Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Gut Vergunst bei Angern (1738) – Struktur, Funktion und Herrschaftsräume einer altmärkischen Gutsanlage des 18. Jahrhunderts: Gut Vergunst, zwischen dem Burghof Angern und dem heutigen Wenddorf gelegen, stellt eine herausragende ländliche Gutsstruktur in der nördlichen Altmark dar, deren barocke Ausprägung in einem außerordentlich dichten schriftlichen Befund überliefert ist. Das Inventarium über das Rittergut Angern-Vergunst, angefertigt am 4. Juli 1738 durch den kaiserlichen Notar Adam Heinrich Bartels, dokumentiert den baulichen und funktionalen Zustand der Gesamtanlage im unmittelbaren Anschluss an den Erwerb durch General Christoph Daniel von der Schulenburg im Jahr 1738. Die Quelle bietet auf über 20 Seiten eine minutiöse Beschreibung sämtlicher Gebäude, ihrer Nutzung, Ausstattung und Zustand – und erlaubt so eine präzise Rekonstruktion einer märkischen Gutsstruktur im Übergang vom Spätfeudalismus zur aufgeklärten Gutsherrschaft.

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Karte von Gut Vergunst aus dem Jahr 1740 im Landeshauptarchiv Magdeburg

Architektonische Struktur und defensiver Charakter

Die architektonische Struktur von Vergunst bewahrt in ihrer kartografischen Überlieferung ein deutliches Echo spätmittelalterlicher Befestigungslogik. Ein Plan von 1740 aus dem Landeshauptarchiv Magdeburg zeigt das zentrale Gebäude – mit „I“ bezeichnet – auf einer vollständig von Wasser umgebenen Insel, die nur über einen schmalen Zugang im Norden erreicht werden konnte. Die Anlage ist klar durch einen Teich gegen das Umland abgegrenzt. Diese Konfiguration entspricht dem Typus eines befestigten Rittersitzes oder einer kleindimensionierten Wasserburg, wie er für die Altmark zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert vielfach belegt ist.

Der Wasserzug war dabei nicht nur ein physisches Schutzmittel gegen Überfälle oder feindliche Reitertrupps, sondern zugleich ein architektonisches Mittel sozialer Distinktion: Er trennte den herrschaftlichen Wohnraum sichtbar und wirkungsvoll vom umgebenden Wirtschaftshof, dem Gesinde und den Untertanen. In einer Region, in der der Niederadel über zahlreiche kleinere Lehen, Rechte und Gerichtsbarkeiten gebot, fungierte eine solche Anlage als stationärer Kontrollpunkt in einem feingliedrigen Netz grundherrlicher Raumordnung. Vergunst ist damit nicht bloß als funktionaler Gutshof, sondern als symbolisch aufgeladener Herrschaftsort zu lesen – in seiner topografischen Insellage ebenso wie in seiner architektonischen Konfiguration. Die Trennung von Herrschaftshaus und Wirtschaftsbereich verweist auf eine bewusst inszenierte Hierarchie, die sich bis in die bauliche Disposition hinein manifestiert.

Die Anlage: Architektonische Gliederung und räumliche Logik

Das Rittergut Vergunst, wie es sich im Jahr 1738 darstellt, folgt einer klar gegliederten Struktur, die sowohl wirtschaftliche Notwendigkeiten als auch soziale und repräsentative Ansprüche berücksichtigt. Die Quelle, ein umfassendes Inventar, das am 4. Juli 1738 durch den kaiserlichen Notar Adam Heinrich Bartels aufgenommen wurde, beschreibt die Anlage nicht nur mit außerordentlicher Detailliertheit, sondern vermittelt auch ein eindrückliches Bild der räumlichen Organisation und Nutzung des Guts. Bereits die Anlage des Hofs macht deutlich, dass es sich nicht um einen unstrukturierten ländlichen Betrieb handelt, sondern um einen vielgliedrigen Gutskomplex mit überlegter baulicher Hierarchie und funktionaler Trennung.

Der Zugang zum Gut erfolgt durch ein eichernes Tor mit eisernen Ringen, Haken und Splinten, das zugleich eine symbolische Schwelle zwischen Außen- und Innenraum markiert. Von dort gelangt man über eine gepflasterte Auffahrt in den Innenhof (in der Karte II), der das Zentrum der wirtschaftlichen Aktivität bildet. Entlang dieses Hofs gruppieren sich mehrere Gebäude, darunter das Wohnhaus, Stallungen für Pferde und Rinder, das Brauhaus, Futterböden, Kälberställe, Gesindekammern, Magazine und Wirtschaftsschuppen. Die genaue Anzahl und Bauweise dieser Gebäude, die bis in die Zahl der Dachluken, der Fensterbeschläge und der Krippen beschrieben werden, lässt auf einen hochorganisierten, arbeitsteilig geführten Betrieb schließen, der alle zentralen Funktionen eines barocken Gutshofes erfüllt: Landwirtschaft, Tierhaltung, Brauwesen, Vorratswirtschaft und Personalverwaltung.

Besonders bemerkenswert ist die eigenständige Voigtswohnung, die sich am Eingang des Gutes befindet. Diese bauliche Setzung – eine repräsentative Wohnung für den Gutsverwalter unmittelbar an der Schwelle zwischen öffentlichem und privatem Raum – verweist auf die Bedeutung der lokalen Verwaltungsebene und auf den Wunsch nach Sichtbarkeit und Kontrolle. Der Voigt war der erste Repräsentant der Herrschaft gegenüber der dörflichen Gemeinschaft, und seine bauliche Position unterstreicht diese Rolle.

Die Existenz einer eigenen Gefängniskammer innerhalb der Voigtswohnung unterstreicht die rechtlich-administrative Autonomie, die einem Rittergut im 18. Jahrhundert zukam. Die Quelle spricht ausdrücklich von einer „kleinen Gefängniß-Kammer oder der Arrest“, ausgestattet mit einem Fenster, einer hölzernen Tür, eisernem Riegel und Vorhängeschloss. Diese bauliche Ausformung belegt, dass dem Voigt – dem vom Gutsherrn eingesetzten Verwalter – nicht nur wirtschaftliche, sondern auch justizielle Befugnisse oblagen. Als Vertreter des Niedergerichts konnte er kurzfristige Haftstrafen oder Arrest zur Disziplinierung des Gesindes oder zur Durchsetzung von Hofordnungen verhängen. Die räumliche Nähe von Wohn- und Arrestbereich innerhalb derselben baulichen Einheit verweist auf eine Herrschaftspraxis, in der Aufsicht, Verwaltung und Sanktion eng miteinander verbunden waren. Das Gut fungierte somit nicht nur als Produktionsort, sondern auch als Mikrosystem obrigkeitlicher Kontrolle mit eigenem Vollzugsapparat.

Die architektonische Struktur des Gutes folgt einem modularen Prinzip, bei dem zentrale Funktionen jeweils in gesonderte Bauten ausgelagert sind. So befindet sich das Brauhaus nicht etwa als Kammer im Wohnhaus, sondern als spezialisierter Bau mit eigenem Keller, eingemauerter Kupferpfanne, Darrofen, Rauchhaube und differenzierter Hitzeverteilung über eisernblecherne Röhren. Ähnlich sind die Ställe nach Tierart und Altersgruppe getrennt – Kälberställe, Pferdeställe, Schweineställe, Gänseställe – und verfügen jeweils über eigene Vorrichtungen, Türen, Krippen und Futtereinrichtungen. Diese Aufteilung schafft nicht nur funktionale Effizienz, sondern auch eine klare soziale Codierung des Hofraumes.

