Schulenburg Familie in Angern

Das Geschlecht derer von der Schulenburg ist eines der ältesten Adelsgeschlechter Deutschlands, dessen Wurzeln bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen.

Die Tagebuchaufzeichnungen von Graf Sigurd Wilhelm Christoph Daniel von der Schulenburg-Angern aus dem Jahr 1945 dokumentieren eindrucksvoll die tiefgreifenden gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Ein zentrales Thema dabei ist die Bodenreform und die entschädigungslose Enteignung von Großgrundbesitzern wie der Familie von der Schulenburg. Die Bodenreform von 1945 war eine der folgenreichsten politischen Maßnahmen in der sowjetischen Besatzungszone. Für Familien wie die von der Schulenburg bedeutete sie nicht nur den wirtschaftlichen Zusammenbruch, sondern auch den Verlust ihrer angestammten Rolle in der Gesellschaft.

Das Tagebuch von Sigurd Graf von der Schulenburg zeigt diese Prozesse in selten emotionaler und zugleich präziser Form. Die teilweise Rückgewinnung ab 1990 bleibt ein bemerkenswertes Beispiel für Versöhnung mit der Geschichte und die schwierige Wiederherstellung historischer Identität in einem vereinten Deutschland.

Rechtlicher und politischer Hintergrund

Die rechtliche Grundlage der Bodenreform wurde bereits im Potsdamer Abkommen (August 1945) angedeutet und durch die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) umgesetzt. Enteignet wurden alle landwirtschaftlichen Betriebe über 100 Hektar Fläche – unabhängig von der politischen Belastung des Eigentümers. Besonders betroffen war der deutsche Adel, auch wenn Mitglieder wie Sigurd von der Schulenburg nicht in der NSDAP waren und als unbelastet galten. Die Reform sollte eine neue Bauernklasse schaffen und gleichzeitig die ökonomischen Grundlagen des "alten Regimes" beseitigen.

Sigurds Lage im Sommer 1945

Graf Sigurd war im Mai 1945 aus amerikanischer Internierung entlassen worden. Er kehrte auf das Schloss Angern zurück, wo er versuchte, seinen Besitz und die lokale Ordnung wiederherzustellen. Doch seine Tagebucheinträge zeigen eine wachsende Besorgnis:

„Denn nach allem, was man hört, wird der Besitz nicht nur enteignet, sondern es werden auch die Menschen [...] zum 'Aufbau' in Russland verschleppt.“ (Eintrag vom 1. Juli 1945)

Wachsende Bedrohung

Ab Juli 1945 befürchtet Sigurd in seinem Tagebuch zunehmend den Einmarsch und das Verhalten der Roten Armee sowie mögliche Enteignungen:

  • Zitat (1. Juli 1945): „Denn nach allem, was man hört, wird der Besitz nicht nur enteignet, sondern es werden auch die Menschen […] zum ‘Aufbau’ in Russland verschleppt.“
  • Zitat (9. Juli): „[…] die rote Flut wälzt sich ungehindert weiter ins Land.“
  • Zitat (10. August): „Der Sender Beromünster verkündet: Die Russen würden bis zum 15.8. die Provinz Sachsen räumen.““. Im August 1945 keimte kurz Hoffnung auf, dass die Briten zurückkehren würden, doch diese erfüllte sich nicht. Stattdessen verfestigte sich die Kontrolle der Sowjets über Sachsen-Anhalt. Die Rückgabe von Gebieten östlich der Elbe an die Sowjets war durch die Vereinbarungen von Jalta (Feb. 1945) und Potsdam (Juli/Aug. 1945) festgelegt.

Am 11. September 1945 besetzten sowjetische Truppen endgültig Angern. Bereits im Oktober wurde das Inventar des Herrenhauses aufgenommen, darunter über 100 Ölgemälde und viele kulturhistorisch wertvolle Gegenstände. Diese wurden zum Teil nach Halle (Saale) in die Moritzburg verbracht, aber auch in weitere Archive und Museen.

