Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg von Friedrich August Fiedler im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt. Die Ursprünge des Schlosses reichen bis ins Jahr 1341 zurück, als an dieser Stelle eine Wasserburg errichtet wurde.

Im Rahmen baubegleitender Untersuchungen im Herrenhaus Angern wurde in den Zwischendecken des barocken Baus ein bemerkenswerter Fund gemacht: Fragmente eines grün glasierten Kachelofens, gefertigt aus glasierter Ziegelkeramik mit dekorativen Reliefs. Besonders auffällig ist ein Herzmotiv, das in einer der erhaltenen Kachelbruchstücke erkennbar ist. Der Fund gibt nicht nur Hinweise auf die Nutzungsgeschichte des Gebäudes, sondern erlaubt auch Rückschlüsse auf die materielle und symbolische Kultur im Angern des 17. Jahrhunderts.

Materialität und Technik

Die Kachelfragmente bestehen aus Ziegelmasse mit bleihaltiger grüner Glasur, wie sie ab dem späten 15. Jahrhundert in Mittel- und Norddeutschland zur Anwendung kam. Es handelt sich nicht um industriell genormte Kacheln, sondern um handgeformte Stücke mit individuell eingeschnittenem oder aufgelegtem Dekor. Die Verwendung von Ziegel als Trägermaterial weist auf eine lokale oder regionale Herstellung hin – ein Befund, der in der Altmark vielfach belegt ist.

Die Glasur ist gleichmäßig, tiefgrün schimmernd und zeigt vereinzelte Blasenbildung – typisch für die damalige Brenntechnik. Die Tiefe des Reliefs deutet auf eine Einzelformtechnik hin; das Herzmotiv wurde vermutlich mit einem einfachen Stempel oder durch freihändiges Ausarbeiten gestaltet.

Symbolik des Herzmotivs

Die Darstellung eines Herzens auf einer Ofenkachel ist kein reines Ziermotiv, sondern trägt eine symbolische Bedeutung. In der volkstümlichen und höfischen Ikonographie der Frühen Neuzeit steht das Herz unter anderem für:

  • Hausfrieden und familiären Zusammenhalt
  • Treue und eheliche Verbindung – besonders, wenn es als alleinstehendes Motiv erscheint
  • Frömmigkeit – in katholischer Tradition als „Herz Mariens“ oder „Herz Jesu“ mit Flammen, Strahlen oder Dornen

Die stilistische Schlichtheit des Musters lässt eine weltlich-symbolische Lesart wahrscheinlich erscheinen: Es handelt sich vermutlich um ein Zeichen von Zugehörigkeit, Geborgenheit oder Schutz im häuslichen Raum.

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Kontext und Wiederverwendung

Die Kachelfragmente wurden in Zwischendecken des barocken Neubaus von 1735 gefunden. Ihre Verwendung dort zeigt eine typische Form des Wiedergebrauchs von Abbruchmaterial aus dem Vorgängerbau. Solche Bruchstücke dienten in Decken als:

  • Füllmaterial zur Trittschalldämmung
  • Feuchteregulierung
  • Brandschutzlage zwischen Balken

Das spricht für einen wertschätzenden Umgang mit dem Material und möglicherweise auch für eine symbolische Weiterverwendung – die Übernahme des „Hausherzens“ in die neue Bauphase.

Denkmalpflegerische Bewertung

Der Fund ist aus denkmalpflegerischer Sicht von hohem Aussagewert, da er:

  1. die materielle Kontinuität zwischen Vorgängerbau und barocker Umgestaltung belegt,
  2. eine lokale Ofenkachelproduktion dokumentiert, die bisher kaum erforscht ist,
  3. und mit dem Herzmotiv einen Einblick in die symbolische Innenraumkultur des 17. Jahrhunderts bietet.

Für eine weiterführende Analyse wäre eine vergleichende Untersuchung regionaler Kachelöfen ebenso wünschenswert wie eine naturwissenschaftliche Glasur- und Tonanalyse.

Fazit

Das grün glasierte Kachelfragment mit Herzmotiv aus Angern ist nicht nur ein ästhetisches Zeugnis vergangener Wohnkultur, sondern auch ein Fragment kollektiver Erinnerung. In ihm überlagern sich Funktion, Symbolik und Geschichte auf materielle Weise – eingefügt zwischen den Etagen eines Hauses, das selbst zwischen den Epochen steht.

Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Die Burg Angern als Herrschafts- und Wehranlage stellt in ihrer historischen Entwicklung ein typisches Beispiel einer spätmittelalterlichen Wasserburg des niederen Adels im mitteldeutschen Raum dar. Ihre Entstehung unter Erzbischof Otto von Magdeburg im 14. Jahrhundert war eng mit den Machtinteressen des Erzstifts Magdeburg verbunden. Die Wahl des Standorts – auf einer inselartigen Erhebung inmitten der Elbniederung – folgte sowohl militärisch-strategischen als auch wirtschaftlich-topographischen Überlegungen. In unmittelbarer Nähe wichtiger Verkehrswege und Elbübergänge gelegen, diente die Burg der Kontrolle von Handelsrouten, der Sicherung regionaler Besitzverhältnisse und der symbolischen Machtdemonstration.
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.