Nicht minder bedeutsam ist der Einbezug gärtnerischer und landwirtschaftlicher Flächen in die Gesamtanlage. Mehrere Gärten – darunter ein Obstgarten mit über 200 genannten Bäumen verschiedener Sorten, ein Nutzgarten mit Kohl-, Spargel- und Artischockenbeeten sowie ein Fischteich – erweitern das Gut über seine ökonomische Funktion hinaus zu einem autarken Produktionsraum mit saisonal abgestimmten Versorgungsstrukturen. Die Einfriedungen durch Mauern, Zäune und Stackettüren, die mehrfach im Text betont werden, schaffen nicht nur Schutz, sondern vor allem Ordnung und Lesbarkeit des Raumes – eine typische Strategie barocker Landschaftsgestaltung im kleinstmaßstäblichen Maß.

In der Summe ergibt sich das Bild eines geschlossenen, hochgradig strukturierten Wirtschaftshofs, dessen bauliche Anordnung sowohl rationaler Logik als auch sozialer Repräsentation folgt. Jedes Gebäude, jeder Zugang, jede Treppe, jede Luke ist Teil eines größeren Systems, das die Effizienz des Betriebs sicherstellen, aber auch die Stellung der Herrschaft, die Präsenz der Verwaltung und die Disziplinierung der Untertanen architektonisch zur Geltung bringen soll. Dieses Prinzip wird schließlich durch die baulich abgesetzte Herrschaftsinsel mit dem „herrschaftlichen Haus“ noch gesteigert.

Das Wohnhaus auf dem Hof: Verwaltung und Bewirtschaftung

Das zentrale Wohnhaus im Wirtschaftshof von Gut Vergunst diente im Jahr 1738 nicht der adeligen Repräsentation, sondern war das funktionale Zentrum der Bewirtschaftung und Verwaltung des gesamten Gutsbetriebs. Es wird im Inventarium, aufgenommen von Notarius Adam Heinrich Bartels, als erstes Gebäude nach dem Einlass auf das Gut beschrieben und nimmt innerhalb der Gesamtanlage eine vermittelnde Rolle ein: einerseits Wohnstätte des Voigts oder Pächters, andererseits das administrative Rückgrat des Betriebs.

Der Standort des Hauses ist präzise angegeben: „Das Wohnhaus ist linker Hand des Einganges auf dem Gute.“ Die bauliche Beschreibung lässt ein zweigeschossiges Fachwerkgebäude mit massivem Sockel erkennen, errichtet „von 12 Verbind, übersetzt von eichenen Säulen und Schwellen, zweimal verriegelt“, wobei die „Fache mit Backsteinen ausgemauert“ und das gesamte Gebäude „unter einem Ziegeldach mit 2 ausgeführten Schornsteinen“ errichtet ist. Diese technische Beschreibung zeugt von einem typischen barocken Gutshaus mittlerer Größe, das funktionale Stabilität mit einer gewissen ständischen Repräsentation verbindet. Ein Foto aus dem 20. Jahrhundert zeigt dieses Gebäude noch im Zustand des 18. Jahrhunderts: ein zweigeschossiger Fachwerkbau mit massivem Sockel und Ziegeldach, mit flankierenden Stallbauten – und entspricht damit exakt der Inventarbeschreibung.

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Aufnahme des Wohnhauses von Gut Vergunst im 20. Jahrhundert

Die Innenräume des Hauses werden in großer Ausführlichkeit beschrieben. Es verfügte über eine Haustür „von Tannen mit eichener Füllung, blau und weiß angestrichen“, die über zwei Tritte „von aufgemauerten und mit Eisenklammern befestigten Steinen“ zu erreichen war. Im Erdgeschoss befanden sich eine „Küche mit ihren beyden Fenstern“, eine große Stube mit drei Fenstern, ein Kabinett, eine Kammer, eine Vorratskammer, ein gewölbter Keller, ein Herd und eine Speisekammer. Der Fußboden war teils aus Dielen, teils aus eingefugtem Ziegel. Die Räume waren „mit Kalk berastet und getüncht“, die Decken aus Holzbalken oder Brettern, in einigen Fällen „mit Brettern gefeldert“.

Besonders hervorzuheben ist der detaillierte Zustand der Türen und Fenster. Jedes Fenster ist mit „Fensterläden, eisernen Bändern, Scharnieren, Riegeln und Verschlüssen“ versehen, was auf ein hohes Maß an Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit hinweist. Die Türen sind ebenfalls mehrfach gesichert und mit Schlössern und „Kupferdrückern“ ausgestattet. Auch die Treppe ins Obergeschoss wird beschrieben: „Die hölzerne Treppe hat 15 aufrecht gehauene Tritte, ein Geländer mit 2 Pfosten und ist in die Wand eingelassen.“

Das Obergeschoss wurde sowohl wohnlich als auch wirtschaftlich genutzt. Dort befand sich ein Saal mit vier Fenstern, mehrere Kammern, eine Gesindestube, eine Rauchkammer mit Zugöffnung sowie der Zugang zum ausgebauten Bodenraum, in dem weiteres Personal oder Vorräte untergebracht wurden. Das Dachgeschoss selbst war durch zwei Giebelluken und eine Seitentür erschlossen und konnte über eine zweite Treppe vom Flur aus erreicht werden.

Der Raumabschluss war funktional, aber vollständig. So heißt es etwa: „Sowohl auf dem Boden als auch im Keller befinden sich Auflager, Balken, Haken und eiserne Ringe zur Befestigung von Geräten und Vorräten.“ Besonders auffällig ist die detaillierte Aufzählung kleinster Elemente, wie z. B. „ein eiserner Haken mit Ring unter dem ersten Pfosten, woran eine Schweinswage gehangen“, oder „ein kleiner eiserner Kloben, ingleichen zwei eiserne Krampe zur Riegelstange an der Gesindestube“.

Das Haus war nicht nur Wohn- und Schlafstätte des Verwalters oder Pächters, sondern zugleich Zentrum der buchhalterischen und praktischen Verwaltung. Nebenräume dienten der Lagerung von Akten, Geräten und Lebensmitteln, während die Gesindestube mit Ofen, Fenster, Bettstellen und Truhen belegt war. Eine Rauchkammer mit Balken zum Aufhängen des Fleisches, eine Gewölbekammer für Getreide und ein abgeschlossener Keller für Wein oder Bier zeigen die innere Struktur einer kleinen Verwaltungseinheit, die eigenständig operieren konnte.

Das Bild, das sich aus dem Inventar ergibt, ist das eines klar gegliederten, hochfunktionalen Wohn- und Wirtschaftsbaus, der dem standesgemäßen Leben eines Gutsverwalters ebenso genügte wie den praktischen Erfordernissen des laufenden Betriebs. Das Wohnhaus im Wirtschaftshof war damit integraler Bestandteil der frühneuzeitlichen Verwaltungsarchitektur – weniger Ort der Repräsentation als vielmehr Schaltstelle zwischen ökonomischem Betrieb und obrigkeitlicher Kontrolle. Seine exponierte Lage, die solide Bauweise und die detaillierte Ausstattung machen es zu einem authentischen Zeugnis der gutsherrlichen Alltagswelt in der Altmark des 18. Jahrhunderts.

Das „Herrschaftliche Haus“: Exklusive Residenz und symbolische Distanz

Während das Wohnhaus im Wirtschaftshof dem praktischen Betrieb und der Verwalterwohnung diente, markiert das sogenannte „Herrschaftliche Haus“ innerhalb der Gutsanlage Vergunst einen bewusst separierten Raum adliger Präsenz. 

