Burg Angern
Die um 1340–1350 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Baumaterialien und Bodengestaltung des mittelalterlichen Palas der Hauptburg Angern. Der Bau des Palas der Hauptburg Angern im 14. Jahrhundert folgte den regionalen Konventionen und technischen Möglichkeiten des norddeutschen Landadels. Die verwendeten Materialien und die Bodengestaltung geben wichtige Hinweise auf die Funktion, den Repräsentationsanspruch und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Erbauer.

Baumaterialien

Der mittelalterliche Palas der Burg Angern wurde aus einer Kombination lokal verfügbarer und gezielt veredelter Baumaterialien errichtet, die sowohl funktionale wie auch repräsentative Anforderungen erfüllten.

Bruchsteinmauerwerk: Der Kernbau des Palas bestand aus unregelmäßigem, lokal gebrochenem Feldstein, der mit Kalkmörtel vermauert wurde. Dieses Bruchsteinmauerwerk bildete die tragenden Außen- und Innenwände des Erdgeschosses. Bruchstein war im 14. Jahrhundert das bevorzugte Material für massive, widerstandsfähige Strukturen, da es kostengünstig, in unmittelbarer Umgebung verfügbar und hervorragend geeignet war, große Lasten zu tragen.

Ziegel: Gebrannter Ziegel wurde gezielt an besonders belasteten oder architektonisch wichtigen Stellen eingesetzt. Ziegelmauerwerk ist insbesondere im Bereich von Gewölben, Bögen, Tür- und Fensterrahmungen nachweisbar. Die Verwendung von Ziegelmaterial weist auf gezielte bauliche Aufwertungen und Reparaturphasen hin, insbesondere im Bereich der Deckenwölbungen nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges. Ziegel galt im Mittelalter als hochwertiges Material und wurde bevorzugt für Bauteile eingesetzt, die größere Präzision, Tragfähigkeit oder eine ästhetische Aufwertung erforderten.

Holz: Für die Obergeschosse, die Deckenbalken sowie die Dachkonstruktionen kam überwiegend Eichen- oder Kiefernholz zum Einsatz. Tragwerke der oberen Wohngeschosse, hölzerne Deckenabschlüsse und das Dachtragwerk basierten auf kräftigen Holzbalken. Zudem bestanden Tür- und Fensterkonstruktionen, innere Wandverkleidungen und Fußböden in den Wohnbereichen aus Holz. In Verbindung mit dem robusten mineralischen Unterbau bildeten diese hölzernen Bauteile die wohnliche, wärmegedämmte Schicht der repräsentativen Palasräume.

Naturstein für besondere Ausstattungen: Zusätzlich kamen sorgfältig bearbeitete Natursteine – insbesondere dunkelgraue Basaltlava oder andesitisches Gestein – bei der Ausbildung besonders betonter architektonischer Elemente wie die Türgewände des Eingangsbereichs des Palas  in Angern sowie Fensterlaibungen zum Einsatz. Diese Werksteine belegen eine bewusste gestalterische Aufwertung einzelner Zugangszonen und dokumentieren den Anspruch auf Repräsentation trotz der insgesamt funktional ausgerichteten Bauweise. Die quaderförmig bearbeiteten Werksteine im Palas Angern rahmen den ursprünglichen Zugang und belegen die gezielte architektonische Aufwertung besonders wichtiger Zonen innerhalb des ansonsten funktional geprägten Baukörpers. Diese Ausgestaltung entspricht dem hochmittelalterlichen Standard repräsentativer Wasserburgen der Region, bei denen insbesondere Tür- und Fenstergewände aus edlem Naturstein gefertigt wurden, während das übrige Mauerwerk aus lokal verfügbarem Bruchstein errichtet wurde.

Bodengestaltung

Die Bodengestaltung des Palas der Burg Angern folgte einer funktional abgestuften Differenzierung, die sich klar an der Nutzung der einzelnen Ebenen orientierte.

Erdgeschoss (Gewölbeebene – Wirtschaftsräume): Das Erdgeschoss des Palas, das aus mehreren tonnengewölbten Räumen bestand, diente primär wirtschaftlichen Zwecken, insbesondere der Lagerung von Vorräten und Gerätschaften. In den erhaltenen Gewölbekellern befand sich ursprünglich ein einfacher, gestampfter Lehm- oder Sandboden. Diese Bodenausführung war für Vorratsräume optimal geeignet, da sie eine natürliche Regulierung der Feuchtigkeit ermöglichte und vergleichsweise einfach zu erneuern war. Ziegelestriche sind in hochmittelalterlichen Wirtschaftskellern eher selten anzutreffen, wären jedoch als später eingefügte, flach verlegte Ziegelplatten auf Sandbett theoretisch denkbar.

Obergeschoss (Wohn- und Repräsentationsebene): Das Obergeschoss des Palas, das dem Aufenthalt des Burgherrn und seiner Familie sowie der Repräsentation diente, wies eine deutlich hochwertigere Bodengestaltung auf. Die Böden bestanden vermutlich aus einfachem Ziegelestrich oder festgestampftem Tonboden, je nach Raumfunktion. Ziegelplatten mit Seitenlängen von etwa 20–25 cm wurden fugenlos auf einem verdichteten Sandbett verlegt, was eine robuste, pflegeleichte und zugleich optisch einheitliche Oberfläche ergab. Ein solcher Estrichboden stellte im 14. Jahrhundert einen gehobenen, aber noch pragmatischen Standard im landadeligen Wohnbau dar. In besonders wichtigen Räumen – etwa einem Empfangssaal oder einer Palaskapelle – wäre auch der Einsatz kleinerer, feiner verlegter Tonfliesen denkbar gewesen, was jedoch archäologisch bislang nicht nachgewiesen ist.

