Der sogenannte Gartensaal im Erdgeschoss des Schlosses Angern nimmt innerhalb der Raumstruktur des Hauses eine besondere Stellung ein. Er öffnete sich über große Flügeltüren – direkt zum barocken Garten-Parterre und bildete die räumliche und visuelle Verbindung zwischen Architektur und Garten. Seine Nutzung als Repräsentationsraum blieb sowohl im 18. als auch im 19. Jahrhundert erhalten, wobei sich die Akzente seiner Ausstattung und bildlichen Inszenierung verschoben.

Der Saal im 18. Jahrhundert

Das General-Inventarium von 1752 (Rep. H Angern Nr. 76) dokumentiert den gesamten Bestand des Schlosses und bietet wertvolle Einblicke in die Ausstattung des Gartensaals. Die Liste wurde auf Befehl von Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg erstellt und von Ernst August Brieres angefertigt. Der Raum war mit 18 Bahnen blau-weiß gestreifter Leinen tapeziert. Vier Gemälde mit chinesischem Geflügel zierten die Türen, zwei weitere die Kamine und zwei die Schränke. Insgesamt 24 Statuen oder Puppen dekorierten die Kamine. Zwölf Berliner Rohrstühle boten Sitzgelegenheiten. Vier Gardinen und zwei Falballas aus weißer Leinwand rahmten die Fenster, ergänzt durch zwei Portieren aus blau-weiß gestreiftem Wollstoff. Diese Ausstattung verweist auf eine frühaufklärerische Ästhetik, in der ornamentale Vielfalt, textile Farbigkeit und kulturelle Referenz (Chinoiserien, Tierstillleben) zentrale Rollen spielten.

Ein besonders beeindruckendes Merkmal des Saals ist die Enfilade, die sich entlang der Fensterseite erstreckt. Diese typisch barocke und rokokozeitliche Zimmerflucht verbindet die repräsentativen Salons des Schlosses miteinander und endet auf beiden Seiten in Kabinetten. Ebenfalls erhalten geblieben ist die kunstvoll gestaltete Rokoko-Stuckdecke, die im August 2004 aufwendig restauriert wurde und heute wieder in ihrem ursprünglichen Glanz erstrahlt.

In der Raumhierarchie des Hauses war der Gartensaal trotz seiner Lage im Erdgeschoss ein zentraler Ort der Repräsentation. Seine direkte Beziehung zum Garten, seine Ausstattung und seine Offenheit zum Vestibül lassen darauf schließen, dass hier kleinere Empfänge, Konversationen oder kulturelle Zusammenkünfte stattfanden. Der Gartensaal diente dabei als Schwellenraum zwischen Außen und Innen, Natur und Architektur, Öffentlichkeit und Privatheit.

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KI generierte Ansicht des Gartensaals um 1745

Der Saal im 19. Jahrhundert

Der Gartensaal des Schlosses Angern um 1845 präsentiert sich als ein stilistisch stark veränderter Repräsentationsraum, der die klassizistische Raumauffassung mit biedermeierlichen Elementen verbindet. Die einstige barocke Ausstattung ist weitgehend überformt, jedoch lässt sich die historische Raumstruktur weiterhin klar erkennen.

Wände: Die Wände sind mit einer tapetenartigen Wandbespannung versehen, die ein regelmäßiges Muster zeigt – wahrscheinlich ein spätklassizistisches oder biedermeierliches Dekor. Die einst blau-weiß gestreifte Leinentapete des 18. Jahrhunderts wurde offenbar entfernt.

Porträtgalerie: Ein prägendes Element der Ausstattung ist die Ahnenporträtgalerie. Besonders hervorzuheben ist das Ölgemälde von Christoph Daniel von der Schulenburg, dem Erbauer des Schlosses. Ihm wurde zudem ein Epitaph in der Kirche von Angern gewidmet. Neben Christoph Daniel ist auch ein Porträt seines Bruders Levin Friedrich zu sehen, der das Schloss in Burgscheidungen errichtete. Zu den weiteren ausgestellten Werken gehören Porträts von Alexander Friedrich Christoph von der Schulenburg, der in den Grafenstand erhoben wurde, sowie von dessen Nachkommen Friedrich Christoph Daniel und Edo Friedrich Graf von der Schulenburg. Die Hängung orientiert sich an klassizistischen Achsen und betont die genealogische Kontinuität der Familie.