Innerhalb der Gutsanlage Vergunst nimmt das sogenannte „Herrschaftliche Haus über der Brücke“ eine Schlüsselstellung ein – nicht allein wegen seiner architektonischen Ausstattung oder seiner Funktion als adlige Residenz, sondern vor allem wegen seiner Insellage (in der Karte I) innerhalb eines Teiches, die auf mittelalterliche Bauformen zurückgeht und im 18. Jahrhundert eine neue, symbolisch aufgeladene Bedeutung erhielt. Diese Lage wurde nicht durch spätere barocke Planung geschaffen, sondern stellt die kontinuierliche Nutzung einer älteren, verteidigungsorientierten Struktur dar, wie sie typisch für Niederungsburgen des späten Mittelalters war. Das Inventarium von 1738 beschreibt dieses Gebäude unmissverständlich als räumlich und funktional getrennt:

„Das Herrschaftliche Haus über der Brücke, dahinter ist ein großer Teich (NB: dieses Haus hat der Pächter nicht mit zum Gebrauch und gehet ihm alß nichts an).“

Diese Formulierung ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Zum einen verweist sie auf die faktische Trennung von herrschaftlicher Residenz und verpachteter Wirtschaftseinheit – eine Differenz, die nicht nur funktional, sondern auch topographisch vollzogen ist. Zum anderen bezeugt sie den Status dieses Hauses als exklusives Eigentum des Gutsherrn Christoph Daniel von der Schulenburg, das in keiner Weise Bestandteil der an den Pächter übergebenen Bewirtschaftung war. Es ist das bauliche Pendant zum fideikommissarisch gesicherten Familienbesitz.

Die Lage des Hauses auf einer eigenen abgegrenzten Insel verweist auf ältere Verteidigungsarchitektur: Schon im 14. und 15. Jahrhundert wurden ritterschaftliche Sitze in der Altmark häufig in sumpfigen Niederungen oder auf künstlich geschaffenen Inseln angelegt. Diese lagen inmitten eines Teiches oder von Entwässerungsgräben umgebenen Plateaus – weniger als Trutzburgen denn als befestigte Wohnsitze, die sich durch ihre schwierige Zugänglichkeit und natürliche Barrierewirkung vor Überfällen und Übergriffen schützen sollten. Die Quellenlage zu Vergunst legt nahe, dass diese Anlageform auch hier vorlag: Die Brücke, die das herrschaftliche Haus mit dem übrigen Gutshof verband, diente ursprünglich nicht nur dem Zugang, sondern war Teil eines Sicherheitskonzepts, das durch bewusst geschaffene Engstellen Kontrolle und Abgrenzung ermöglichte.

Im Laufe der Jahrhunderte verlor diese Wasserumwehrung ihre militärische Funktion, wurde aber – wie in Vergunst – als architektonisches Zeichen sozialer Differenz aufrechterhalten. Der Graben blieb bestehen, die Brücke wurde erneuert, und das Herrenhaus selbst erfuhr bauliche Überformung im Stil des späten 17. oder frühen 18. Jahrhunderts. Aus der Schutzinsel war ein symbolischer Ort der Herrschaft geworden – kein Wehrbau mehr, sondern ein architektonischer Ausdruck von Exklusivität und genealogischer Kontinuität.

Der Zugang über die Brücke trennte nicht nur die wirtschaftliche Sphäre (Ställe, Brauhaus, Verwalterwohnung) vom repräsentativen Zentrum, sondern codierte auch die soziale Hierarchie im Raum. Im Unterschied zum offen zugänglichen Wirtschaftshof war der Eintritt in das Herrschaftliche Haus limitiert – kein Pächter, kein Gesinde hatte Zutritt, es sei denn auf ausdrückliche Anweisung. Die Insellage machte aus dem Herrenhaus einen Ort der Distanz, Souveränität und Eigentumssouveränität, und dies in unmittelbarer räumlicher Nähe zur produktiven Betriebsamkeit des Guts.

Das Gebäude selbst wird im Inventar in auffallend sachlicher, aber dennoch deutlicher Sprache beschrieben. Es ist ein Massivbau mit 15 Verbind, vollständig aus Backstein auf massivem Fundament errichtet und gedeckt mit einem Ziegeldach, das von „Biberschwanzziegeln“ und einem umlaufenden Kranz aus Hohlziegeln eingefasst war. Die Fenster sind doppelflügelig, mit „versinnten eisernen Bändern, Haken, Scheiben, Riegeln und Schlüsseln“ versehen, die Türen mit zweifachen Drückern und aufwendigen Kastenschlössern ausgestattet. Vor dem Haupteingang befinden sich zwei aufgemauerte Steinstufen, „mit Eisenklammern befestigt“, ein Detail, das sowohl Stabilität als auch repräsentative Wirkung vermittelt.

Die Innenräume des Hauses, so die Quelle, sind mit Kammern, Kabinetten, Stuben, Saal, Küche und Gesindestube ausgestattet. Besonders hervorgehoben wird ein Raum mit Sandsteinfußboden und eine mit Holz ausgeschlagene Wandvertäfelung – Elemente, die auf eine gehobene Ausstattungsqualität hinweisen. Die Gesindestube besaß ein eigenes Fenster, ein Ofenloch mit Eisenplatte, eine Rauchabzugsöffnung sowie eine abschließbare Tür mit eigenem Schloss. Solche Details deuten auf eine Dienstbotenstruktur hin, die auf Aufenthalt in herrschaftlicher Nähe ausgelegt war, etwa bei kurzzeitigen Besuchen des Gutsherrn.

Im Obergeschoss fanden sich mehrere Abseitenkammern, ein Boden mit zwei Giebelluken, ein verschließbarer Speicherraum und eine gewölbte Kelleranlage. Auch hier werden die Details penibel vermerkt – vom eisernen Türkloben über die Wasserrinne an der Dachtraufe bis zur Schweinswage im Türrahmen. Die präzise Erfassung dieser Ausstattungsmerkmale belegt den repräsentativen und zugleich technisch fortgeschrittenen Charakter des Hauses.

Wichtig ist, dass dieses Gebäude nicht regelmäßig bewohnt, aber in betriebsbereitem Zustand gehalten wurde. Es fungierte damit als maison de plaisance, als Landsitz im engeren Sinne, der vorgehalten wurde für Anwesenheiten des Gutsherrn – sei es zur Kontrolle, zur Sommerfrische oder als Symbol der ständigen Präsenz adliger Herrschaft in einem ansonsten verpachteten System. Diese Praxis war im 18. Jahrhundert weit verbreitet: Die ständige Repräsentation erfolgte nicht durch Alltag, sondern durch bauliche Verfügbarkeit.

Zusammenfassend markiert das Herrschaftliche Haus in Vergunst eine Raumfigur exklusiver Adelsarchitektur auf dem Land. Es ist nicht Teil der täglichen Betriebsführung, sondern Inbegriff symbolischer Autorität. Seine Lage jenseits des Grabens, die hochwertige Ausführung, die Eigenständigkeit gegenüber dem Pachtgut und die Repräsentationsarchitektur bezeugen eindrücklich, wie sehr Herrschaft im frühneuzeitlichen Gutssystem nicht nur durch Besitz und Verwaltung, sondern durch Sichtbarkeit, bauliche Trennung und architektonische Codierung hergestellt wurde. 

