Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

 

Befundbericht: Zugemauerte Fenster in der Ringmauer der Hauptburg Angern (1660–1715)

  • Objekt: Burg Angern, Hauptburginsel (Landkreis Börde, Sachsen-Anhalt)
  • Bauabschnitt: Frühneuzeitliche Übergangsphase zwischen Zerstörung (1631) und barockem Umbau (ab 1735)
  • Untersuchungsgegenstand: Sekundäre Fensteröffnungen in der ehemaligen Ringmauer

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Zugemauerte Fenster in der westlichen Ringmauer

Zielstellung und Quellenbasis

Ziel ist die bauhistorische Einordnung mehrerer zugemauerter Fensteröffnungen in der Ringmauer der Hauptburg von Angern. Die Öffnungen befinden sich auf der Ost- und Westseite der Hauptburginsel und wurden sekundär in die mittelalterliche Mauerstruktur eingefügt. Die Untersuchung stützt sich auf:

  • Sichtbefunde (Fotodokumentation)
  • Bauarchäologische Merkmale (Mauerverband, Ziegel, Mörtel)
  • Archivalien: Rep. H Angern Nr. 76, Nr. 79, Nr. 412; Dorfchronik Angern (1650)
  • Vergleichsliteratur: Dehio Sachsen-Anhalt I (2002), Wäscher (1962)

Beschreibung und Datierung der Befunde

Die Fensteröffnungen sind klar sekundär: Sie wurden nachträglich in die Bruchsteinmauer eingeschnitten und mit Ziegeln eingefasst. Zwei Formen sind nachweisbar:

  • Rechteckige Öffnungen mit geradem Sturz
  • Segmentbogige Öffnungen mit flach überspanntem Ziegelbogen

Die Höhenlage der Fenster entspricht dem Niveau der aufgefüllten Hauptburginsel, die nach 1631 sukzessive bis zur Höhe der Palas-Oberkante erhöht wurde. Die verwendeten Ziegel (25–27 × 13–14 × 6 cm) und der grobkörnige, kalkreiche Mörtel lassen sich dem regionalen Baumaterial des späten 17. Jahrhunderts zuordnen. Form und Material sprechen für eine Entstehung im Zeitraum 1660–1715, mit einem Schwerpunkt um 1670–1700.

Bauhistorische Einordnung

Die ursprüngliche Ringmauer stammt aus dem 14. Jahrhundert und war als Wehrmauer fensterlos. Die nachträglich eingeschnittenen Fenster gehören weder zur ursprünglichen Wehrarchitektur noch zur barocken Phase ab 1735, da der barocke Ausbau ausschließlich die Turminsel betraf. Die Fenster wurden während der provisorischen Nutzung der Hauptburginsel nach dem Dreißigjährigen Krieg eingebracht – in einer Zeit, als die Substanz zwar ruiniert, aber weiterhin genutzt wurde. Sie dienten der Belichtung einfach genutzter Räume (z. B. Lager, Werkstätten, Gesinde).

Funktionaler und baulicher Kontext

Parallel zur Fensterentstehung wurde auf der Turminsel ein einfaches Wohnensemble errichtet. Laut Dorfchronik erfolgte dies im Jahr 1680 nach dem Rückerwerb des Gutes durch Heinrich von der Schulenburg:

„Der Neubau bestand aus dem zweistöckigen Haupthaus mit einer zweiflügeligen Eingangstür und 15 Fenstern, einem kleineren einstöckigen Nebengebäude und dem dazwischen stehenden Rest des alten Turmes.“ (Quelle: Dorfchronik Angern)

Die Fensteröffnungen stehen nicht in baulichem, aber in funktionalem Zusammenhang mit dieser Wiederinbetriebnahme der Anlage. Die Hauptburginsel wurde vermutlich weitergenutzt, jedoch nicht neu überbaut.

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Zugemauerte Fenster in der Ostwand der Hauptburg

Regionale Vergleichsbefunde

Vergleichbare Übergangslösungen sind dokumentiert in:

  • Apenburg: Nutzung spätmittelalterlicher Ringmauer zur Aufnahme von Wirtschaftsgebäuden (Wäscher 1962, Bd. I, S. 37)
  • Beetzendorf: Integration älterer Mauerzüge in Ökonomiegebäude des 18. Jahrhunderts (Dehio 2002, S. 84)

Diese Beispiele zeigen ein verbreitetes Muster der Wiederverwendung älterer Substanz durch einfache Umbauten im späten 17. Jahrhundert.