Mobiliar: Im Zentrum steht eine runde Sitzgruppe mit Polstermöbeln, darunter zwei gepolsterte Sofas mit floralen Bezügen, sechs gepolsterte Stühle und ein kleiner runder Tisch – typisch für das Biedermeier mit seiner Betonung auf Komfort, familiärer Intimität und handwerklicher Eleganz. Die Möbelbezüge zeigen ein sich wiederholendes, symmetrisches Blütenmotiv. Links in der Ecke steht ein fein geschnitzter, weiß gefasster Vitrinenschrank, der dem Stil des Rokoko revival zuzuordnen ist. Er diente als dekorativer Aufbewahrungsort für Kristallpokale und Kuriositäten. Die gebauchte Kommode mit geschnitzter Front und furniertem Holz (möglicherweise Mahagoni oder Nussbaum) verweist auf spätbarocke oder frühklassizistische Vorbilder, die weiterhin im Gebrauch waren oder bewusst zur Schau gestellt wurden.

Decke: Die vergoldete Stuckdecke mit floralen Rocaillen und Eckornamenten ist original erhalten. Ihre sorgfältige Ausarbeitung mit klassizistisch-barockem Übergangsdekor bildet einen letzten Bezug zur Ausstattung des 18. Jahrhunderts. Ein mehrarmiger Bronzelüster mit Kerzenhaltern hängt von der Stuckdecke herab. Die Kerzen imitieren bereits elektrische Glühkörper – eine mögliche spätere Modernisierung oder eine sehr frühe elektrische Umrüstung ab Ende des 19. Jahrhunderts.

Boden: Der Saal besitzt ein geöltes Tafelparkett, das die klassizistische Eleganz unterstreicht und einen floral gemusterten Brüsseler Teppich oder Tournai-Teppich

Insgesamt zeigt der Gartensaal um 1845 einen Rückzug aus barocker Überfülle hin zu einer geordneten, historisierenden Repräsentationskultur. Der Raum dient nicht mehr als Ort höfischer Zeremonien, sondern als repräsentativer Salon, der zugleich familiäre Privatheit und genealogisches Bewusstsein inszeniert. Die Mischung aus klassizistischer Raumwirkung, biedermeierlichem Komfort und genealogischem Pathos spiegelt den Wertewandel des Adels im 19. Jahrhundert auf eindrückliche Weise.

