Kunst und Ästhetik
Auch wenn er keine konkreten Malereien erwähnt, spielt die Wertschätzung von Schönheit und Ordnung eine große Rolle – wie die Wiederherstellung des Gartens („Dornenplatz“) und die Aufsicht über Sanierung, Sauberkeit und symbolische Wiederherstellung der „Schönheit“ des Gutes.
Musik – Kultur in der Kirche als geistiger Halt
Trotz politischer Unsicherheit bemüht sich Schulenburg um kulturelle Normalität. Besonders hervorzuheben sind die Kirchenkonzerte, die musikalisch wie gemeinschaftlich Bedeutung haben:
„Es war das 2. x ein Kirchenkonzert / Keitel Orgel, Frl. Kamps ausgezeichnet als Sängerin. Rege Beteiligung.“ (4. Juli 1945)
„Abends wieder sehr schönes Kirchenkonzert, Keitel Orgel, Frau K. Gesang (hochgeschulte große Stimme), Gisela Sommer Geige.“ (11. Juli 1945)
Diese Konzerte geben der Bevölkerung einen Moment der Schönheit und Andacht inmitten der Trümmerlandschaft – ein Rückzugsort für Geist und Seele.
Lektüre und Literatur – Bildung als Widerstand
Das Tagebuch ist geprägt von täglicher Lektüre klassischer Literatur – nicht als Unterhaltung, sondern als geistige Selbstbehauptung:
„Lektüre in diesen Tagen: Englisch, Bielschowski.“ (3. Juli 1945) (vermutlich: Bielschowsky, Biograph Goethes), vermutlich Biografie über Goethe
„In der Ilias gelesen.“ (7. Juli 1945)
„Abends Fastnachtsspiel Pater Brey von Goethe gelesen […].“ (12. Juli 1945)
Goethe ist regelmäßiger Begleiter: Clavigo, Plundersweilern, Der Triumph der Empfindsamkeit.
„Abends ‘Der Triumph der Empfindsamkeit’ dann bei Schwarzes.“ (25. August 1945)
„‘Triumph der Empfindsamkeit’ ausgelesen […].“ (27. August 1945)
Sigurds Urteile sind von einem christlich-konservativen Weltbild geprägt. Die Aufklärung bewertet er kritisch. Über Hebbels 'Pater Brey' schreibt er teils kritisch („zu verstandesmäßig für einen Dichter“), aber dramatisch gewaltig:
"Der 'Pfaff' als Symbol des Verfalls durch die Aufklärung“.
Weitere Literatur:
- Löns: Die Häuser von Ohlenhof – poetische Dorfgeschichten.
- Treitschke, Chamberlain: nationalistisch geprägt.
Eigene Dichtung – Selbstverortung im Wort
Sigurd ist nicht nur Leser, sondern auch aktiver Schriftsteller:
„Eine Strophe zu dem Gedicht ‘Germanias Klagelied’ hinzugedichtet.“ (12. Juli 1945)
„Las das Gedicht ‘Germanias Klagelied’ vor […].“ (15. Juli 1945)
„Arbeit am 3. Gesang des ‘Lichtsuchers’.“ (14. Juli 1945)
„Arbeit am ‘Lichtsucher’.“ (30. Juli, 4. August, 5. August 1945)
Seine Poesie ist patriotisch, bildungsgesättigt und religiös durchzogen – sie dient auch als Form innerer Stabilisierung.
Philosophische und historische Lektüre
Schulenburg setzt sich mit Geschichtsschreibung, Politik und aktuellen Entwicklungen auseinander:
„Las über Fredersdorf, den Kammerdiener und den 1. Kämmerer Friedrich des Großen.“ (15. August 1945)
„In diesen Tagen hat sich ein Ereignis zugetragen […] die Konstruktion der ‘Atombombe’.“ (11. August 1945)
Geselligkeit, Vorlesen und Gesprächskultur
Trotz aller Not bleibt Schulenburg Gastgeber und Gesprächspartner:
„Nach dem Kaffee der Familie aus dem Tagebuch vorgelesen.“ (29. Juli 1945)
„Abends bei Schwarzes, wo Wolfgang auch war.“ (häufige Formulierung)
„Nach dem Essen mit Paula auf dem Friedhof, weil heute Omas Geburtstag ist.“ (7. Juli 1945)
Auch Gäste -Pfarrer, Lehrer, Beamten und anderen ehemaligen Eliten- werden regelmäßig empfangen – etwa der Landrat, Rückkehrer aus der Kriegsgefangenschaft oder Familie Morgan („sehr nett, feine Menschen“), der „äußerst intelligenten 9-jährigen Neffe“ von Frau Weißenborn (17. Juli) – es wird musiziert, gelesen und diskutiert.
Religion als Kultur – und Mahnung an das Volk
Für Schulenburg sind Religion und Kultur untrennbar verbunden. Die tägliche Bibellektüre ist ein konstanter geistiger Rückhalt.
„Wann wird dieses Volk zu Gott und damit dem einzigen Heil zurückfinden […]?“ (8. Juli 1945)
„Keine Kirche. Länger geschlafen. […] Bibellektüre, Englisch.“ (26. August 1945)
Er äußert sich wiederholt über den Verlust von Bildung und Religion im Volk:
"Die Kirche ist „entsetzlich leer“ (19. August), besonders Männer fehlen."