Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Matthias III von der Schulenburg (vor 1488–1542): Ein früher Reformator, streitbarer Landadliger und Kriegsteilnehmer im Zeitalter der Konfessionalisierung. Matthias III von der Schulenburg entstammte der jüngeren Linie des sogenannten „weißen Stammes“ der Familie von der Schulenburg. Als Sohn von Bernhard XI. von der Schulenburg und Enkel von Matthias I, des langjährigen Landeshauptmanns der Altmark, war er ein direkter Erbe der um 1485 befestigten Stellung in Altenhausen, Angern und Beetzendorf und setzte den jüngeren Zweig der weißen Linie fort.  Seine Geburt wird vor 1488 angenommen, da er bereits 1506 als rechtskräftig Handelnder in einer Wiederkaufsurkunde erwähnt wird. In seiner Person bündelten sich das politische Erbe der Familie, ein ausgeprägter Wille zur Wahrung dynastischer Rechte und ein bemerkenswerter Bildungs- und Reformationsimpuls.

Konflikte mit der Familie von Alvensleben

Ein zentrales Kapitel im Leben des Matthias III war der langjährige Besitzstreit mit der ebenfalls altmärkischen Adelsfamilie von Alvensleben. Diese war im Besitz von Pfandrechten an den Dörfern Mieste, Miesterhorst und Sichau, die ursprünglich durch Matthias’ Großvater verpfändet worden waren. Matthias weigerte sich, diese Einlösung zu akzeptieren, was in einem Schiedsspruch kurfürstlicher Räte von 1519 gipfelte. Der Entscheid zwang ihn, die betreffenden Dörfer an Matthias von Alvensleben herauszugeben.

Doch damit war der Konflikt keineswegs beendet. In der Folge griff Matthias III zu massiven Repressalien, die ihm letztlich eine Gefängnisstrafe einbrachten. Um seine Machtposition zu stärken, erreichte er vom Herzog Heinrich dem Jüngeren von Braunschweig die Übertragung des ebenfalls an die Alvensleben verpfändeten Schlosses Calvörde – für die beachtliche Summe von 60.000 Goldgulden. Durch dieses strategische Manöver konnte er seinerseits Druck auf seinen Widersacher ausüben. Erst nach dem Tod seines Kontrahenten kam es zu einem Ausgleich und zur Rückgabe Calvördes an Andreas von Alvensleben um das Jahr 1535.

Frühes Engagement für die Reformation

Matthias III trat früh als Befürworter und Förderer der lutherischen Lehre hervor – in bewusster Abweichung von der Haltung seiner Lehnsherren und kirchlichen Oberbehörden. Bereits 1524, also vor der offiziellen Durchsetzung der Reformation im Kurfürstentum Brandenburg, stellte er den aus Wittenberg stammenden lutherischen Prediger Bernhard Brügner in Altenhausen an. Dieser mutige Schritt geschah entgegen dem ausdrücklichen Verbot des Erzbischofs Albrecht von Magdeburg. Die religiöse Erneuerung durch Matthias III war nicht bloß formal, sondern Ausdruck einer tiefen Überzeugung: Allsonntäglich besuchte er gemeinsam mit seiner Familie die Gottesdienste, wobei seine Söhne die Litanei kniend vor dem Altar sangen – ein eindrucksvolles Bild adeliger Frömmigkeit in reformatorischer Prägung.

1541 begleitete Matthias den brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. zum Reichstag nach Regensburg. In dessen Auftrag beteiligte er sich an einer bedeutenden Gesandtschaft an Martin Luther, die unter der Leitung von Fürst Johann von Anhalt und dem Theologen Alesius Scotus stand. Ziel war es, den Reformator zur Mitwirkung an einem Annäherungsversuch zwischen katholischen und protestantischen Kräften zu bewegen, wie ihn Kaiser Karl V. energisch vorantrieb.