Schlussfolgerung

Die zugemauerten Fensteröffnungen in der Ringmauer der Hauptburg von Angern entstanden zwischen 1660 und 1715, wahrscheinlich um 1670–1700. Sie belegen die pragmatische Nachnutzung zerstörter Bausubstanz nach dem Dreißigjährigen Krieg und vor dem barocken Ausbau. Ihre einfache Form, Ziegelausführung und Lage sprechen für eine funktionale Anpassung der Ringmauer an eine bescheidene Übergangsnutzung. Eine weiterführende bauarchäologische Untersuchung mit Mörtelanalysen und stratigrafischer Dokumentation wäre wünschenswert.

Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg sowie einflussreiche Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitzrechte, Lehnsbindungen und lokale Machtstellungen. In diesem territorial instabilen Raum stellte die Gründung der Burg Angern eine gezielte Maßnahme der Erzdiözese Magdeburg dar, um ihren Einfluss militärisch abzusichern und administrativ zu konsolidieren. Die Errichtung einer Wasserburg mit deutlich ausgeprägter Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz vor Ort und fungierte zugleich als sichtbares Machtsymbol gegenüber konkurrierenden Adelsinteressen. Hauptburg Angern Palas, Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1350 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik.
Die Burg Angern im Kontext des hochmittelalterlichen Burgenbaus der Altmark. Die Burg Angern zählt zu den wenigen noch heute klar strukturell erfassbaren Beispielen hochmittelalterlicher Wasserburgen im nördlichen Sachsen-Anhalt. Errichtet vermutlich um 1340 unter dem Einfluss des Magdeburger Erzstifts, zeigt die Anlage eine außergewöhnlich gut erhaltene Grundstruktur, die sich aus drei funktional getrennten Inselbereichen zusammensetzt: Hauptburg mit Palas, südlich vorgelagerte Turminsel mit Wehrturm sowie die westlich angegliederte Vorburg mit wirtschaftlicher Nutzung. Die gezielte Gliederung in Verteidigung, Verwaltung und Versorgung veranschaulicht in exemplarischer Weise die Prinzipien rationalisierten Burgenbaus im Spätmittelalter. Ostansicht des Palas mit dem Wehrturm (KI Rekonstruktion)
Die Burg Angern um 1350: Architektur und Aufbau einer mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark. Die Burg Angern, errichtet um 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg, stellt ein herausragendes Beispiel für den Typus der mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark dar. Inmitten eines künstlich angelegten Wassergrabens erhoben sich die Hauptburg auf einer nördlichen Insel sowie der Bergfried auf einer südlichen Nebeninsel. Die hier dargestellte Rekonstruktion basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) und Vergleichen mit zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Beetzendorf und Salzwedel. Lageplan der Burg Angern mit Hauptburg, Turminsel und Vorburg um 1350
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern zählt zu den wenigen archäologisch und archivalisch gleichermaßen gut dokumentierten Beispielen hochmittelalterlicher Wasserburgen in der norddeutschen Tiefebene. Die um 1340 entstandene Anlage vereint in exemplarischer Weise militärische, wirtschaftliche und administrative Funktionen innerhalb eines klar gegliederten Burgsystems. Ihre topografische Konzeption – bestehend aus zwei künstlichen, bis heute erhaltenen Inseln inmitten eines umlaufenden Grabensystems – dokumentiert eindrucksvoll die strategischen und technischen Planungsprinzipien des Burgenbaus im mittleren 14. Jahrhundert.
Die Vorburg der Burg Angern: Funktionsanalyse und historische Rekonstruktion unter der Annahme mittelalterlicher Vorgängermauern (ca. 1350). Die Vorburg der Burg Angern, wie sie auf einem barockzeitlichen Plan um 1760 dargestellt ist, weist eine markante rechteckige Struktur mit drei langgestreckten Wirtschaftsgebäuden und zwei freistehenden Bauten auf. Auf Grundlage architektonischer Analyse, funktionaler Einteilung sowie typologischer Vergleiche mit anderen mitteleuropäischen Burganlagen lässt sich begründet rekonstruieren, dass die barocken Gebäude auf der Struktur und dem Grundriss einer hochmittelalterlichen Vorburg basieren. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Rekonstruktion dieser früheren Vorburg unter der Annahme eines Baubestandes aus der Zeit um 1350. Innenhof der Vorburg Angern mit Wirtschaftsgebäuden (KI-Rekonstruktion)
Die strategische Lage Angerns im Dreißigjährigen Krieg. Angern war zu Beginn des 17. Jahrhunderts Sitz eines ausgedehnten Lehngutes der Familie von der Schulenburg, gelegen an der Grenze zwischen dem Kurfürstentum Brandenburg und den geistlichen Territorien Halberstadt und Magdeburg. Die Burg war Teil eines befestigten Ensembles aus Hauptburg, Vorburg und Turminsel. Ihre Lage machte sie im Kontext konfessioneller Konflikte und durchziehender Heere zu einem militärisch sensiblen Ziel.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.