Baumaterialien und Bodengestaltung des mittelalterlichen Palas der Hauptburg Angern. Der Bau des Palas der Hauptburg Angern im 14. Jahrhundert folgte den regionalen Konventionen und technischen Möglichkeiten des norddeutschen Landadels. Die verwendeten Materialien und die Bodengestaltung geben wichtige Hinweise auf die Funktion, den Repräsentationsanspruch und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Erbauer.
Baumaterialien
Der mittelalterliche Palas der Burg Angern wurde aus einer Kombination lokal verfügbarer und gezielt veredelter Baumaterialien errichtet, die sowohl funktionale wie auch repräsentative Anforderungen erfüllten.
Bruchsteinmauerwerk: Der Kernbau des Palas bestand aus unregelmäßigem, lokal gebrochenem Feldstein, der mit Kalkmörtel vermauert wurde. Dieses Bruchsteinmauerwerk bildete die tragenden Außen- und Innenwände des Erdgeschosses. Bruchstein war im 14. Jahrhundert das bevorzugte Material für massive, widerstandsfähige Strukturen, da es kostengünstig, in unmittelbarer Umgebung verfügbar und hervorragend geeignet war, große Lasten zu tragen.
Ziegel: Gebrannter Ziegel wurde gezielt an besonders belasteten oder architektonisch wichtigen Stellen eingesetzt. Ziegelmauerwerk ist insbesondere im Bereich von Gewölben, Bögen, Tür- und Fensterrahmungen nachweisbar. Die Verwendung von Ziegelmaterial weist auf gezielte bauliche Aufwertungen und Reparaturphasen hin, insbesondere im Bereich der Deckenwölbungen nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges. Ziegel galt im Mittelalter als hochwertiges Material und wurde bevorzugt für Bauteile eingesetzt, die größere Präzision, Tragfähigkeit oder eine ästhetische Aufwertung erforderten.
Holz: Für die Obergeschosse, die Deckenbalken sowie die Dachkonstruktionen kam überwiegend Eichen- oder Kiefernholz zum Einsatz. Tragwerke der oberen Wohngeschosse, hölzerne Deckenabschlüsse und das Dachtragwerk basierten auf kräftigen Holzbalken. Zudem bestanden Tür- und Fensterkonstruktionen, innere Wandverkleidungen und Fußböden in den Wohnbereichen aus Holz. In Verbindung mit dem robusten mineralischen Unterbau bildeten diese hölzernen Bauteile die wohnliche, wärmegedämmte Schicht der repräsentativen Palasräume.
Naturstein für besondere Ausstattungen: Zusätzlich kamen sorgfältig bearbeitete Natursteine – insbesondere dunkelgraue Basaltlava oder andesitisches Gestein – bei der Ausbildung besonders betonter architektonischer Elemente wie die Türgewände des Eingangsbereichs des Palas in Angern sowie Fensterlaibungen zum Einsatz. Diese Werksteine belegen eine bewusste gestalterische Aufwertung einzelner Zugangszonen und dokumentieren den Anspruch auf Repräsentation trotz der insgesamt funktional ausgerichteten Bauweise. Die quaderförmig bearbeiteten Werksteine im Palas Angern rahmen den ursprünglichen Zugang und belegen die gezielte architektonische Aufwertung besonders wichtiger Zonen innerhalb des ansonsten funktional geprägten Baukörpers. Diese Ausgestaltung entspricht dem hochmittelalterlichen Standard repräsentativer Wasserburgen der Region, bei denen insbesondere Tür- und Fenstergewände aus edlem Naturstein gefertigt wurden, während das übrige Mauerwerk aus lokal verfügbarem Bruchstein errichtet wurde.
Bodengestaltung
Die Bodengestaltung des Palas der Burg Angern folgte einer funktional abgestuften Differenzierung, die sich klar an der Nutzung der einzelnen Ebenen orientierte.
Erdgeschoss (Gewölbeebene – Wirtschaftsräume): Das Erdgeschoss des Palas, das aus mehreren tonnengewölbten Räumen bestand, diente primär wirtschaftlichen Zwecken, insbesondere der Lagerung von Vorräten und Gerätschaften. In den erhaltenen Gewölbekellern befand sich ursprünglich ein einfacher, gestampfter Lehm- oder Sandboden. Diese Bodenausführung war für Vorratsräume optimal geeignet, da sie eine natürliche Regulierung der Feuchtigkeit ermöglichte und vergleichsweise einfach zu erneuern war. Ziegelestriche sind in hochmittelalterlichen Wirtschaftskellern eher selten anzutreffen, wären jedoch als später eingefügte, flach verlegte Ziegelplatten auf Sandbett theoretisch denkbar.
Obergeschoss (Wohn- und Repräsentationsebene): Das Obergeschoss des Palas, das dem Aufenthalt des Burgherrn und seiner Familie sowie der Repräsentation diente, wies eine deutlich hochwertigere Bodengestaltung auf. Die Böden bestanden vermutlich aus einfachem Ziegelestrich oder festgestampftem Tonboden, je nach Raumfunktion. Ziegelplatten mit Seitenlängen von etwa 20–25 cm wurden fugenlos auf einem verdichteten Sandbett verlegt, was eine robuste, pflegeleichte und zugleich optisch einheitliche Oberfläche ergab. Ein solcher Estrichboden stellte im 14. Jahrhundert einen gehobenen, aber noch pragmatischen Standard im landadeligen Wohnbau dar. In besonders wichtigen Räumen – etwa einem Empfangssaal oder einer Palaskapelle – wäre auch der Einsatz kleinerer, feiner verlegter Tonfliesen denkbar gewesen, was jedoch archäologisch bislang nicht nachgewiesen ist.
Dachgeschoss (Speicherzone): Das darüberliegende Dachgeschoss diente vermutlich als einfacher Speicherbereich. Für diese Nutzung war keine aufwändige Bodengestaltung erforderlich. Die Lagerflächen bestanden wahrscheinlich aus einfachen Holzdielen, die direkt auf die Dachbalkenlage aufgelegt wurden, ohne zusätzliche Estriche oder Beläge. Solche schlichten Holzböden waren für Speicherräume üblich, da sie das Eigengewicht gering hielten und die Belüftung des Raumes erleichterten.
Fazit
Der Palas der Burg Angern zeigt in Materialwahl und Bodengestaltung eine konsequente funktionale Hierarchie. Massives Bruchsteinmauerwerk, gezielte Akzentuierungen mit Naturstein und einfache Lehmböden im Erdgeschoss verbanden Schutz und Wirtschaftlichkeit. Im Obergeschoss sorgten Estrichböden für einen pragmatischen Wohnstandard, während das Dachgeschoss als schlichter Speicher diente. Diese Bauweise entsprach den typischen Anforderungen eines gut ausgestatteten landadeligen Sitzes des 14. Jahrhunderts. Die erhaltenen Baustrukturen dokumentieren exemplarisch die enge Verbindung von Verteidigung, Wohnkomfort und Repräsentation im hochmittelalterlichen Burgenbau Norddeutschlands.
Quellen
- Schmitt, Reinhard: "Befunde und Deutungen zu Keller- und Gangsystemen in mittelalterlichen Burgen und Klöstern Mitteldeutschlands", in: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 14 (2005).
- Dorfchronik Angern
- Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I. Der Bezirk Magdeburg. München/Berlin 1990.
- Lütkens, Martin: Burg Lenzen – Baugeschichte und archäologische Befunde, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege, 2011.
- Bergner, Heinrich: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, Halle/Saale 1911.