Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Rekonstruktive Betrachtung des Zugangs zur Hauptburg der Burg Angern um 1340. Die Frage nach dem Zugang zur Hauptburginsel der hochmittelalterlichen Wasserburg Angern berührt zentrale Aspekte der Verteidigungsarchitektur, der Funktionslogik und der territorialen Erschließung. Obwohl das Überweggeschehen zwischen Vorburg und Hauptburg im späteren Verlauf der Geschichte – insbesondere durch die barocken und klassizistischen Umbauten – überformt wurde, ist für die Zeit um 1340 keine archäologische oder kartografische Evidenz erhalten. Der folgende Beitrag rekonstruiert den Zugang zur Hauptinsel auf Grundlage funktionaler Plausibilität, typologischer Vergleichsfälle und der topografischen Gegebenheiten der Gesamtanlage.

Quellen- und Befundlage

Bislang liegen keinerlei archäologische oder kartografische Belege für die exakte Lage, Konstruktion oder Ausgestaltung der Brücke zwischen Vorburg und Hauptburg der Burg Angern im 14. Jahrhundert vor. Die ältesten erhaltenen Darstellungen zeigen bereits barock veränderte Zustände. Auch aus der Dorfchronik oder dem Gutsarchiv Angern lässt sich keine direkte Aussage zur mittelalterlichen Zugangsarchitektur ableiten.

Topografische Plausibilität

Die Hauptburginsel war von einem Wassergraben umgeben, der die Trennung zur westlich vorgelagerten Vorburg bewirkte. Eine Verbindung musste zwangsläufig von Westen aus erfolgt sein, da nur hier eine direkte Annäherung vom Dorf möglich war. Der Zugang auf der Ost-, Süd- oder Nordseite ist auszuschließen, da diese durch Graben, Bergfried oder unzugängliches Gelände gesichert waren. Die funktionale Orientierung des gesamten Burgsystems legt daher einen Zugang im Westbereich nahe.

Rekonstruktionsansatz für Angern

Unter Berücksichtigung der lokalen Geländestruktur, der funktionalen Trennung der Burginseln und der allgemeinen Bautypologie ist für Angern um 1340 von folgendem Zugangssystem auszugehen (vgl. Befund J2):

  • Eine einfache Holzbrücke von der westlichen Vorburg zur Hauptinsel, ohne aufwändige Unterbauten

  • Die Brücke war möglicherweise teilweise beweglich, z. B. durch einen Kipp- oder Zugmechanismus

  • Die bewegliche Brücke könnte mittels eiserner Ketten oder Seilrollen über hölzerne Rollenwerke gehoben worden sein. Solche Ketten wurden üblicherweise an großen Eisenhaken oder waagrecht eingesetzten Balkenbefestigt, die über dem Tor in einem hölzernen Giebel oder Pfostenrahmen angebracht waren.

  • Der Zugang mündete in ein einfaches, nicht wehrhaftes Pfortentor in der westlichen Ringmauer, das vermutlich von einem Pförtner überwacht wurde. Dieser übernahm mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur die Zugangskontrolle, sondern auch die manuelle Bedienung der hölzernen Zug- oder Kippbrücke. Ein solcher Kontrollpunkt entsprach einer im norddeutschen Raum verbreiteten Praxis einfacher Zugangskontrolle, wie sie für Wasserburgen des 14. Jahrhunderts zwar nicht direkt belegt, aber funktional erschließbar ist.

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KI Rekonstruktion der westlichen Ringmauer mit Zugbrücke

Brückenlage im Barock: Eine spätere barocke Skizze zeigt die Brücke in einer leicht nordwestlich versetzten Achse zur Vorburg (vgl. Befund J3). Diese Position spiegelt jedoch nicht den hochmittelalterlichen Zustand wider. Vielmehr handelt es sich um eine funktionale Neuanlage im Zuge barocker Umgestaltung, die sich an veränderte Nutzungsbedarfe und Geländeniveaus anpasste. Rückschlüsse auf den Zustand um 1340 sind daraus nicht möglich.

