem Zusammenhang mit dieser Wiederinbetriebnahme der Anlage. Die Hauptburginsel wurde vermutlich weitergenutzt, jedoch nicht neu überbaut.
Zugemauerte Fenster in der Ostwand der Hauptburg
Regionale Vergleichsbefunde
Vergleichbare Übergangslösungen sind dokumentiert in:
- Apenburg: Nutzung spätmittelalterlicher Ringmauer zur Aufnahme von Wirtschaftsgebäuden (Wäscher 1962, Bd. I, S. 37)
- Beetzendorf: Integration älterer Mauerzüge in Ökonomiegebäude des 18. Jahrhunderts (Dehio 2002, S. 84)
Diese Beispiele zeigen ein verbreitetes Muster der Wiederverwendung älterer Substanz durch einfache Umbauten im späten 17. Jahrhundert.
Schlussfolgerung
Die zugemauerten Fensteröffnungen in der Ringmauer der Hauptburg von Angern entstanden zwischen 1660 und 1715, wahrscheinlich um 1670–1700. Sie belegen die pragmatische Nachnutzung zerstörter Bausubstanz nach dem Dreißigjährigen Krieg und vor dem barocken Ausbau. Ihre einfache Form, Ziegelausführung und Lage sprechen für eine funktionale Anpassung der Ringmauer an eine bescheidene Übergangsnutzung. Eine weiterführende bauarchäologische Untersuchung mit Mörtelanalysen und stratigrafischer Dokumentation wäre wünschenswert.