Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Von Turin nach Angern – Transnationale Geldtransfers im Kontext des Gutsankaufs Christoph Daniel von der Schulenburgs (1737–1738): Der Erwerb des Ritterguts Angern-Vergunst durch Generalleutnant Christoph Daniel von der Schulenburg im Jahr 1738 stellt nicht nur ein bemerkenswertes Beispiel adeliger Konsolidierungspolitik in der Altmark dar, sondern offenbart zugleich die komplexen Mechanismen transnationaler Kapitalbewegungen im 18. Jahrhundert. Im Zentrum steht die Frage, wie ein adliger Einzelakteur außerhalb etablierter Hof- und Kreditstrukturen ein Großvorhaben im ländlichen Brandenburg finanziell realisierte – nicht aus lokaler Gutswirtschaft, sondern über ein internationales Netzwerk mit Stationen in Turin, Venedig, Leipzig und Magdeburg. Das folgende Essay analysiert auf der Grundlage der archivalisch überlieferten Berichte von Oberamtmann Croon (Rep. H Angern Nr. 336) die Struktur, Organisation und Symbolik dieses Geldtransfers und ordnet ihn in den größeren Kontext frühneuzeitlicher Finanz- und Besitzpolitik ein.

Ausgangspunkt: Militärdienst und Kapitalbildung in Piemont

Christoph Daniel von der Schulenburg (1679–1763) stand über zwei Jahrzehnte im Dienst des Königs von Sardinien und stieg dort bis zum General der Infanterie auf – ein Karriereweg, der im 18. Jahrhundert vielen hochadligen Offizieren offenstand, insbesondere im Kontext europäischer Militärallianzen. In dieser Funktion konnte er nicht nur ein beträchtliches Einkommen erzielen, sondern auch Rücklagen bilden, die in den oberitalienischen Finanzzentren – insbesondere in Turin – sicher deponiert wurden. Diese aus dem Piemont stammenden Mittel bildeten nachweislich die finanzielle Grundlage für seine Rückkehr in die mitteldeutschen Besitzungen der Familie und die gezielte Konsolidierung des zersplitterten Gutskomplexes in Angern, das im damaligen Herzogtum Magdeburg unter preußischer Verwaltung lag. Die bewusste Entscheidung, diese Gelder über internationale Wechselstationen nach Magdeburg zu überführen, verweist auf zwei zentrale Merkmale frühneuzeitlicher Adelsökonomie: einerseits auf die grenzüberschreitende Mobilität privat gehorteter Vermögen in einem Europa ohne nationale Kapitalbindung, andererseits auf die Fähigkeit einzelner Akteure, solche Rücklagen zur strategischen Besitzpolitik und herrschaftlichen Konsolidierung in der Heimat einzusetzen.

Die Stationen des Transfers: Turin, Venedig, Leipzig, Magdeburg

Die erste dokumentierte Etappe des Kapitaltransfers führt nach Turin, wo Christoph Daniel von der Schulenburg über persönliche Rücklagen aus seiner Zeit im sardischen Militärdienst verfügte. Die Verwaltung dieser Gelder lag vermutlich bei dem Finanzagenten Philipp du Mont (in Quellen auch Dumont), der die Überweisung im Rahmen eines Wechselgeschäfts organisierte. Dabei wurde kein Bargeld physisch transportiert, sondern ein Wechselauftrag an den venezianischen Bankier Johann Pommer übermittelt, der das Geschäft ausführte (vgl. Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 412).

Pommer wiederum leitete den Gegenwert per Wechselbrief an das Leipziger Bankhaus bzw. Handelshaus Faber & Küstner weiter. Dort wurden diese Wechselanweisungen – schriftliche Zahlungsversprechen, die eine Auszahlung an einem anderen Ort ermöglichten – eingelöst. Faber & Küstner, ein renommiertes Institut im überregionalen Kreditverkehr, fungierte dabei als korrespondierender Finanzvermittler, der die Auszahlung der in Turin bereitgestellten Summe durch seinen Partner in Magdeburg ermöglichte – vermutlich in Louisd’or oder Reichstalern. Dieses Verfahren entsprach der etablierten internationalen Handelspraxis des 18. Jahrhunderts, die auf Sicherheit, Vertraulichkeit und schnelle Liquidität ausgerichtet war.