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Mögliche Lage des Pforthäuschens in einer topografischen Karte von 1740

Das Pforthäuschen der Burg

Ein separates Pforthäuschen zur Kontrolle des Zugangs zur Hauptburg ist für Angern archivalisch überliefert. Ein zentraler Hinweis stammt aus der Dorfchronik:

„Außer dem mangelhaften Brauhause ohne den geringsten Inhalt und einem Dach- und Fachlosen Viehstall nur noch das Pforthäuschen stand.“ Dorfchronik Angern (um 1650)

Die genaue Lokalisierung bleibt unklar. Während eine Platzierung auf der Vorburg funktional möglich erscheint, spricht vieles für eine Position direkt an der westlichen Ringmauer im Bereich des Pfortenzugangs zur Hauptburg. Diese Lage ermöglichte eine unmittelbare Kontrolle des Zutritts von der Brücke her und wäre mit der Funktion eines kleinen, nicht-wehrhaften Kontrollraums vereinbar. Die Nähe zu den ebenfalls erwähnten Wirtschaftsgebäuden der Vorburg (Brauhaus, Viehstall) ist ebenfalls denkbar, bleibt aber hypothetisch.

Das sogenannte Pforthäuschen stellt zusammen mit dem erhaltenen Erdgeschoss des Palas, mehreren Etagen des Bergfrieds und dem dazugehörigen Nebengebäude einen der wenigen baulich und funktional fassbaren Bestandteile der Burg Angern dar, die nachweislich den Dreißigjährigen Krieg überstanden. Aufgrund seiner Bezeichnung und Kontextnennung kann davon ausgegangen werden, dass es sich um einen kleinflächigen Zugangsposten zur Überwachung des Verkehrs zwischen Vorburg und Hauptinsel handelte.

Es erfüllte eine Doppelfunktion als Kontrollstation und Bedienpunkt der Zugbrücke und war als eingeschossiger Stein- oder Fachwerkbau funktional ausgestattet – vermutlich mit Sichtöffnung, einfacher Tür und Sitzgelegenheit. Die Funktion entsprach dem typischen Aufgabenprofil eines „custos portae“ im 14. Jahrhundert, wie er für norddeutsche Burgen zwar nicht direkt belegt, aber typologisch erschlossen ist. Als integraler Bestandteil des Zugangs- und Kontrollsystems dokumentierte das Pforthäuschen ein nicht-wehrhaftes, aber administrativ bedeutsames Organisationsprinzip innerhalb des hochmittelalterlichen Burggefüges.

Vertiefende Beobachtungen:

  • Typologische Einordnung: Das Pforthäuschen gehört zur Gruppe nicht-wehrhafter Zugangsbauten, wie sie auch an Grangien oder klösterlichen Wirtschaftshöfen belegt sind.
  • Hypothetischer Aufbau: Einräumiger Steinbau mit Sichtschlitz zur Brücke, Pultdach, eventuell Sichtbezug zum Wirtschaftshof.
  • Materialität: Vermutlich Bruchstein mit Ziegelpartien, Holzsparrendach, Stampflehmboden.
  • Soziale Funktion: Der Pförtner war nicht Soldat, sondern vertrauenswürdiger Verwaltungsbediensteter – oft älterer Knecht.
  • Beziehung zum Tor: Das Häuschen war nicht baulich integriert, sondern leicht versetzt mit Blickbezug – ohne Wehrfunktion.
  • Spätere Nutzung: Mögliche Nachverwendung als Lager, Unterstand oder Gerätehaus nach 1650.
  • Einbindung in das Funktionsgefüge: Kontrollpunkt für Brauhaus, Stall, Anlieferung – also wirtschaftlich wie sicherheitsbezogen zentral.
  • Sprachliche Analyse: Die Diminutivform „-häuschen“ betont die dienende, nicht-wehrhafte Natur des Gebäudes.
  • Fehlende Archäologie: Eine gezielte Grabung könnte Fundamentreste, Türangeln oder Werkspuren erbringen.
  • Gesamtbedeutung: Das Pforthäuschen erweitert das Funktionsverständnis der Burg – nicht nur Wehranlage, sondern kontrollierte Verwaltungseinheit.