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KI Rekonstruktion herrschaftliches Haus und Küchengebäude von Gut Vergunst

Küchengebäude

Das kleinere Nebengebäude auf der Insel (I), nördlich des herrschaftlichen Wohnhauses gelegen, wird im Inventar von 1738 zwar nicht als eigenständiger Bau bezeichnet, doch lässt sich seine Existenz aus den funktionajlen Beschreibungen eindeutig ableiten. Mehrfach ist von einer Küche mit angeschlossenen Kammern, einem Gang, einer separaten Treppe zum Boden sowie weiteren Nebenräumen die Rede, die räumlich nicht vollständig innerhalb des Hauptgebäudes unterzubringen wären. Besonders die Passage „Hinter der Küche ist ein Gang, aus welchem eine alte, schlechte, nichts mehr taugende Treppe von tannenen Stufen zum Boden führet“ legt nahe, dass zumindest ein Teil dieser Wirtschaftsfunktionen in einem angrenzenden oder ausgelagerten Gebäude untergebracht war. Die Kartendarstellung bestätigt diese Interpretation, indem sie neben dem herrschaftlichen Haus ein zweites, kleineres Gebäude zeigt – typologisch passend für ein Küchen- und Wirtschaftsgebäude. Es diente vermutlich der Vorbereitung von Speisen, der Vorratshaltung und möglicherweise der Unterbringung von Personal während temporärer Aufenthalte des Gutsherrn. Die bauliche Trennung solcher Funktionsbereiche entsprach nicht nur praktischen Erwägungen, sondern folgte auch dem Repräsentationsanspruch barocker Gutsherrschaft, die zwischen herrschaftlichem Wohnen und dienender Arbeit eine klare architektonische Grenze zog.

Garten, Graben und Gutsgliederung

Neben den zentralen Bauten – Wohnhaus, Stallungen, Brauhaus und Herrschaftshaus – beschreibt das Inventarium des Ritterguts Vergunst vom 4. Juli 1738 eine Vielzahl weiterer Elemente, die das Gut nicht nur funktional, sondern auch landschaftlich und symbolisch gliederten. Besonders auffällig ist, wie stark sich die Gestaltung von Gärten, Wassergräben und Einfriedungen in den Dienst einer übergeordneten räumlichen Ordnung stellte – eine Ordnung, die nicht bloß ökonomisch, sondern auch herrschaftlich codiert war.

Der Bericht nennt zwei Gärten innerhalb der Anlage: einen großen Obstgarten und einen Küchengarten. Der Obstgarten war systematisch bepflanzt mit einer beachtlichen Zahl von Bäumen: „36 Apfelbäume, 24 Birnbäume, 9 Kirschbäume, 11 Pflaumenbäume, 3 Aprikosen, 2 Maulbeerbäume und 3 Nußbäume.“ Diese Auflistung ist mehr als eine Bestandsaufnahme. Sie bezeugt eine bewusste, standesgemäße Gartenkultur, wie sie in der Gutsherrschaft der Frühen Neuzeit üblich war. Obstgärten dienten nicht nur der Versorgung, sondern waren Ausdruck kultivierter Lebensführung. Sie standen – mit ihrer Mischung aus Nützlichkeit und gepflegter Natur – für eine idealisierte Form von Ordnung und Eigentum. Die Anlage war eingefasst mit „Stakettüren, Pfählen und Flechtzäunen“, die Zutritt und Bewegung kontrollierten und die Differenz zwischen privatem Nutzraum und öffentlichem Zugang markierten.

Der zweite Garten, der Küchengarten, war mit Gemüse und Heilpflanzen bestellt: „4 Reihen Kohl, 2 Reihen Spargel, Beete mit Artischocken, Mohrrüben, Dill, Zwiebeln, Petersilie, Lavendel und Himbeeren.“ Auch hier ist die Mischung aus ökonomischem Nutzen und gärtnerischer Gestaltung auffällig. Es handelt sich nicht um ein freies Stück Acker, sondern um ein in sich abgeschlossener Bereich mit genau umrissener Funktion – gepflegt, abgegrenzt und kontrolliert. Solche Gärten gehörten zu jedem repräsentativen Gutshof und stellten die Verbindung zwischen Haushaltung und kontrollierter Natur her. Auch sie standen unter dem Zeichen der Ordnung.

Eine besondere Rolle innerhalb der Gesamtanlage spielt der Wassergraben, der den Herrschaftsteil des Gutes von der übrigen Fläche absetzte. Bereits im Inventar wird dieser als physische wie symbolische Trennung hervorgehoben: „Das herrschaftliche Haus über der Brücke, dahinter ist ein großer Teich.“ Der Graben selbst war nicht bloß ein Entwässerungssystem, sondern ein Erbe aus der spätmittelalterlichen Anlageform und zugleich eine barocke Chiffre für Exklusivität. Die Anlage eines Wasserhindernisses, das nur über eine Brücke überwunden werden konnte, manifestierte sichtbar die hierarchische Ordnung zwischen den Sphären der Wirtschaft und der Herrschaft. Der Teich (in der Karte X) dabei nicht nur der Trennung, sondern hatte auch praktische Funktion: Er war, wie es in der Quelle heißt, „mit Rohr bewachsen, verschlammt, aber mit Fischen besetzt“ – ein sogenannter Fischhälter, also ein Gewässer zur Vorratshaltung lebender Fische. Die Verbindung von Teich, Graben und Garten verweist somit auf ein komplexes System ökologischer und sozialer Logik.

Auch das übrige Gelände war klar strukturiert. Die Gebäude standen in definierten räumlichen Relationen zueinander: Die Stallungen lagen in U-Form um den Wirtschaftshof, das Brauhaus an der westlichen Flanke nahe der Seihkuhle, das Magazin und die Futterkammern in rückwärtiger Lage, mit Zugang zu den Feldern. Der Hof selbst war auf zwölf Schritt Breite „mit Feldsteinen gepflastert“, wodurch nicht nur eine Drainagewirkung, sondern auch eine optische Gliederung erreicht wurde. Vor dem Wohnhaus lagen zwei aufgemauerte Sandsteinstufen mit eingelassener Eisenklammer – ein Zeichen für Dauerhaftigkeit und bewusste Gestaltung.

Die Gesamtstruktur von Vergunst folgt einem konsequent hierarchischen Prinzip: Im äußeren Bereich liegen Felder, Waldstücke und Wasserflächen, dann folgt der Wirtschaftshof mit seinen funktional ausgerichteten Bauten, der wiederum durch Gartenanlagen und Einfriedungen gegliedert ist. Im Zentrum – jedoch räumlich und durch den Graben abgesetzt – steht das Herrschaftshaus auf der Insel. Diese Ordnung visualisiert nicht nur den Weg vom „Außen“ zum „Innen“, sondern auch die soziale Staffelung der Gutsgesellschaft: von der Landschaft über die Arbeit zum Eigentum, vom Gemeinen zur Exklusivität.

Diese Art der Gutsgliederung war typisch für den märkischen und norddeutschen Adel des 17. und 18. Jahrhunderts. Sie kombinierte älteste Strukturen – wie Insel- und Grabenlagen aus der Spätzeit der Niederungsburgen – mit neuen rationalistischen Ordnungsidealen der Aufklärung, in denen jede Funktion ihren Ort, jede soziale Rolle ihren Raum, jeder Zugang seine Schranke hatte. In Vergunst ist dieses System mit seltener Klarheit überliefert – als geordnete, befestigte und umhegte Welt der Landesherrschaft im Kleinen.