Militärischer Einsatz und Tod im Türkenkrieg

Im Jahr 1542 zog Matthias III mit zwei seiner Söhne im Rahmen des brandenburgischen Aufgebots unter Kurfürst Joachim II. in den Osmanisch-Habsburgischen Krieg in Ungarn. Diese Auseinandersetzungen waren Teil der Türkenkriege, in denen das Heilige Römische Reich unter Kaiser Karl V. gegen die Truppen des Osmanischen Reiches unter Süleyman dem Prächtigen kämpfte. Bei der Belagerung der ungarischen Hauptstadt Ofen (Budapest) kam er ums Leben – er soll, so die Überlieferung, „mit einem großen Stück erschossen“ worden sein. Auch sein Sohn Franz fiel in diesem Feldzug. Nur der zweite Sohn, Jakob II, überlebte den Krieg und kehrte in die Heimat zurück.

Die Habsburgischen Gegenoffensiven und der Krieg von 1542: Nachdem die Osmanen 1541 Buda erobert hatten, versuchten die Habsburger unter Kaiser Karl V. und dessen Bruder Ferdinand I., das verlorene Ungarn zurückzuerobern. Sie organisierten eine groß angelegte Militäroffensive im Jahr 1542, um die Stadt Pest von den Osmanen zurückzuerobern. Die Belagerung scheiterte jedoch, und die habsburgischen Truppen mussten sich unter schweren Verlusten zurückziehen. Während dieser Offensive fiel Matthias III. von der Schulenburg, was zeigt, dass auch deutsche Adlige und deren Gefolgsleute in den Kriegen gegen die Osmanen eine bedeutende Rolle spielten. Viele Ritter und Söldner aus dem Heiligen Römischen Reich kämpften unter habsburgischer Führung in diesen Kriegen, oft mit verheerenden Verlusten.

Folgen des Krieges von 1542: Die Niederlage der Habsburger in Ungarn führte zu einer weiteren Konsolidierung der osmanischen Herrschaft in der Region. In den folgenden Jahrzehnten etablierten die Osmanen eine dauerhafte Verwaltungsstruktur in Ungarn, die bis ins späte 17. Jahrhundert bestehen blieb. Die Kämpfe zwischen Osmanen und Habsburgern setzten sich über weitere Jahrzehnte fort, wobei die Schlacht am Kahlenberg 1683 schließlich den osmanischen Einfluss in Mitteleuropa zurückdrängte.

Familie und Nachkommen

Matthias III war zweimal verheiratet. Seine erste Ehefrau, Margarete von der Lühe, entstammte einem mecklenburgischen Adelsgeschlecht und verstarb im Jahr 1525, nachdem sie elf Kinder zur Welt gebracht hatte. Seine zweite Frau, Anna von Wenckstern, überlebte ihn um viele Jahre und war Mutter von neun weiteren Kindern.

Erste Eheschließung um 1512: Margarethe von der Lühe (†1525). Aus dieser Ehe gingen 11 Kinder hervor (8 Söhne, 3 Töchter), darunter:

  • Jakob II. von der Schulenburg (* 25. März 1515 – 1576), Ritter (1557), Freiherr (1565), kaiserlicher Feldmarschall (1567). Er führte als Erstgeborener das Haus Angern weiter.

Zweite Eheschließung um 1527: Anna von Wenckstern (†1575), Tochter von Joachim von Wenckstern und Armgard von Rossow. Aus dieser Ehe gingen 9 Kinder hervor (6 Söhne, 3 Töchter), darunter:

Insgesamt hatte Matthias 20 Kinder, darunter 14 Söhne und 6 Töchter. Acht Söhne und vier Töchter erreichten das Erwachsenenalter – ein durchaus bemerkenswerter Wert für die Zeit. Nach dem Tod ihres Mannes zog Anna von Wenckstern zunächst nach Beetzendorf und später nach Salzwedel. Dort erwarb sie ein ehemaliges Klosterhaus auf einem alten schulenburgischen Burgmannshof, förderte Arme und Kirchen und wurde schließlich in der Prediger-Mönchskirche bestattet.