Am 29. Dezember 1945 erhielt Graf Sigurd eine offizielle Ausweisungsverfügung im Rahmen der Bodenreform. Am 4. Januar 1946 verließ er mit seiner Familie das Schloss und damit seine Heimat – nach 498 Jahren Schulenburg'scher Präsenz in Angern.

Unmittelbare Auswirkungen

Der gesamte Gutsbesitz von rund 1.663 Hektar wurde enteignet, darunter 870 ha Forst. Die landwirtschaftlichen Flächen wurden zunächst an Neubauern verteilt, später in LPGs (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften) überführt. Ein Großteil des Waldes ging in den Besitz der Landesregierung über. Die Familie verlor neben dem Grundbesitz auch bedeutende Kulturgüter. Möbel, Waffen, Kunstwerke und Bücher wurden konfisziert oder gingen verloren. Ein Teil wurde erst nach der Wiedervereinigung restituiert.

Das Herrenhaus in der DDR-Zeit

Nach der Enteignung wurde das Herrenhaus Angern verschiedenen Zwecken zugeführt. In der DDR diente es zunächst als landwirtschaftliche Fachschule, später als Betriebsberufsschule für Meliorationsbau. Im Park wurde eine Baracke zur Unterbringung von Lehrlingen errichtet. 

Wiedergewinnung ab 1989

Nach dem Fall der Mauer und der deutschen Wiedervereinigung 1990 eröffneten sich Möglichkeiten der Rückübertragung von ehemals enteignetem Eigentum. Der Enkel von Sigurd, Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg (*1968), nutzte die BVVG-Regelungen zum Flächenrückerwerb und erwarb ab 1998 große Teile der Forstflächen zurück. Auch das Herrenhaus und der Park wurden zurückgekauft. Mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und des Landes Sachsen-Anhalt wurde das Gebäude umfassend saniert: Dachsanierungen, Schwammbeseitigung, Rekonstruktion der Fenster und Restaurierung der barocken Stuckdecken folgten.