Materielle Kultur und Ausstattungsniveau

Das Inventarium von 1738 überliefert nicht nur die Baugestalt und Funktion der Gebäude des Guts Vergunst, sondern gewährt auch einen tiefen Einblick in die materielle Kultur eines altmärkischen Gutsbetriebs im frühen 18. Jahrhundert. Die Dichte und Konkretheit der Objektbeschreibungen erlaubt es, das Alltagsleben auf dem Gut bis in die Details der Ausstattung, Arbeitsmittel und Vorratshaltung hinein zu rekonstruieren – von den Wohnräumen über die Wirtschaftseinrichtungen bis hin zur technischen Infrastruktur.

In den Wohn- und Arbeitsräumen finden sich zahlreiche Hinweise auf den Lebensstil der Verwalter- und Gesindeschicht. So wird etwa in der Gesindestube „eine hölzerne Bank, ein Tisch, zwei hölzerne Bettstellen mit Strohsäcken, eine Truhe mit eisernem Schloß und eine eiserne Krampe zur Riegelstange“ aufgeführt. Diese Ausstattung lässt auf einfache, aber solide Verhältnisse schließen. Die Truhe – verschließbar mit Schloss – diente sowohl als Aufbewahrungsmöbel als auch als persönlicher Besitzschutz, während die Betten mit Strohfüllung auf die Standeszugehörigkeit des Gesindes verweisen. Die Erwähnung eines Spinnrads, das sich „in der Kammer über der Küche“ befand, zeigt, dass auch textile Eigenproduktion Teil der hauswirtschaftlichen Tätigkeit war.

Die Arbeitsräume – insbesondere Brauhaus, Stallungen und Magazin – sind mit spezifischen Werkzeugen und Geräten ausgestattet. So nennt das Inventar im Brauhaus u. a. „eine große kupferne Braupfanne, ein gemauerter Darrofen mit eiserner Rauchhaube, drei Gärtonnen, ein eiserner Schieberost und eine hölzerne Ausschöpfkelle“. Diese präzise Nennung der Braugeräte belegt nicht nur die technische Organisation des Guts, sondern auch den Grad der Spezialisierung – insbesondere im Bereich der Eigenversorgung mit Bier, das zu den Grundnahrungsmitteln zählte. Der kupferne Braukessel etwa war ein hochpreisiger Gegenstand, dessen Anschaffung ein gewisses Kapital erforderte und dessen Wert im Inventar eigens vermerkt wurde.

Auch die Stallanlagen sind reich ausgestattet: Neben Krippen, Futterraufen und Stallgittern werden „zwei eiserne Haken zur Befestigung von Geschirren“, „eine Schweinswage mit Seil“, „ein eiserner Pflug mit Rädergestell“, „Schubkarre, Holzharke, Hufnagelbrett und Mistgabel“ genannt. Diese Gegenstände verdeutlichen, dass sich das Gut auf umfangreiche Tierhaltung stützte und über die Mittel verfügte, Werkzeuge für Reparatur und Hofarbeit dauerhaft vor Ort vorzuhalten. Besonders bemerkenswert ist, dass selbst einfache Geräte wie Schaufeln, Maßgefäße, Wassereimer, Schlauchbänder und Holzleitern dokumentiert wurden – teils mit Materialangaben (z. B. „aus Erlenholz“, „mit eisernen Bändern beschlagen“), teils mit ihrem Zustand („gebraucht, aber brauchbar“, „neu gefertigt“). Diese Genauigkeit ermöglicht Rückschlüsse auf den Zustand der Ausstattung und den Standard der Instandhaltung.

Die Beschreibung des Magazins – vermutlich als zentraler Lagerraum für Vorräte – umfasst auch Teile der Vorratswirtschaft. So werden „ein mit eiserner Kette befestigter Sackhaken“, „drei Scheffelmaß, eichamtlich geschlagen“, und „eine eichene Korntruhe mit abschließbarem Deckel“ genannt. Diese Einträge zeigen, dass die Lagerung und Abmessung von Getreide und anderen Vorräten rechtlich standardisiert und unter Kontrolle gehalten wurde – ein weiterer Hinweis auf das obrigkeitlich regulierte Wirtschaftsmodell des Guts.

Nicht zuletzt sei auf die baulichen Details der Innenausstattung hingewiesen. Türen mit „Kupferdrückern“, Fenster mit „versinnten eisernen Bändern“, Treppen mit „eingelassenen eichenen Geländern“ oder „Sandsteinplatten vor der Haustür mit Eisenklammer“ zeigen, dass auch im handwerklichen Detail Wert auf Dauerhaftigkeit und symbolische Qualität gelegt wurde – selbst bei Gebäuden, die nicht der Repräsentation dienten. Es handelt sich hierbei nicht um bäuerliche Einfacharchitektur, sondern um eine bewusst geordnete, gut gepflegte Gutswelt mit einem mittleren bis hohen Ausstattungsniveau.

Insgesamt dokumentiert das Inventar eine materielle Kultur, die durch Beständigkeit, Gebrauchsfähigkeit und Ordnung geprägt ist. Die Dinge sind nicht luxuriös, aber funktional und oft robust gefertigt – Ausdruck einer Welt, in der Besitz sichtbar, Verwaltung konkret und Herrschaft durch Dinge ebenso gestützt wurde wie durch Räume. Das Gut Vergunst erscheint damit als gut organisierte Einheit frühneuzeitlicher Agrarwirtschaft – mit einem eigenständigen Ensemble an Objekten, die nicht nur Werkzeuge waren, sondern Träger von Status, Ordnung und disziplinierter Arbeit.

Wirtschaftsstruktur und Produktionslogik

Das Rittergut Vergunst war im Jahr 1738 ein voll entwickelter, arbeitsteiliger Agrarbetrieb, der sämtliche Merkmale einer gutsherrlichen Eigenwirtschaft aufwies. Die Quelle dokumentiert in eindrucksvoller Dichte die funktionale Infrastruktur, die zur Bewirtschaftung eines Guts mittlerer Größe erforderlich war – einschließlich Stallanlagen, Brauerei, Futter- und Vorratswirtschaft, Gärten sowie wassertechnischer Anlagen. Damit bietet das Inventar einen selten vollständigen Einblick in die Produktionslogik einer adligen Grundherrschaft in der Altmark während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Zentraler Bereich der landwirtschaftlichen Nutzung waren die Stallungen, die sich hufeisenförmig um den gepflasterten Wirtschaftshof gruppierten. Für die Tierhaltung waren gesonderte Gebäude vorhanden: ein Pferdestall, ein Kuhstall, ein Kälberstall, ein Schweinestall sowie ein separater Gänsestall. Diese Differenzierung zeigt, dass das Gut sowohl zur Versorgung mit Milch, Fleisch und Arbeitskraft als auch zur Reproduktion von Viehhaltung ausgelegt war. Die Ausstattung der Stallungen wird detailliert aufgeführt – etwa „Krippen aus Eichenholz“, „Futterraufen“, „Einstreu aus Roggenstroh“, „Halteringe aus Eisen“ und „Balkenkonstruktionen zur Heulagerung im Obergeschoss“ – was auf eine durchorganisierte Tierwirtschaft mit saisonaler Lagerhaltung und klaren Abläufen verweist.