Die tatsächliche Auszahlung erfolgte in Magdeburg. Am 23. Juni 1738 wurde der Betrag unter Aufsicht des Bevollmächtigten Mr. Tissot und eines Bruders des Bankiers Philipp du Mont an den Verkäufer Amtmann Lademann übergeben. Das Geld wurde in versiegelten Beuteln überreicht, die vor Ort geöffnet und in zwei Fässer umgefüllt wurden (vgl. Gutsarchiv Angern, Rep. H 336, Nr. 17). Der Ablauf zeigt exemplarisch, wie große Geldsummen über ein transnationales Wechselnetzwerk mobilisiert wurden: Der eigentliche Wertfluss erfolgte über Buchverrechnung zwischen den beteiligten Bankiers, die Auszahlung aber direkt am Zielort – unter persönlicher Kontrolle, notarieller Aufsicht und symbolischer Rechtsform.

Konflikte und Rituale: Übergabe in Magdeburg: Ein bemerkenswerter Moment der Transaktion war der Streit um den genauen Ort der Auszahlung: Während Tissot forderte, dass der Verkäufer bzw. dessen Vertreter Amtmann Lademann das Geld im eigenen Quartier entgegennehme, bestand dieser auf der Übergabe im Haus des Geheimen Rats von Haeseler, wo die Summe in Deposito gegeben werden sollte. Croon schlichtete den Konflikt pragmatisch mit dem Hinweis, dass zwar Magdeburg als Zahlungsort bestimmt sei, der Ort im engeren Sinne aber nicht näher präzisiert worden war. Die Übergabe der 33.000 Taler in Goldmünzen (Louisd’or blanc), dokumentiert durch fünf Bündel à 2.000 Taler sowie weitere 13.000 Taler, erfolgte schließlich mit Quittung und unter notarieller Aufsicht. Dies zeigt, dass der Akt der Geldübergabe nicht nur wirtschaftliche, sondern auch juristisch-symmetrische und symbolische Bedeutung besaß. Die transnationale Zahlung wurde in eine ritualisierte Form der Besitzübertragung eingebettet, die Vertrauen und Verbindlichkeit im Fehlen zentralstaatlicher Garantien schaffen musste.

Dieses mehrstufige Zahlungsnetz – Turin → Venedig → Leipzig → Magdeburg – belegt die Nutzung eines grenzüberschreitenden Kredit- und Wechselnetzwerks, wie es für vermögende Militäradlige im 18. Jahrhundert charakteristisch war. Die Verknüpfung von Handelsbankiers, Korrespondenzstellen und Vertrauensleuten ermöglichte es Schulenburg, seine im sardischen Dienst aufgebauten Rücklagen über gesicherte Stationen in die Heimat zu transferieren und dort gezielt für Bau, Besitzkonsolidierung und Schuldentilgung einzusetzen.

Finanzströme zwischen Piemont und Altmark – Die Geldtransfers aus Turin (1736–1738)

Bereits im Jahr 1736, also rund zwei Jahre vor dem formalen Übergang des Gutes Angern-Vergunst, lässt sich anhand der Gutskassenbücher ein strukturierter Kapitalzufluss aus Turin belegen, der zweifelsfrei in direktem Zusammenhang mit der geplanten Konsolidierung des Angerner Besitzes steht. In den Einnahmeregistern der Gutskasse erscheint am 12. Mai 1736 ein Zahlungseingang über 5.919 Taler, mit dem ausdrücklichen Vermerk: „von Mons. Sandrat zu Magdeburg par Ordre Mons. Dumont empfangen“. Zwei weitere Einträge aus dem August desselben Jahres ergänzen dieses Bild: Am 14. August werden 3.000 Taler, am 17. August weitere 2.108 Taler ebenfalls „par Ordre Mons. Dumont“ von demselben Sandrat in Magdeburg entgegengenommen. Die Summe dieser drei Transaktionen ergibt exakt 11.027 Taler, womit sie die größten Einzelzuflüsse der gesamten Einnahmeseite des Jahres 1736 bilden.