Fritz I. von der Schulenburg (1350-1415) (Wikipedia ) war der nähere Stammvater aller drei Äste der weißen Linie des Hauses von der Schulenburg. Er hat den Übergang der Mark Brandenburg an die Hohenzollern aktiv miterlebt und zeigte sich dabei als ein selbstbewusster Schloßgesessener seiner Zeit und herausragender Vertreter des gemäßigten Teils des märkischen Adels. Etwa 1350 wird er zu Beetzendorf geboren als Sohn von Bernhard V von der Schulenburg und Margarete, geb. von Wedderde . Zu dieser Zeit wird an der Mosel die Burg Eltz erbaut, ist der Schiefe Turm von Pisa fertig und stiftet König Eduard III. von England den Hosenbandorden .
Konsolidierung und Fragmentierung adeligen Besitzes im 14. Jahrhundert. Henning I. von der Schulenburg († 1378) war ein markanter Vertreter der weißen Linie des Geschlechts von der Schulenburg und ist als Knapp[e] auf Beetzendorf und Angern bezeugt. Er war ein jüngerer Sohn Werner V. und trat spätestens 1341 in die urkundlich dokumentierte Familiengeschichte ein, als er seinen älteren Bruder Werner IV. in der Lehnhierarchie nachfolgte. In der Urkunde von 1337 wird er nicht genannt, was nahelegt, dass er zwischen 1337 und 1341 die Mündigkeit erreichte.
Kaufmann, Lehnsträger und Burgherr in Angern. Werner V. von der Schulenburg gehört zu den frühesten namentlich bekannten Mitgliedern der Familie, die sich dauerhaft auf dem Gut Angern niederließen. Seine Bedeutung liegt nicht allein in seiner Funktion als Mitbelehnter mit der dortigen Burg, sondern vor allem in seiner Rolle als Vertreter eines Adels, der im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zunehmend auch städtisch-wirtschaftliche Handlungsspielräume wahrnahm.
Hans XII. von der Schulenburg († 1625), Sohn des Busso VI. , gehört zu jenen Gliedern des Adelsgeschlechts von der Schulenburg , deren Leben exemplarisch für die Krisen und Konsolidierungsversuche niederadliger Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg steht. Seine Biografie markiert eine Übergangsphase zwischen militärischer Karriere und ökonomischer Bedrängnis, zwischen adliger Repräsentation und realer finanzieller Überforderung.
Bernhard von der Schulenburg (1427–1469) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Busso und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen beliehen.
Busso von der Schulenburg (1415–1474) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Bernhard und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen beliehen. Er wurde somit der Begründer des älteren Zweigs der Familie von der Schulenburg in Angern.
Matthias I von der Schulenburg (1410–1479) wurde im Jahr 1448 gemeinsam mit seinen Brüdern Busso und Bernhard durch einen Lehnbrief von Erzbischof Friedrich von Magdeburg zu einem rechten männlichen Lehen mit der Herrschaft Angern belehnt und begründete den jüngeren Zweig , der den Burghof in Angern besaß. Er war ein bedeutender kurbrandenburgischer Rat, Landeshauptmann der Altmark , Ritter und Herr auf Beetzendorf sowie Pfandinhaber von Altenhausen .
Bernhard XI. von der Schulenburg († 1500 ) war der Sohn des Stammvaters des jüngeren Zweigs Matthias I. Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf .
Matthias III. von der Schulenburg (* 1506, † 1542 ), gefallen in den Türkenkriegen vor Pest ) war der Sohn von Bernhard XI. von der Schulenburg . Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf und setzte den jüngeren Zweig der weißen Linie fort.
Die acht Söhne des Matthias III. von der Schulenburg und Margarethe von der Lühe († 1525), die das Erwachsenenalter erreichten, zeigten bis auf den jüngsten eine ausgeprägte Neigung zum Soldatenstand und nahmen an Kriegszügen teil, aus denen drei nicht zurückkehrten. Der älteste Sohn, Jakob II. (*25.03.1515 in Beetzendorf , †1576 in Magdeburg ), ist neben Fritz VIII. der zweite große Söldnerführer , den das Schulenburg'sche Geschlecht in dieser Epoche hervorgebracht hat.
Daniel I. Reichsfreiherr von der Schulenburg (* 3. Juni 1538 in Altenhausen ; † 6. November 1594 in Angern ) lebte in einer Zeit bedeutender politischer und wirtschaftlicher Umbrüche in der Altmark und im Erzstift Magdeburg .
Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) war der jüngste Sohn des Daniel I. von der Schulenburg und übernahm nach seinem Tod den Burghof in Angern. Er steht exemplarisch für die komplexe Rolle des niederen Adels im frühneuzeitlichen Brandenburg – zwischen dynastischer Kontinuität, territorialer Zersplitterung und finanzieller Prekarität. Wie sein älterer Bruder studierte er an der Universität Helmstedt, einer der führenden Bildungsstätten für den protestantischen Adel Norddeutschlands.