Ein besonderer Schwerpunkt lag auf dem Bereich des Brauwesens, das im ländlichen Gutssystem nicht nur für die Eigenversorgung der Haushalte und des Gesindes, sondern auch als wirtschaftlicher Faktor bedeutend war. Das Brauhaus in Vergunst war mit einem gemauerten Darrofen, einer kupfernen Braupfanne, einer Rauchhaube, einem eisernen Schieberost sowie mehreren Gärbottichen ausgestattet. Ergänzt wurde diese Braueinrichtung durch eine Seihkuhle, in der offenbar mit natürlichen Mitteln geklärt oder abgekühlt wurde – ein technisches Detail, das selten überliefert ist. Diese Anlage war nicht improvisiert, sondern Ausdruck einer vollständig etablierten, rechtlich gesicherten Braupraxis, wie sie typisch für ritterschaftliche Gutsbetriebe war, die das Braurecht innerhalb ihres Territoriums autonom ausübten.

Ein weiterer zentraler Aspekt der Produktionslogik war die Vorrats- und Futterwirtschaft. Die Quelle nennt mehrere Futterkammern, Heuböden, Korntruhen und Maßgefäße. Im Magazin befanden sich „eichene Kornkästen“, „eine hölzerne Messbank mit eingeschnittenem Viertelmaß“, sowie Geräte zur Umfüllung und Wiegung wie „Sackhaken, Scheffelmaß, Kornschaufel, eiserne Spindelwage“. Das deutet auf eine agrarische Betriebsweise mit hohem Organisationsgrad hin, bei der Getreidevorräte nicht nur zur Aussaat, sondern auch zur Pachtberechnung, Versorgung des Gesindes und als Verrechnungsgröße gegenüber dem Gutsherrn dienten. Dass alle Maße als „eichamtlich geschlagen“ bezeichnet werden, verweist auf ihre rechtliche Normierung – ein Beleg für die Integration der Gutswirtschaft in überlokale Verwaltungs- und Abgabenstrukturen.

Auch der Aspekt der Saisonlogistik ist in der Quelle implizit enthalten. Die Erwähnung von Brennholzlagern, Holzhaufen in der Nähe des Back- und Brauhauses, separaten Trögen für Winterfutter sowie Reserveeinstreu im Dachraum zeigt, dass der Betrieb auf mehrmonatige Vorratshaltung ausgelegt war – ein zentraler Unterschied gegenüber bäuerlichen Betrieben, die meist unter saisonalem Druck arbeiteten.

Neben der reinen Versorgung spielte die Verwertung tierischer Erzeugnisse eine Rolle: im Inventar erscheinen Geräte zur Schlachtung und Verarbeitung, darunter eine „Schweinswage mit eiserner Kette“, ein „Salzbottich“, Haken zum Aufhängen von Fleisch und eine Räucherkammer im Obergeschoss des Wohnhauses. Diese Indizien legen nahe, dass das Gut Vergunst nicht nur auf Primärproduktion, sondern auch auf Konservierung und Weiterverarbeitung ausgerichtet war – eine typische Kennzeichnung frühneuzeitlicher Gutsökonomie.

Die Gärten ergänzen dieses Bild. Mit Nutzpflanzen wie Spargel, Artischocken, Kohl, Möhren, Zwiebeln, Lavendel und Himbeeren belegen sie eine ganzjährig orientierte, diversifizierte Produktion, die sowohl zur direkten Versorgung als auch zum Verkauf oder zur Vorratshaltung geeignet war. Obstbäume – insbesondere Apfel, Birne, Kirsche, Pflaume, Aprikose und Maulbeere – erweiterten das Sortiment um frische und verarbeitbare Nahrungsmittel. Die klare Einfriedung der Gärten, ihre Ausstattung mit Staketenzäunen und Gartentüren mit Riegeln verweisen auf ihren formellen Status als herrschaftlich organisierter Wirtschaftsraum.

In der Gesamtschau erscheint Gut Vergunst als komplexer, agrarischer Vielzweckbetrieb mit klarer Organisation, arbeitsteiliger Struktur und mittelfristiger Lagerwirtschaft. Es war nicht auf kurzfristige Rentabilität angelegt, sondern auf nachhaltige Bewirtschaftung im Rahmen einer umfassenden Haus- und Gutswirtschaft. Das Inventar von 1738 belegt eindrücklich, wie sehr ein solcher Betrieb zugleich ein wirtschaftliches, juristisches und technisches System war – eingebunden in herrschaftliche Strukturen, aber tief verwurzelt in der materiellen Lebenswelt des ländlichen Raums.

Räumliche Einhegung und Sicherheitsarchitektur

Das Inventar des Guts Vergunst offenbart nicht nur die ökonomische Organisation des Betriebes, sondern auch eine durchdachte und allgegenwärtige Strategie der Einfriedung, Zugangskontrolle und inneren Disziplinierung. Die Quelle ist reich an Angaben zu Toren, Zäunen, Riegeln, Türbeschlägen und Schlössern – Hinweise auf ein räumliches System, das nicht allein funktionalen Zwecken diente, sondern vor allem der sozialen Steuerung und Herrschaftssicherung. Der Raum des Guts war kein offener Arbeitsort, sondern eine in sich geschlossene, klar gegliederte Welt mit kontrollierten Bewegungsflüssen, Sichtachsen und Zutrittsgrenzen.

Bereits am Eingang zur Anlage wird dies deutlich: Der Zugang erfolgt laut Inventar „durch ein großes eichernes Tor mit eisernen Bändern, Ringen, Haken und einer verschließbaren Querstange“, flankiert von Pfosten mit metallbeschlagenem Kopf. Dieses Eingangstor markierte nicht nur die Schwelle zwischen Außenwelt und Gutsbereich, sondern symbolisierte auch die Kontrolle über Eigentum und Personenverkehr. Das Tor war nicht nur baulich massiv, sondern technisch so konzipiert, dass es durch „eine eiserne Zugvorrichtung von innen“ geöffnet und verschlossen werden konnte – ein Zeichen für die intendierte Einseitigkeit des Zutrittsrechts.

Auch innerhalb der Anlage waren nahezu alle Funktionsbereiche durch Einfriedungen, Gatter oder Türsysteme voneinander abgetrennt. Die Gärten etwa waren „mit Flechtzaun umgeben und mit zwei Stackettüren versehen, jede mit eisernen Scharnieren und einem Verschlußriegel“, sodass nicht nur Tiere, sondern auch unbefugte Personen ferngehalten werden konnten. Die Einzäunung dieser produktiven Flächen war Teil einer grundherrlichen Kontrolle über Ressourcenzugänge – wer Zugang zum Obst- oder Küchengarten hatte, war durch Status oder Funktion definiert.

Ein ähnlich ausgeprägtes Sicherheitssystem herrschte in den Stallungen. Jede Tür – sei es zum Kuh-, Pferde- oder Schweinestall – war „mit eisernen Bändern, Schließen und einem hölzernen oder metallenen Riegel“ versehen. In mehreren Fällen ist eigens vermerkt, dass der Schlüssel „dem Voigt eigen“ sei oder „in der Kette am Gürtel getragen werde“, was auf die formalisierte Zugangskontrolle auch innerhalb des Gutes selbst hinweist. Selbst die Seihkuhle – ein eigentlich marginaler Bereich – ist mit einem Zaun und einer Türe versehen. Die Materialwahl (Eiche, Eisen, gesickte Bleche) verweist auf Langlebigkeit, aber auch auf bewusste Abschreckung.