Dass diese Gelder tatsächlich aus Turin stammten, wird durch einen Parallelvermerk in der Ausgabensektion der Kasse für das Folgejahr bestätigt. Dort heißt es pauschal: „Von Turin aus ist hinausgeschickt worden“, und es folgen exakt dieselben drei Beträge – 5.919, 3.000 und 2.108 Taler – jeweils mit dem Zusatz „lt. Quittung“, was eine ordnungsgemäße Dokumentation belegt. Der Transferweg lässt sich damit weitgehend rekonstruieren: Monsieur du Mont, vermutlich in Turin oder im italienischen Finanzraum tätig, beauftragte den Transfer, während Monsieur Sandrat die Empfangsbestätigungen unterzeichnete. Ob Sandrat den Betrag tatsächlich in Magdeburg ausgezahlt oder nur quittiert hat, bleibt offen; angesichts der bekannten Abläufe ist vielmehr anzunehmen, dass die faktische Auszahlung der Gelder über das Leipziger Bankhaus Faber & Küstner organisiert wurde. Die dreifache Quittung in den Gutsrechnungen („Von Turin aus hinausgeschickt worden… lt. Quittung 1–3“) spricht für eine strukturierte Buchungskette mit quittierter Empfangsbestätigung – ein Beleg für die Seriosität und Effizienz des verwendeten Wechselnetzwerks.²

Der Transfer der Mittel aus dem Piemont beruhte nicht auf physischem Goldtransport über die Alpen, sondern auf dem im 18. Jahrhundert etablierten Wechselgeschäft, das große Summen sicher, schnell und ohne direkte Bargeldbewegung transferierbar machte. Christoph Daniel von der Schulenburg ließ seine Rücklagen aus Turin über das venezianische Handelshaus Pommer in Form von Wechselbriefen an das Bankhaus Faber & Küstner in Leipzig übermitteln. Dieses renommierte Institut des überregionalen Kreditverkehrs löste die Wechsel ein und zahlte den Gegenwert – mutmaßlich in Louisd’or oder Reichstalern – direkt in Leipzig aus. Die Grundlage dieser Transaktionen war ein europaweites Netz korrespondierender Bankiers und Kaufleute, das über gegenseitige Verrechnung von Forderungen eine faktische Wertbewegung ermöglichte – ohne die Risiken physischen Geldtransports. Der Erfolg beruhte nicht auf institutioneller Garantie, sondern auf persönlichem Vertrauen und Reputation. Pommer, wie auch Faber & Küstner, genossen diese im höchsten Maße. Schulenburg konnte auf diese Weise seine im Ausland erworbenen Mittel diskret und effizient zur Baufinanzierung und Güterkonsolidierung in der Mark Brandenburg verfügbar machen – ein typisches Verfahren des vermögenden Hochadels seiner Zeit.

Diese früh dokumentierten Gelder ergänzen den später im Jahr 1738 bezeugten Großtransfer von 33.000 Talern in Gold, der über den venezianischen Bankier Johann Pommer, das Leipziger Bankhaus Faber & Küstner, den Bevollmächtigten Mr. Tissot und den Gelehrten Geheimrat von Haeseler nach Magdeburg gelangte und dort dem Verkäufer Amtmann Lademann übergeben wurde. Zusammengenommen ergibt sich ein hochkomplexes Bild frühneuzeitlicher Finanzorganisation: In einem Zeitraum von rund zwei Jahren ließ Christoph Daniel von der Schulenburg in mehreren Tranchen erhebliche Mittel aus seinem italienischen Privatvermögen nach Angern transferieren – auf dem Wege persönlicher Kontakte, mit schriftlich quittierten Zahlungsbelegen, dokumentiert auf beiden Seiten der Gutskassenbücher. Die Transaktionen belegen damit nicht nur Christoph Daniels ökonomische Handlungsfähigkeit, sondern auch die Mobilität und strukturelle Vernetzung adliger Kapitalflüsse im frühneuzeitlichen Europa. Sie stehen exemplarisch für einen Typus von Investition, der zwischen Militärdienst, internationalem Kreditverkehr und lokalem Besitzstreben vermittelt und dabei auf ein fein geknüpftes Vertrauensnetzwerk statt auf institutionalisierte Banken setzte.