Einschränkung und Forschungsbedarf

Die bisherigen Aussagen beruhen ausschließlich auf rekonstruktiven Überlegungen. Archäologische Nachweise fehlen bislang. Künftige archäologische Untersuchungen im Bereich der westlichen Ringmauer und des Grabens könnten Überreste der Pfahlgründung oder Zugangsstruktur erbringen und würden damit die gegenwärtige Hypothese überprüfbar machen.

Quellen

  • Gutsarchiv Angern, Rep. H (verschiedene Signaturen)
  • Dorfchronik Angern (um 1650)
  • Krahe, Friedrich-Wilhelm: Burgen des deutschen Mittelalters, 2000
  • Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I, 2002
  • Grimm, Paul: Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg, 1958
  • Sobotka/Strauss: Burgen, Schlösser, Gutshäuser in Sachsen-Anhalt
Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Schloss Angern – Baugeschichte, Raumbild und kultureller Wandel zwischen Mittelalter, Barock und Klassizismus. Die Geschichte von Schloss Angern in der Altmark ist ein exemplarisches Zeugnis adeliger Bau- und Lebensformen im Wandel der Jahrhunderte. Als aus einer hochmittelalterlichen Wasserburg hervorgegangenes Gutsschloss vereint die Anlage bauliche Schichten aus drei Epochen: der Gründungsphase um 1340, dem barocken Ausbau unter Generalleutnant Christoph Daniel von der Schulenburg ab 1738 und der klassizistischen Umformung durch Edo Graf von der Schulenburg um 1843. Die erhaltene Raumstruktur mit Hauptinsel, Turminsel und Vorburg, die Integration mittelalterlicher Gewölbe, die klar gegliederte barocke Raumordnung und die klassizistische Repräsentationskultur des 19. Jahrhunderts machen Schloss Angern zu einem einzigartigen Zeugnis ländlicher Adelskultur in Mitteldeutschland. Die Architektur erzählt von militärischer Funktion, gutsherrlicher Selbstvergewisserung und bürgerlich-rationaler Modernisierung – ein Ensemble, das in seiner Vielschichtigkeit die Transformationsprozesse adliger Repräsentation zwischen Spätmittelalter und Moderne sichtbar macht.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal Anfang des 20. Jahrhunderts (KI coloriert)
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg im Sommer 1631 durch den Einfall des Holk'schen Regiments – blieben das Erdgeschoss es Palas und der Turm mit mehreren Etagen sowie auch die Tonnengewölbe neben dem Turm erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Baupolitik, Raumordnung und Repräsentation auf dem Rittergut Angern um 1734 – Eine Analyse des "Pro Memoria" Christoph Daniel von der Schulenburg im Kontext vergleichbarer Gutsherrschaften. Das Gutsarchiv Angern überliefert mit 31-Punkte umfassenden "Pro Memoria" von 1734 (Rep. H Angern Nr. 409) ein einzigartiges Zeugnis adliger Planungspraxis im 18. Jahrhundert. Christoph Daniel von der Schulenburg, königlich sardischer General und Besitzer des Ritterguts Angern, skizziert darin die umfassende Neugestaltung seiner Besitzung. Das Dokument gewährt Einblick in eine administrative Rationalisierung, ästhetisch-repräsentative Raumgestaltung und die materiellen wie sozialen Strukturen eines barocken Gutes. Im Folgenden wird dieses Bauprogramm analysiert und mit zeitgleichen Gutsherrschaften in Brandenburg-Preußen und Norddeutschland verglichen.
Finanzielle Lasten und Investitionsprioritäten beim Schlossbau in Angern – Eine Analyse der Ausgabenbilanz von 1737. Die Ausgabenbilanz vom 24. Mai 1737 stellt ein aufschlussreiches Dokument über die ökonomischen Rahmenbedingungen und Prioritätensetzungen während der frühen Phase des barocken Schlossbaus in Angern dar. Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg , der damalige Besitzer des Ritterguts, ließ die Anlage ab 1735 unter erheblichen finanziellen Aufwendungen neu errichten. Die Bilanz verzeichnet zwischen 1735 und Mai 1737 Gesamtausgaben in Höhe von 22.026 Talern, 16 Silbergroschen und 8 Pfennig , von denen 9.100 Taler explizit als baugebundene Ausgaben ausgewiesen sind.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.