Besonders deutlich zeigt sich die Sicherheitsarchitektur im Zusammenhang mit dem herrschaftlichen Haus über der Brücke. Dieses Gebäude ist, wie mehrfach betont, nicht Bestandteil des Pachtgutes, sondern exklusiver Besitz der Gutsherrschaft. Die Brücke, die darüber führt, ist „mit seitlichen Holzgeländern und verschließbarem Tor am Ansatz zum Hof hin“ versehen. Der Zugang war somit nicht nur physisch begrenzt, sondern auch baulich kontrolliert. Das Haus selbst besitzt Türen mit mehrfachen Verriegelungen, darunter „ein Kastenschloß mit doppeltem Schlüssel und einem Kupferdrücker“ – weit aufwendiger als die Türsysteme des Verwalterhauses oder der Stallungen. Die symbolische und funktionale Trennung wurde also durch architektonische Mittel mit Nachdruck gesichert.

Auch innerhalb der Wohnräume wird die Sicherheitsstruktur durch Kleinteile sichtbar: Fenster sind mit „Krampen, Kloben und eisernen Riegelstangen“ versehen, Türläden mit innenliegenden Sperrbolzen. Die Präsenz von Haken, Riegeln und abschließbaren Vorratsschränken belegt, dass auch innerhalb der Gemeinschaft des Gutes Besitzschutz und Ordnung als notwendig galten – nicht zuletzt gegenüber dem eigenen Personal. Diese mikroarchitektonischen Elemente bezeugen eine stratifizierte Binnenordnung, bei der selbst innerhalb des geschlossenen Raums Rang und Zugriff klar reguliert waren.

Ein herausragendes Beispiel dafür ist die schon erwähnte Arrestkammer in der Voigtswohnung, die über „ein Fenster und eine hölzerne Tür mit eisernem Riegel und Vorhängeschloss“ verfügte. Hier wird baulich sichtbar, dass das Gut nicht nur Schutz gegen Außen bot, sondern auch Instrumente zur Disziplinierung nach innen bereithielt. Es war nicht nur Wohn- und Arbeitsort, sondern auch Vollstreckungsraum sozialer Ordnung.

In der Gesamtheit lässt sich das Gut Vergunst als streng organisierte, durch Mauern, Zäune, Schlösser und Riegel kontrollierte Raumstruktur begreifen. Diese Architektur der Einhegung war keine bloße Schutzmaßnahme gegen Tier oder Mensch – sie war Ausdruck einer sozialen Codierung des Raumes. Wer sich wann wo bewegen durfte, war geregelt, sichtbar und kontrollierbar. Das Gut als Produktionsort war zugleich ein Herrschaftsraum – geschlossen, strukturiert, diszipliniert. Seine Sicherheitsarchitektur war damit nicht nur funktional, sondern ein bauliches Manifest frühneuzeitlicher Ordnungsmacht.

Funktionale Kontinuität und genealogische Kontexte

Die Anlage Vergunst ist nicht allein ein Beispiel barocker Gutsherrschaftsarchitektur, sondern zugleich ein Ort genealogischer Kontinuität und dynastischer Repräsentation. Ihre strukturelle Ausprägung, die Trennung von Wirtschafts- und Herrschaftssphäre, die Insellage des Haupthauses und die bewahrte Eigenständigkeit innerhalb des Gesamtensembles von Angern spiegeln nicht nur bauliche Ordnungsprinzipien wider, sondern auch die historische Entwicklung innerhalb des Hauses von der Schulenburg. Das Inventar von 1738 dokumentiert einen Zeitpunkt, an dem Vergunst nach mehreren Generationen getrennter Bewirtschaftung wieder in die Hand der Hauptlinie übergeht – ein Moment von politisch-familiärer wie wirtschaftlicher Bedeutung.

Die Herkunft der Anlage lässt sich mindestens bis in das 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Seit dem Jahr 1448 war Vergunst ein eigenständiger Lehnsbesitz der älteren Linie der sogenannten „weißen Schulenburgs“, also des Zweigs, der auf Busso von der Schulenburg zurückgeht. Damals war das Territorium Angerns dreifach untergliedert: in den eigentlichen Burghof (mit dem befestigten Adelssitz), in den sogenannten Alten Hof (Alt-Hansens-Teil) und in die Vergunst. Diese Dreiteilung entsprach nicht einer ökonomischen Aufteilung, sondern spiegelte die Aufspaltung der Familie in drei Linien wider: auf Busso, Bernhard und Matthias zurückgehend, erbten diese jeweils einen Anteil, wobei jedem Teil Rechte an bestimmten Gebäuden, Grundstücken und Nutzungsarten zukamen.

Diese genealogische Fragmentierung war typisch für den altmärkischen Niederadel, der sein Eigentum nicht nach Primogenitur, sondern durch Realteilung vererbte. In der Praxis führte dies häufig zu einer zersplitterten Besitzlandschaft mit mehreren adeligen Sitzen innerhalb eines einzigen Dorfes. Auch in Angern bestanden über Jahrhunderte hinweg drei separate Wohn- und Verwaltungseinheiten, die sich eine gewisse Infrastruktur teilten – etwa die Jagdgründe, Teiche oder Braurechte – und gleichzeitig in Konkurrenz zueinander standen. Vergunst war innerhalb dieses Gefüges lange Zeit die repräsentativste Teilstruktur und Sitz der ältesten Linie.

Diese Konstellation änderte sich erst im 18. Jahrhundert, als Christoph Daniel von der Schulenburg – Angehöriger der „Bernhardschen Linie“, aber in brandenburgisch-preußischen und später sardischen Diensten zu großem Einfluss gelangt – bestrebt war, die zersplitterten Besitzverhältnisse in Angern zu konsolidieren. Im Jahr 1738 kaufte er die Vergunst aus dem Besitz der Beetzendorfer Linie (Nachfahren der älteren „Busso-Linie“) zurück. Der Kaufpreis betrug 50.000 Reichstaler, ein hoher Betrag, der die strategische Bedeutung dieses Erwerbs verdeutlicht. Mit diesem Schritt vollzog Christoph Daniel nicht nur eine wirtschaftliche Expansion, sondern auch eine symbolische Rückgewinnung dynastischer Einheit. Vergunst war damit nicht länger ein selbstständiges Rittergut einer Nebenlinie, sondern wurde Teil des zentralisierten Domänenkomplexes unter seiner Führung.

In der Geschichte des Hauses von der Schulenburg markiert der Kauf und die Integration von Vergunst durch Christoph Daniel einen Wendepunkt: Von der zersplitterten Feudallandschaft des 15. Jahrhunderts hin zur rationalisierten Gutsherrschaft des 18. Jahrhunderts. Das Inventar von 1738 dokumentiert diesen Moment mit ungewöhnlicher Klarheit. Es zeigt Vergunst als Raum, in dem sich wirtschaftliche Effizienz, repräsentative Bauweise und dynastische Selbsterzählung miteinander verbinden – ein Musterbeispiel für die „materialisierte Genealogie“ adliger Herrschaft in der ländlichen Frühmoderne.

Gut Vergunst um 1900

Bemerkenswert ist, dass trotz der ökonomischen Eingliederung die strukturelle Eigenständigkeit Vergunsts bis ins 20. Jahrhundert erhalten blieb. Das Inventar legt großen Wert auf die Feststellung, dass das herrschaftliche Haus über dem Graben „nicht mit zum Gebrauch“ des Pächters gehöre. Die mittelalterliche Insellage, die separate Brücke, der eigenständige Teich, die gärtnerische Umfriedung und das separate Dienstpersonal blieben bestehen – ganz im Sinne einer Bewahrung genealogischer Identität durch bauliche Kontinuität.