Gartensaal Schloss Angern

KI generierte Ansicht des Gartensaals um 1920

Gartensaal Schloss Angern Detailansicht

Foto des Gartensaals um 1920

Porträts im Gartensaal Schloss Angern

Der Gartensaal, Aufnahme um 1920

Gartensaal Schloss Angern

Der Gartensaal heute

Diese Bilder wurden anhand von Schwarz-Weiß-Fotos von einer KI coloriert und zeigen die Räume ca. im Jahr 1920. Die Ausstattung ist seit der Bodenreform verschollen.
Unser Rundgang beginnt mit der beeindruckenden Ansicht des Schlosses von der Nordseite. Diese Perspektive bietet einen Blick auf die repräsentative Vorfahrt und die markanten Eingangstüren des Hauptgebäudes sowie der beiden Seitenflügel. Die Nordseite vermittelt einen ersten Eindruck von der eleganten Architektur und Symmetrie des Schlosses.
Das Vestibül des Herrenhauses Angern bildet als architektonisches Bindeglied zwischen Außenwelt und Innenraum eine zentrale Schwelle der barocken Raumdramaturgie. Es diente im 18. und 19. Jahrhundert nicht allein dem funktionalen Empfang von Gästen, sondern erfüllte eine wichtige Rolle in der Inszenierung sozialer Ordnung und Repräsentation. Seine architektonische Gestaltung, seine Position im Baukörper sowie seine Ausstattung erlauben Rückschlüsse auf die Bedeutung dieses Übergangsraums im Kontext adliger Wohn- und Herrschaftskultur.
Der sogenannte Gartensaal im Erdgeschoss des Schlosses Angern nimmt innerhalb der Raumstruktur des Hauses eine besondere Stellung ein. Er öffnete sich über große Flügeltüren – direkt zum barocken Garten-Parterre und bildete die räumliche und visuelle Verbindung zwischen Architektur und Garten. Seine Nutzung als Repräsentationsraum blieb sowohl im 18. als auch im 19. Jahrhundert erhalten, wobei sich die Akzente seiner Ausstattung und bildlichen Inszenierung verschoben.
Vom Gartensaal gelangt man in den Damensalon. Im 19. Jahrhundert war der Damensalon ein zentraler Raum in Schlössern und Herrenhäusern , speziell für die Hausherrin und ihre Gäste.
Der Raum im 18. Jahrhundert Der sogenannte "Raum rechter Hand des Saals" – laut Quellenlage das persönliche Appartement Christoph Daniel von der Schulenburgs ("wo Seine Exzellenz Christoph Daniel von der Schulenburg logieren") um 1743 – stellt ein außergewöhnlich gut dokumentiertes Beispiel adeliger Wohnkultur des mittleren 18. Jahrhunderts dar. Gemeinsam mit dem angrenzenden Kabinett und der "Polterkammer" bildete dieser Raum ein privates Refugium, das sowohl repräsentative als auch intime Funktionen erfüllte. Die Inventaraufnahme von 1752 erlaubt eine dichte Rekonstruktion der Raumgestaltung und ihrer symbolischen Aufladung.
Das Kabinett im 19. Jahrhundert – Ein Ort für Sammlung, Erinnerung und gesellige Intimität Das Kabinett im Herrenhaus Angern dokumentiert die kulturelle Bedeutung kleinteiliger, privat genutzter Räume innerhalb der adligen Lebenswelt. Es steht exemplarisch für die emotionale Aufladung von Raum durch Porträtkunst, das Sammeln von Objekten und das Bewahren genealogischer Identität. Als Ort der stillen Repräsentation und geselligen Gesprächskultur erfüllt es eine zentrale Funktion in der ästhetischen und sozialen Struktur des Hauses.
Die sogenannte Polterkammer beeindruckt mit seinen kunstvoll verzierten Säulen, deren geschnitzte Kapitelle doppelköpfige Adler zeigen, ein Symbol des Adels. Ihre klassizistischen Kapitelle sind reich verziert und bilden einen harmonischen Kontrast zu den anderen Elementen des Raumes. Zeitgleich entstanden die prächtigen Türen, die den Sälen des Erdgeschosses ein einheitliches Erscheinungsbild verleihen. Ergänzt wird die Atmosphäre des Raumes durch Kupferstiche von Johann Elias Ridinger , die Jagdszenen darstellen und die Wände schmücken.
Von der Polterkammer, dem Empfang und dem Herrensalon gelangt man in das Dienstzimmer . In historischen Schlössern des 19. Jahrhunderts waren Dienstzimmer oft integraler Bestandteil der Raumaufteilung. Sie wurden von Schlossverwaltern, Aufsehern oder anderen Bediensteten genutzt, um administrative Aufgaben zu erledigen.
Von der Vorfahrt aus betritt man durch die Eingangstür den großzügigen Empfang des Schlosses. Besonders beeindruckend sind das barocke Treppengeländer mit stark profilierten Rechteckbalustern und die teilweise erhaltene historische Wandvertäfelung, die den Charakter des Schlosses unterstreichen.
Im 19. Jahrhundert wurde dieser Raum genutzt als Speisezimmer der Familie. Heute befindet sich dort eine Mietwohnung. Der Raum im 18. Jahrhundert Das General-Inventarium von 1752 (Rep. H Angern Nr. 76) dokumentiert den gesamten Bestand des Schlosses zu Angern und bietet wertvolle Einblicke in die reiche Ausstattung des Anwesens. Demnach war "das große Zimmer linker Hand (vom) Eingang des Saales" reich ausgestattet und wurde offenbar als Gästewohnung genutzt.