Nach Matthias’ III. Tod übernahm sein Sohn Jakob II. von der Schulenburg die Führung des Hauses und trat in die Dienste des Kaisers. Durch seine militärischen Erfolge als kaiserlicher Feldmarschall festigte er den Einfluss der Familie innerhalb des Heiligen Römischen Reiches. Die Familie von der Schulenburg blieb auch nach dem 16. Jahrhundert eine der bedeutendsten Adelsfamilien Norddeutschlands.

Bedeutung und historische Einordnung

Matthias III verkörpert in besonderer Weise den Typus eines frühneuzeitlichen Landadligen, der gleichermaßen streitbar, religiös engagiert und politisch einflussreich war. Seine aktive Rolle in lokalen Besitzfragen, sein kämpferischer Einsatz gegen die Familie von Alvensleben, seine frühe Unterstützung der Reformation und seine Beteiligung an außenpolitischen Feldzügen machen ihn zu einer vielschichtigen Figur zwischen Mittelalter und Moderne.

Er steht damit exemplarisch für den Wandel der adligen Identität im Zeitalter der Konfessionalisierung – geprägt durch dynastische Besitzpolitik, religiöse Bekenntnisbindung und die zunehmende Integration in landesherrliche Strukturen. Sein Erbe wurde vor allem durch seinen überlebenden Sohn Jakob II fortgesetzt, der als bedeutender Söldnerführer des 16. Jahrhunderts in die Geschichte der Familie einging.

Bedeutung für die Familie von der Schulenburg: Der Tod von Matthias III. von der Schulenburg im Jahr 1542 zeigt die enge Verflechtung des deutschen Adels mit den habsburgischen Kriegen gegen das Osmanische Reich. Viele Mitglieder des niedersächsischen und brandenburgischen Adels waren verpflichtet, Truppen für die kaiserlichen Kriege zu stellen. Sein Einsatz in Ungarn war Teil einer breiteren europäischen Verteidigungsstrategie gegen die osmanische Expansion. Während seiner Herrschaft sicherte Matthias III. die Besitztümer der Familie Schulenburg in der Altmark und baute durch strategische Ehen enge Verbindungen

Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg im Sommer 1631 durch den Einfall des Holk'schen Regiments – blieben das Erdgeschoss es Palas und der Turm mit mehreren Etagen sowie auch die Tonnengewölbe neben dem Turm erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Baupolitik, Raumordnung und Repräsentation auf dem Rittergut Angern um 1734 – Eine Analyse des "Pro Memoria" Christoph Daniel von der Schulenburg im Kontext vergleichbarer Gutsherrschaften. Das Gutsarchiv Angern überliefert mit 31-Punkte umfassenden "Pro Memoria" von 1734 (Rep. H Angern Nr. 409) ein einzigartiges Zeugnis adliger Planungspraxis im 18. Jahrhundert. Christoph Daniel von der Schulenburg, königlich sardischer General und Besitzer des Ritterguts Angern, skizziert darin die umfassende Neugestaltung seiner Besitzung. Das Dokument gewährt Einblick in eine administrative Rationalisierung, ästhetisch-repräsentative Raumgestaltung und die materiellen wie sozialen Strukturen eines barocken Gutes. Im Folgenden wird dieses Bauprogramm analysiert und mit zeitgleichen Gutsherrschaften in Brandenburg-Preußen und Norddeutschland verglichen.
Finanzielle Lasten und Investitionsprioritäten beim Schlossbau in Angern – Eine Analyse der Ausgabenbilanz von 1737. Die Ausgabenbilanz vom 24. Mai 1737 stellt ein aufschlussreiches Dokument über die ökonomischen Rahmenbedingungen und Prioritätensetzungen während der frühen Phase des barocken Schlossbaus in Angern dar. Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg , der damalige Besitzer des Ritterguts, ließ die Anlage ab 1735 unter erheblichen finanziellen Aufwendungen neu errichten. Die Bilanz verzeichnet zwischen 1735 und Mai 1737 Gesamtausgaben in Höhe von 22.026 Talern, 16 Silbergroschen und 8 Pfennig , von denen 9.100 Taler explizit als baugebundene Ausgaben ausgewiesen sind.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.