Auf einem Messtischblatt aus dem Jahr 1900 ist die Struktur des Guts Vergunst aus dem 18. Jahrhundert mit den beiden Längsgebäuden im Osten und Westen noch erkennbar. Auch das Wirtschaftshaus mit den angebauten Stallungen wir auf dem obigen Foto erkennbar noch vollständig erhalten. Von dem Teich ist jedoch nur noch der nordöstliche Teil vorhanden und bis heute an der Teichstrasse erhalten, der Rest ist möglicherweise über die Zeit verlandet. Von dem "herrschaftlichen Haus" nebst Küchengebäude war offenbar um 1900 nichts mehr vorhanden.

Gut Vergunst Karte 1900

Messtischblatt "Königl. Preuss. Landesaufnahme" aus dem Jahr 1900

gut vergunst karte 1740

Karte von Gut Vergunst von 1740

Ein besonderes baugeschichtliches Zeugnis stellt der beim Abriss des Haupthauses Anfang des 21. Jahrhunderts geborgene Sandstein mit der Inschrift „A.G.v.d.S.“ dar. Diese Initialen lassen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg (1720–1791) beziehen, den Neffen und Nachfolger Christoph Daniels. Als Erbe des Gutsverbands Angern nach 1763 war Alexander für zahlreiche bauliche und verwaltungstechnische Maßnahmen verantwortlich. Der Stein dürfte aus einer späteren Bau- oder Umbauphase stammen und dokumentiert die bewusste Fortführung der dynastischen Präsenz im gebauten Raum. Solche initialierten Bauteile waren im 18. Jahrhundert Ausdruck adliger Selbstvergewisserung und dienten nicht zuletzt der dauerhaften Verankerung genealogischer Ordnung im architektonischen Gedächtnis des Ortes. Der Fund verbindet damit auf exemplarische Weise materielle Baugeschichte mit familiärer Identitätspolitik.

Fazit

Das Rittergut Vergunst stellt ein herausragendes Beispiel für die Verbindung von baulicher Ordnung, sozialer Hierarchisierung und genealogischer Selbsterhaltung innerhalb der frühneuzeitlichen Gutskultur in der Altmark dar. Die Quelle aus dem Jahr 1738 – ein außergewöhnlich detailliertes Inventarium – erlaubt nicht nur eine präzise Rekonstruktion der baulichen Substanz, sondern offenbart auch die tiefen historischen Schichten einer Anlage, die sich über Jahrhunderte hinweg funktional und symbolisch behauptet hat.

In der architektonischen Gliederung des Guts spiegeln sich die Prinzipien barocker Rationalität ebenso wie mittelalterliche Wurzeln. Die Trennung zwischen dem funktional genutzten Wohnhaus im Wirtschaftshof und dem auf einer Insel gelegenen „Herrschaftlichen Haus“ über dem Wassergraben ist Ausdruck einer räumlich codierten Sozialstruktur: Die wirtschaftliche, verwaltende und dienende Sphäre blieb dem öffentlich zugänglichen Hofraum vorbehalten, während sich die exklusive, genealogisch aufgeladene Präsenz des Adels räumlich entrückte – sichtbar, aber nicht erreichbar.

Der Wassergraben, ursprünglich als Wehrform gedacht, wandelte sich zur symbolischen Grenze zwischen Verfügungsmacht und Abhängigkeit, zwischen Eigentum und Pacht, zwischen Kontinuität und Wandel. Die Gartenanlagen, die Stallungen, das Brauhaus, die Verwaltungseinheit und das auf historischem Grund bewahrte Herrenhaus bildeten zusammen eine Landschaft der Herrschaft – geordnet, gegliedert, diszipliniert.

Mit dem Erwerb der Vergunst durch Christoph Daniel von der Schulenburg im Jahr 1738 wurde ein genealogischer Raum wiedervereint, der über Jahrhunderte aufgeteilt war. Die bauliche Eigenständigkeit wurde dabei nicht nivelliert, sondern bewusst erhalten – als Zeichen dynastischer Rückgewinnung und räumlich fundierter Erinnerung. Vergunst ist damit nicht nur eine wirtschaftliche Einheit, sondern ein Ort der Herrschaft in Permanenz: befestigt, umhegter Besitz, bewahrt im Stein, im Wasser, im Garten und im Abstand. Ein Denkmal ländlicher Adelsidentität – und ein exemplarisches Zeugnis frühneuzeitlicher Raumkultur.

Quellen

Dieses Dokument basiert auf einer Transkription von Material des Gutsarchivs Angern durch Frau Brigitte Kofahl, der Dorfchronistin von Angern.

  • Gutsarchiv Angern, Rep. H Angern Nr. 74: Inventarium über das Rittergut Angern-Vergunst, aufgenommen durch Notarius Adam Heinrich Bartels am 4. Juli 1738.
  • Gutsarchiv Angern, Rep. H 336: Croon-Korrespondenz (1737–1739).
  • Rep. H 409, Bl. 25–28: Kasseneinträge mit Turin-Zahlungen (1736–1737).
  • Rep. H 76: Inventarverzeichnis Schloss Angern (1752).
  • Landeshauptarchiv Magdeburg, Katasterplan von Angern, „Plan … der Schulenburgischen Ritter-Sitzen und Dorff Angern“, 1740.
  • Danneil, Johann Friedrich: Das Geschlecht der von der Schulenburg. Bd. I–II. Salzwedel 1847.
  • Leuschner, Eckhard: Niederadelige Wasserburgen der Altmark. In: Burgenforschung aus Sachsen-Anhalt, Bd. 2. Halle 2003.
  • Huth, Christoph: Adelige Wohnkultur des 18. Jahrhunderts in Sachsen-Anhalt. In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt, H. 2 (2009).
  • Bergner, Heinrich: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt. Halle a. d. S., 1911, S. 32–35.
  • Duncker, Alexander (Hrsg.): Die ländlichen Wohnsitze der ritterschaftlichen Grundbesitzer in der preußischen Monarchie, Berlin: Duncker 1857–83.
Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Baupolitik, Raumordnung und Repräsentation auf dem Rittergut Angern um 1734 – Eine Analyse des "Pro Memoria" Christoph Daniel von der Schulenburg im Kontext vergleichbarer Gutsherrschaften. Das Gutsarchiv Angern überliefert mit 31-Punkte umfassenden "Pro Memoria" von 1734 (Rep. H Angern Nr. 409) ein einzigartiges Zeugnis adliger Planungspraxis im 18. Jahrhundert. Christoph Daniel von der Schulenburg, königlich sardischer General und Besitzer des Ritterguts Angern, skizziert darin die umfassende Neugestaltung seiner Besitzung. Das Dokument gewährt Einblick in eine administrative Rationalisierung, ästhetisch-repräsentative Raumgestaltung und die materiellen wie sozialen Strukturen eines barocken Gutes. Im Folgenden wird dieses Bauprogramm analysiert und mit zeitgleichen Gutsherrschaften in Brandenburg-Preußen und Norddeutschland verglichen.
Finanzielle Lasten und Investitionsprioritäten beim Schlossbau in Angern – Eine Analyse der Ausgabenbilanz von 1737. Die Ausgabenbilanz vom 24. Mai 1737 stellt ein aufschlussreiches Dokument über die ökonomischen Rahmenbedingungen und Prioritätensetzungen während der frühen Phase des barocken Schlossbaus in Angern dar. Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg , der damalige Besitzer des Ritterguts, ließ die Anlage ab 1735 unter erheblichen finanziellen Aufwendungen neu errichten. Die Bilanz verzeichnet zwischen 1735 und Mai 1737 Gesamtausgaben in Höhe von 22.026 Talern, 16 Silbergroschen und 8 Pfennig , von denen 9.100 Taler explizit als baugebundene Ausgaben ausgewiesen sind.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.