Henning Christoph von der Schulenburg (* 1648 oder 1649 auf Angern , † 27.12.1683 in Staßfurt ) war ein kurbrandenburgischer Hauptmann. Als der älteste Sohn von Heinrich XI. von der Schulenburg (geb. 1621, gest. 1691) und Ilse Floria von der Knesebeck (geb. 1629, gest. 1712) erbte er nach dessen Tod die Güter Angern und Falkenberg.
Heinrich XI von der Schulenburg (* 06.09.1621 auf Angern , + 19.05.1691 in Kehnert ) – Herr auf Angern, Kehnert mit Cobbel, Schricke und Falkenburg war der jüngere Sohn von Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) und Catharina Schenk von Flechtingen. Er studierte an der Universität Helmstedt , einer der führenden Bildungsstätten des 17. Jahrhunderts. Sein Studium legt nahe, dass er sich früh auf Verwaltungs- und Rechtsfragen spezialisierte, um die weitläufigen und durch Kriegswirren belasteten Güter der Familie effizient zu führen.
Alexander Friedrich Christoph ( 05.08.1720 – 19.09.1801 ) ist Sohn des Heinrich Hartwig I. (Oberst auf Angern, Wenddorf und Bülitz). Sein Oheim Christoph Daniel setzte ihm im Testament das Gut Krüssau als ein Majorat aus. Im Kodizill 1763 wurde dies jedoch dahingehend geändert, dass er Angern als Majorat bekommen sollte, wenn er den österreichischen Dienst verließe und von seinem Landesherrn König Friedrich II. wegen dieses Fehlers Verzeihung erhielte.
Christoph Daniel von der Schulenburg (*1679 in Angern, †1763 ebenda) zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des brandenburgisch-preußischen Adels im 18. Jahrhundert. Sein Lebensweg vereint in exemplarischer Weise militärische Laufbahn , diplomatische Missionen und kulturelles Mäzenatentum . Nach seiner frühen militärischen Ausbildung diente Schulenburg zunächst in brandenburgischen Regimentern und trat später in die sardinisch-savoyische Armee ein, wo er bis zum General der Infanterie aufstieg. Seine militärischen Verdienste zeigten sich unter anderem in den Feldzügen in Italien und der erfolgreichen Verteidigung der Festung Pizzighettone . Parallel dazu wurde er als Gesandter des preußischen Hofes entsandt – etwa nach Warschau –, wo er diplomatisches Geschick mit militärischer Expertise verband.
Die Familiengeschichte des Hauses Angern nimmt seinen weiteren Lauf mit den Söhnen Henning Christophs v.d. Schulenburg : Heinrich Hartwig I (* 23.09.1677 auf Angern, nach anderen Quellen Staßfurth; † 17.06.1734 auf Angern) und Christoph Daniel I . Beide traten 1700 in den Dienst des Herzogs von Savoyen - dem Regiment , dessen Chef damals noch Matthias Johann v.d. Schulenburg war. Heinrich Hartwig verließ diesen als Hauptmann nach zwei Jahren und ließ sich in Angern nieder.
Zu höherem Ruhm in der savoyischen Armee gelangte sein jüngerer Bruder Christoph Daniel I . (geb. 11.2.1679, gest. 22.11.1763 in Angern). Christoph Daniel von der Schulenburg ist Sohn des Henning Christoph, General der Infanterie auf Angern und Krüssau .
Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 10. Februar 1769 auf Angern; † 16. Mai 1821 in Magdeburg) ist Sohn des Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg .
Edo Friedrich Christoph Daniel , geb. 27.04.1816 in Angern, gest. 06.08.1904 in Angern, wurde 1821 dritter Fideikommissherr auf Angern. Edo war einziger Sohn des Magdeburger Regierungspräsidenten Friedrich Graf v.d. Schulenburg aus dessen zweiter Ehe mit der Tochter des Braunschweigischen Landdrosten, Auguste Luise Adolphine von Cramm. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm III . eine Patenstelle.
Friedrich Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1843 in Angern; † 1921) war Sohn des Edo Friedrich Christoph Daniel (1816-1904) und der Helene, geb. v. Schöning. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm IV. die Patenstelle.
Sigurd Wilhelm Graf von der Schulenburg (* 1882; † 1956), Sohn des Friedrich Wilhelm Christoph Daniel (1843-1921) war der fünfte und letzte Fideikommissherr auf Angern. Bei seiner Taufe am 5. November 1882 übernahm Kaiser Wilhelm I. eine Patenstelle , wie auch bei seinem Vater, Großvater und Urgroßvater die damals regierenden preußischen Könige Taufpaten gewesen waren.
Kuno Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1923 in Magdeburg; † 1987 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Jurist und Mitglied der XXI. Generation der Familie von der Schulenburg. Kuno Wilhelm wurde als einziger Sohn von Sigurd-Wilhelm Graf von der Schulenburg geboren.
Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg wurde am 4. August 1968 in Frankfurt am Main geboren. Er ist Sohn von Kuno Wilhelm Christoph Daniel (1923-1987) und Jutta, geb. v. Franocis. Er führt die lange Tradition seiner Familie fort, die seit fast 500 Jahren in Angern verwurzelt ist, und engagiert sich aktiv für die Bewirtschaftung der wieder eingerichteten Forstbetriebs sowie die Rekonstruktion und Erhaltung des Schlosses und des Parks.