Dachgeschoss (Speicherzone): Das darüberliegende Dachgeschoss diente vermutlich als einfacher Speicherbereich. Für diese Nutzung war keine aufwändige Bodengestaltung erforderlich. Die Lagerflächen bestanden wahrscheinlich aus einfachen Holzdielen, die direkt auf die Dachbalkenlage aufgelegt wurden, ohne zusätzliche Estriche oder Beläge. Solche schlichten Holzböden waren für Speicherräume üblich, da sie das Eigengewicht gering hielten und die Belüftung des Raumes erleichterten.

Fazit

Der Palas der Burg Angern zeigt in Materialwahl und Bodengestaltung eine konsequente funktionale Hierarchie. Massives Bruchsteinmauerwerk, gezielte Akzentuierungen mit Naturstein und einfache Lehmböden im Erdgeschoss verbanden Schutz und Wirtschaftlichkeit. Im Obergeschoss sorgten Estrichböden für einen pragmatischen Wohnstandard, während das Dachgeschoss als schlichter Speicher diente. Diese Bauweise entsprach den typischen Anforderungen eines gut ausgestatteten landadeligen Sitzes des 14. Jahrhunderts. Die erhaltenen Baustrukturen dokumentieren exemplarisch die enge Verbindung von Verteidigung, Wohnkomfort und Repräsentation im hochmittelalterlichen Burgenbau Norddeutschlands.

Quellen

  • Schmitt, Reinhard: "Befunde und Deutungen zu Keller- und Gangsystemen in mittelalterlichen Burgen und Klöstern Mitteldeutschlands", in: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 14 (2005).
  • Dorfchronik Angern
  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I. Der Bezirk Magdeburg. München/Berlin 1990.
  • Lütkens, Martin: Burg Lenzen – Baugeschichte und archäologische Befunde, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege, 2011.
  • Bergner, Heinrich: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, Halle/Saale 1911.
Im Nordosten der zweiten Insel erhob sich ein massiver, quadratischer Turm mit einer Grundfläche von 10 mal 10 Metern. Seine sieben Geschosse machten ihn zum dominanten Element der früheren Wehranlage. Die Höhenrekonstruktion des Bergfrieds der Burg Angern lässt sich auf Grundlage der bekannten Grundfläche von 10 × 10 Metern und der Überlieferung von sieben Stockwerken annähernd bestimmen. Typische hochmittelalterliche Bergfriede wiesen lichte Raumhöhen von etwa 3,0 bis 3,5 Metern auf, ergänzt um Decken- und Mauerstärken von circa 0,5 bis 0,7 Metern pro Geschoss. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Geschosshöhe von etwa 3,5 bis 4,0 Metern. Multipliziert mit sieben Etagen ergibt sich eine Turmhöhe von etwa 24,5 bis 28 Metern, zuzüglich der Höhenanteile für eine Wehrplatte, Brustwehr oder eventuelles Zeltdach. Somit dürfte der Bergfried von Angern eine Gesamthöhe von etwa 26 bis 30 Metern erreicht haben, vergleichbar mit anderen regionalen Anlagen wie dem Bergfried von Tangermünde oder Lenzen. Diese Rekonstruktion verdeutlicht die imposante Dominanz des Turmes innerhalb der Burganlage und seine zentrale Rolle im Verteidigungssystem. KI generierte Ansicht des Bergfrieds der Burg Angern ca. um 1600
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Die mittelalterliche Burg von Angern stellt ein bemerkenswertes Beispiel für die Kombination aus natürlicher Topographie und wehrarchitektonischer Anpassung dar. Grundlage der Analyse bilden topographische Befunde, schriftliche Überlieferungen sowie bauliche Relikte, die eine differenzierte Rekonstruktion der Gesamtanlage ermöglichen.
Die Burganlage von Angern in der heutigen Altmark (Sachsen-Anhalt) gehört zu den bedeutenden Wasserburgen der Altmark. Ihre Entwicklung lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen, als sie im Rahmen der hochmittelalterlichen Landesausbauprozesse errichtet wurde. Die Hauptburg entstand auf einer künstlich angelegten Insel innerhalb eines doppelten Wassergrabensystems. Von der ursprünglichen Anlage ist heute vor allem die Struktur des Geländes erhalten, während die bauliche Substanz größtenteils durch kriegerische Ereignisse wie die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1631) sowie durch barocke Umbauten im 18. Jahrhundert überformt wurde. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum.
Die Burg Angern befand sich in der nordöstlichen Altmark, etwa 5 Kilometer westlich der Elbe, in einer feuchten Niederungslandschaft, die durch zahlreiche Altarme, sumpfige Wiesen und temporäre Überflutungsflächen geprägt war. Die Wahl dieses Standorts war sowohl durch defensive als auch durch infrastrukturelle Überlegungen motiviert. Die Anlage nutzte die natürlichen Gegebenheiten der Landschaft, um durch Wassergräben, Inselbildung und kontrollierte Wegeführung ein hohes Maß an Wehrhaftigkeit zu erzielen. Zugleich ermöglichte die Lage zwischen Magdeburg, Tangermünde, Rogätz und Wolmirstedt die Einbindung in überregionale Verkehrs- und Kommunikationsnetze.
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Die bauliche Entwicklung der Burg Angern lässt sich in mehreren Phasen vom Hochmittelalter bis zur Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg nachzeichnen. Die Anlage vereinte typische Merkmale einer wasserumwehrten Adelsburg in der norddeutschen Tiefebene: Inselfestung, Verteidigungsstruktur, Wirtschaftseinheit und Repräsentationsort. Das zentrale Element war die vollständig von Wassergräben umgebene Hauptburginsel, ergänzt durch eine südlich vorgelagerte Turminsel und eine festlandseitige Vorburg.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.