Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg von Friedrich August Fiedler im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt. Die Ursprünge des Schlosses reichen bis ins Jahr 1341 zurück, als an dieser Stelle eine Wasserburg errichtet wurde.

Die Innenräume des Schlosses Angern waren im 18. Jahrhundert nicht nur architektonisch durchgeformt, sondern auch technisch anspruchsvoll ausgestattet. Neben Türen, Täfelungen und Tapeten zählten insbesondere die Raumöfen zu den raumbestimmenden Elementen barocker Wohnkultur. Sie dienten sowohl der Wärmeversorgung als auch der Repräsentation. Die wenigen erhaltenen Fragmente – darunter eine gusseiserne Ofenplatte mit dem Wappen der Familie von der Schulenburg – erlauben heute eine exemplarische Rekonstruktion der ursprünglichen Gestaltung. In Verbindung mit vergleichbaren Befunden, etwa im nahezu gleichzeitig ausgestatteten Schloss Mosigkau bei Dessau, zeigt sich ein typisches Ausstattungsschema höfischer Wärmequellen des mitteldeutschen Hochbarock.

Der barocke Kachelofen als raumbildendes Element

Barocke Kachelöfen galten nicht nur als technische Notwendigkeit, sondern als Teil der raumarchitektonischen Inszenierung. Sie wurden meist in Raumecken oder Wandnischen eingebaut und waren in Form, Proportion, Material und Farbigkeit auf das Interieur abgestimmt. Für Schloss Angern sind solche Öfen für die Repräsentationsräume wie Speisezimmer, Gartensaal oder Oberes Kabinett belegt.

Der typische barocke Ofen um 1740 bestand aus glasierten Tonkacheln in Weiß, Blaugrau oder Lindgrün. Seine Bauform war hoch aufragend, mehrfach gestuft, oft mit Gesimszonen und einem leicht vorkragenden Abschluss. Dekorativ kamen flach reliefierte Rocaillen, Muschel- und Bandwerkornamentik sowie vegetabile Motive zur Anwendung – jeweils in symmetrischer Anordnung. Die Öfen waren meist Warmluftöfen mit rückseitiger Befeuerung, was eine architektonisch „saubere“ Integration in den Wohnraum erlaubte.

Vergleich mit dem Kachelofen im Schloss Mosigkau

Ein sehr gut erhaltener Kachelofen in einem der Gesellschaftszimmer des Schlosses Mosigkau (erbaut um 1750 unter Fürstin Anna Wilhelmine von Anhalt-Dessau) bietet ein anschauliches Vergleichsbeispiel für die Ausstattung des Schlosses Angern. Der Ofen in Mosigkau besteht aus weiß glasierten Kacheln mit zarten, flachen Reliefverzierungen und einem gestuften Aufbau. Er steht in einer Raumecke und fügt sich unauffällig, aber stilbildend in die Wandgliederung ein. Auffällig ist die gestreckte, elegante Silhouette und die zurückhaltende Ornamentik – ganz im Geiste der Übergangszeit vom Hochbarock zum Régence-Stil.

In Angern dürfte ein vergleichbarer Typ zur Anwendung gekommen sein: ebenfalls hochrechteckig, mit gestuftem Aufbau und ruhiger Farbigkeit, zurückhaltend ornamentiert und in den Raum integriert. Der Ofen in Mosigkau bestätigt somit die Hypothese, dass die Öfen in Angern nicht nur funktional waren, sondern aktiv zur barocken Raumwirkung beitrugen – sie bildeten ein architektonisches Gegengewicht zu Türen, Supraporten und Wandvertäfelungen.

Die gusseisernen Ofenplatten: Technik und Genealogie

Eine besondere Bedeutung kommt der im Schloss Angern erhaltenen gusseisernen Ofenplatte zu, die das Familienwappen derer von der Schulenburg zeigt. Diese Platte war vermutlich Teil eines Kachelofens oder eines freistehenden Eisenofens und diente sowohl der Wärmeleitung als auch der symbolischen Aufladung der Feuerstelle. Die Platte zeigt das Wappen mit den drei Greifenklauen in einem geschlossenen Schild, umgeben von floralen Ornamenten und gerahmt von einem stilisierten Perlkranz – eine Gestaltung, die sich im Harzer Gusseisen des 18. Jahrhunderts vielfach nachweisen lässt. Die gusseiserne Ofenplatte diente nicht nur der Hitzespeicherung und Rückstrahlung im Feuerraum, sondern fungierte zugleich als symbolisch aufgeladene Fläche, auf der sich genealogische Identität in Form des Schulenburgschen Wappens unmittelbar mit der alltäglichen Wärmeversorgung verband.

Solche Ofenplatten wurden in Eisenhütten gegossen (z. B. in Ilsenburg, Sayn oder Lauchhammer) und speziell für Adelsfamilien mit heraldischen Motiven versehen. Sie spiegeln das Bedürfnis wider, auch in technisch-funktionalen Zonen genealogische Präsenz zu zeigen. Die Kombination von Feuerstelle und Familienwappen verdeutlicht das Selbstverständnis der Gutsherrschaft, deren Identität buchstäblich im Zentrum des Hauses verankert war. Die Verwendung von Wappenelementen auf Ofenplatten war dabei mehr als Dekor – sie war Teil einer symbolischen Raumpolitik der frühen Neuzeit.

Denkmalpflegerische Bewertung

Aus denkmalpflegerischer Sicht ist die erhaltene gusseiserne Wappenplatte von besonderer Bedeutung. Sie dokumentieren nicht nur den technischen Stand der barocken Heiztechnik, sondern auch das Wechselverhältnis zwischen Funktion und Repräsentation im adligen Wohnen des 18. Jahrhunderts. Die Platte mit dem Schulenburg’schen Wappen ist ein seltenes Beispiel genealogischer Selbstdarstellung im funktionalen Objektbereich. Sie sollte restauratorisch gesichert und, wenn möglich, in einer musealen Raumfassung (z. B. im Speisezimmer oder Gartensaal) wieder sichtbar gemacht werden.

Fazit

Die Öfen von Schloss Angern sind mehr als historische Heizkörper – sie sind Zeugnisse einer symbolisch durchwirkten Raumausstattung des Barock. Ihre Materialien – Ton, Eisen, Glasur – verbinden sich mit Form, Funktion und Heraldik zu komplexen Sinnbildern adliger Lebenswelt. Der Vergleich mit dem Ofen in Schloss Mosigkau macht deutlich, dass auch ein ländliches Gutsensemble wie Angern in der Lage war, sich in die gestalterischen und genealogischen Codes der höfischen Innenraumkunst des 18. Jahrhunderts einzuschreiben.

Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Die Burg Angern als Herrschafts- und Wehranlage stellt in ihrer historischen Entwicklung ein typisches Beispiel einer spätmittelalterlichen Wasserburg des niederen Adels im mitteldeutschen Raum dar. Ihre Entstehung unter Erzbischof Otto von Magdeburg im 14. Jahrhundert war eng mit den Machtinteressen des Erzstifts Magdeburg verbunden. Die Wahl des Standorts – auf einer inselartigen Erhebung inmitten der Elbniederung – folgte sowohl militärisch-strategischen als auch wirtschaftlich-topographischen Überlegungen. In unmittelbarer Nähe wichtiger Verkehrswege und Elbübergänge gelegen, diente die Burg der Kontrolle von Handelsrouten, der Sicherung regionaler Besitzverhältnisse und der symbolischen Machtdemonstration.
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.