Ein wesentliches Element barocker Gartenanlagen war die Mischung aus Zier- und Nutzpflanzung – besonders in Form von geometrisch gefassten Baumquartieren innerhalb des Gartens und einer funktionalen Baumschule zur Anzucht. In Angern finden sich beide Elemente im Pro Memoria belegt.
In Deutschland etablierte sich die systematische Anlage von Baumschulen erst im späten 18. Jahrhundert. Im fürstlichen Bereich, etwa in Dessau-Wörlitz, entstehen ab ca. 1770 öffentliche und private Baumschulen als Teile umfassender Reformbewegungen im Geist der Aufklärung – verbunden mit agrarischen, forstlichen und bildungspolitischen Zielsetzungen. In Angern ist die bereits 1745 nachweislich bestehende Baumschule somit außergewöhnlich früh belegt. Ihre flexible, praxisnae Einbindung in die Gartenanlage verweist auf ein fortschrittliches Verständnis gärtnerischer Selbstversorgung – noch vor ihrer breiten Durchsetzung in der mitteleuropäischen Gartenkultur.
1. Obstbusquets in geometrischen Quartieren
Innerhalb der ummauerten Gartenanlage, südlich des Schlosses, sollten sechs durch Alleen gegliederte Felder entstehen. Diese Quartiere waren für eine gezielte Obstbaumbepflanzung vorgesehen, in Kombination mit Hecken und strukturierenden Wegen:
„[…] sollen die Vier Haubt Gänge bis an die Mauer continuiret werden […] so sollen diese Felder mit kleinen Hecken etwa 4 Fuß (ca. 1,20 m) hoch umzogen und in denen Feldern von allerhandt Sorten Obst Bäumen busquets angelegt werden.“ (Punkt 9–10)
Im barocken Gartenverständnis bezeichnet der Begriff Busquet (von französisch bosquet) eine kleine, regelmäßig angelegte Baum- oder Strauchgruppe, die meist geometrisch geformt und durch Hecken oder Wege gerahmt war. In Ziergärten dienten Busquets häufig der Inszenierung – sie konnten Nischen, Statuen oder Sitzplätze verbergen – doch im utilitären Kontext, wie im Garten von Angern, wurden sie funktional interpretiert: als dichte Pflanzgruppen aus verschiedenen Obstsorten innerhalb der symmetrischen Gartenfelder. Ihre Anordnung erlaubte eine Mischung aus dekorativer Wirkung und effizienter Bewirtschaftung, wobei die geometrische Einbindung der Baumgruppen in das übergeordnete Achsenraster erhalten blieb. Busquets verkörpern damit den barocken Versuch, Natur zu ordnen, fruchtbar zu machen und zugleich gestalterisch zu veredeln. Zugleich enthalten die Anweisungen auch eine Höhenbegrenzung:
„Diese Bäume aber müßten nicht höher gezogen werden, als die Garten Mauer ist.“ (Punkt 10)
Dies diente sowohl der Wahrung des Gesamtbildes und der Sichtachsen, als auch der symbolischen Einhegung der Natur – ein zentrales Thema der barocken Gartenkunst.
2. Flexibel platzierte Baumschule
Unabhängig von den fest geplanten Busquets erlaubte der Text dem Gärtner, eine eigene Baumschule zur Anzucht junger Bäume anzulegen. Diese war nicht fest verortet, sondern sollte sich dem praktischen Bedarf und den räumlichen Gegebenheiten unterordnen:
„Die anzulegende Baum Schule kann der Gärtner hinlegen, wo Er meynet daß sie sich am besten schicket, wann nur an den Lust Feldern und an dem Ansehen des Gartens nichts dadurch verhindert wird.“ (Punkt 16)
Diese Formulierung lässt auf eine wirtschaftlich orientierte Nebenzone schließen – vermutlich außerhalb der Hauptachsen oder in der Nähe funktionaler Gebäude wie Scheune oder Gärtnerwohnung. Der Hinweis „ist geschehen“ am Ende dieses Punktes belegt, dass die Baumschule zur Zeit der Aufzeichnung bereits bestand. Die Funktion dieser Baumschule bestand wahrscheinlich in der Aufzucht von Spalierobst, Alleebäumen (Eschen, Ulmen), Hainbuchen für Hecken und Kabinette sowie von Nussbäumen, die in Punkt 26 separat behandelt werden:
„Die Junge Wall Nuß Bäume, werden […] auf die Gräben um den Alten Thier Garten herum gesetzet […].“ (Punkt 26)
Die gezielte Weiterverpflanzung junger Bäume aus der Baumschule in strukturierte Gartenbereiche zeigt das barocke Prinzip des „wachsenden Gartens“ – die Anlage war nicht statisch, sondern wurde über Jahre hinweg gepflegt, ergänzt und erneuert.
Fazit: Die Kombination aus dekorativ-fruchttragenden Obstquartieren und einer flexiblen, funktionalen Baumschule spiegelt das barocke Ideal wider, Nützlichkeit und Schönheit miteinander zu verbinden. In Angern war dies nicht nur Planung, sondern bereits Praxis: Die Umsetzung der Baumschule war erfolgt, und der Garten als System kontinuierlicher Kultivierung angelegt – eine Vision des kontrollierten Wachstums im Dienste der Ordnung, die das barocke Gartenverständnis wesentlich prägte.