Im 18. Jahrhundert Gemäß dem Inventarverzeichnis von 1752 war dieser Saal baugleich zu dem Gartensaal gestaltet, jedoch war die Decke etwas höher. Der große Saal war reich mit Gemälden dekoriert. Die Wände waren vollständig mit einer Vielzahl von Stillleben , Landschaftsgemälden und chinesischen Malereien geschmückt.
Der obere einst repräsentative Galeriesaal ist der beeindruckendste und repräsentativste Raum des Hauses. Mit einer Raumhöhe von fast 4,50 Metern übertrifft er alle anderen Säle und diente um 1745 als zentraler Versammlungs- und Prunkraum.
Das Zimmer rechter Hand des Saals war mit 28 Bahnen gelber Brocadelltapeten ausgestattet. Brocadelltapeten, meist aus Seide oder Leinen mit eingewobenen Mustern, waren im 18. Jahrhundert ein Zeichen von Wohlstand und Eleganz.
Die Bibliothek – Wissenschaftlicher Rückzugsort und Ort gelehrter Repräsentation im 19. Jahrhundert: Die große Bibliothek ist um 1845 entstanden, also in die späte Biedermeierzeit mit ersten Übergängen zum Historismus. Charakteristisch ist die schlichte Eleganz der Möbel, die auf übermäßigen Zierrat verzichten und stattdessen durch ihre klaren Linien und feine handwerkliche Ausführung wirken. In ihrer Gesamtheit dokumentiert die Bibliothek des Herrenhauses in Angern nicht nur die intellektuellen Ambitionen ihrer Besitzer, sondern auch die Transformation adeliger Räume vom höfischen Repräsentationsort hin zu einem Raum des gelehrten Rückzugs und der familialen Selbstvergewisserung in einer Zeit wachsender bürgerlicher Öffentlichkeit und Umbrüche im Bildungsideal. Die auf der Fotografie dokumentierte Bibliothek des Schlosses Angern ist ein herausragendes Beispiel für die Transformation adeliger Gelehrtenkultur im 19. Jahrhundert. Sie zeigt sich als funktionaler und zugleich repräsentativer Arbeits- und Rückzugsraum, der nicht nur der Lektüre und Verwaltung, sondern auch der repräsentativen Inszenierung von Bildung, Ordnung und kulturellem Status diente. Ihre Gestaltung vereint biedermeierliche Wohnlichkeit mit klassizistischen Ordnungsidealen. Die raumprägende Ausstattung wird dominiert von einer mehrteiligen Bibliothekswand mit integrierten Vitrinen und verglasten Bücherregalen, die die Wand vollständig ausfüllen. Die Gliederung durch Lisenen, Gesimse und profilierte Pilaster verleiht dem Raum eine architektonische Strenge, die im Sinne des Klassizismus auf Maß, Symmetrie und Proportion zielt. Der Bücherbestand, sorgfältig in Ledereinbänden arrangiert, suggeriert Kontinuität, Bildung und private Gelehrsamkeit im Sinne des „studium nobile“. Im Zentrum des Raumes steht ein schwerer, polygonaler Tisch mit ziegelsteinförmigem Fuß, flankiert von Polsterstühlen und einem Armlehnsessel. Der Tisch ist mit Schreibgeräten, einem Tintenfass, Brieföffner und Papierablage ausgestattet – Zeichen aktiver Nutzung. Die Mischung aus gepolsterten Sesseln und einer stilistisch älteren Stuhllehne (Rokoko- oder Neorokoko-Formen) verweist auf eine über Generationen gewachsene Ausstattung, die historische Tiefe und familiäre Kontinuität suggeriert. Die Beleuchtung erfolgt über eine große, zentral abgehängte Deckenlampe mit textil bespanntem Schirm und Fransenbesatz – ein typisches Detail spätwilhelminischer Innenräume. Ihre Position über dem Schreibtisch unterstreicht die funktionale Gliederung des Raumes als Arbeitsumgebung. Ergänzt wird die Lichtführung durch ein seitlich einfallendes Tageslicht über ein zweiflügeliges Fenster, das von schweren, gefütterten Vorhängen gerahmt wird. Das rechte Seitenelement des Raumes zeigt ein Porträtgemälde sowie eine klassizistische Marmorbüste auf einem Sockel, die möglicherweise Goethe darstellt. Die Kombination aus Porträt und Büste verweist auf die Verbindung von familiärer Identitätswahrung und humanistischer Bildungsrepräsentation, wie sie für adlige Bibliotheksräume des 19. Jahrhunderts charakteristisch ist. Die textile Ausstattung mit einem gemusterten Teppich, der die Sitzgruppe zoniert, und die holzvertäfelten Brüstungselemente unter den Fenstern fügen sich in das harmonisch proportionierte Raumkonzept ein. Die Bibliothek erscheint so als Ort des konzentrierten Studiums, der zugleich soziale Distinktion, zeitloses Bildungsideal und einen Rückzugsort vom höfischen und öffentlichen Leben verkörpert. Die Bibliothek um 1920 Die Bibliothek um 1920 - KI generiertes Bild