Die Rolle der Beteiligten: Netzwerke des Vertrauens

Die in den Quellen namentlich genannten Akteure zeigen deutlich, dass der Geldtransfer von Turin nach Angern zwischen 1736 und 1738 nicht allein über abstrakte Bankverbindungen lief, sondern auf einem personengebundenen Vertrauensnetzwerk beruhte, das mehrere europäische Finanzplätze miteinander verband.

Ein zentraler Akteur in der Abwicklung der Finanztransfers aus Italien war der Bankier Philipp du Mont (bzw. Dumont), dessen Familie vermutlich in Venedig, Turin oder Leipzig ansässig war. Bereits in den Gutsrechnungen von 1736/37 tritt er mehrfach als Ordergeber substantieller Überweisungen aus Turin in Erscheinung. Die Einträge vermerken regelmäßig: „par Ordre Mons. du Mont“, wobei auf seine Weisung hin insgesamt 11.027 Taler an Monsieur Sandrat in Magdeburg ausgezahlt wurden. Anders als einfache Korrespondenzbanken übernahm die Familie du Mont offenbar auch operative Verantwortung im physisch-logistischen Ablauf der Transaktion. In Rep. H Angern Nr. 336, Nr. 17 wird eigens erwähnt, dass ein Bruder Philipp du Monts gemeinsam mit Schulenburgs Bevollmächtigtem Mr. Tissot nach Magdeburg reiste, um die Auszahlung des Goldes persönlich zu überwachen. Dies deutet darauf hin, dass die du Monts als zentrale Mittler zwischen den italienischen Vermögensquellen (vermutlich über das Haus Pommer) und den brandenburgischen Empfängern agierten – mit Kontrollfunktion vor Ort. Ob sich Philipp du Mont selbst dauerhaft in Turin aufhielt, ist archivalisch nicht eindeutig belegt; doch sprechen die erhaltenen Zahlungsanweisungen und die persönliche Präsenz seiner Familie in Magdeburg für eine Zugehörigkeit zu einem überregional agierenden Finanznetzwerk, das in enger Abstimmung mit venezianischen und sächsischen Wechselstellen operierte. Die Rolle von Monsieur Sandrat in Magdeburg, der die Zahlungen auf du Monts „Ordre“ ausführte, verweist auf ein abgestimmtes Vermittlersystem, das den Geldfluss von Piemont über Venedig und Leipzig bis nach Angern strukturierte – abgesichert durch schriftliche Zahlungsanweisungen und persönliche Präsenz vor Ort.

Im Kontext der Geldtransfers Christoph Daniel von der Schulenburgs spielte das Leipziger Handelshaus Faber & Küstner (in den Quellen auch als „Kürtner“ bezeichnet) eine zentrale Rolle als Verrechnungs- und Durchleitungsstelle im Rahmen des transnationalen Wechselverkehrs. Zwar handelte es sich formal nicht um eine „Bank“ im modernen Sinne, doch verfügte das Unternehmen über weitreichende Erfahrungen im Wechselhandel, insbesondere im Rahmen der Leipziger Messe, die im 18. Jahrhundert als eines der bedeutendsten Finanz- und Kreditzentren Mitteldeutschlands fungierte. Faber & Küstner trat als adressierter Zahlungsempfänger in Leipzig auf und war zuständig für die Bereitstellung der Schulenburg’schen Mittel in Form von barer Auszahlung oder Lieferung von Louisd’or-Münzen an die Zielorte (Magdeburg/Angern). Ihre Funktion bestand somit in der liquiditätswirksamen Umsetzung des venezianischen Wechselauftrags, wobei sie den letzten Schritt im Wechselkreislauf darstellten – von der abstrahierten Schuldverschreibung zum konkreten, lokal einlösbaren Geldmittel. Die Auswahl dieses Handelshauses unterstreicht Schulenburgs Vertrauen in renommierte, international tätige Akteure, die über die nötige Reputation verfügten, um große Summen sicher und diskret in Mitteldeutschland verfügbar zu machen.

Monsieur Sandrat, der in den Kassenbüchern des Gutsarchivs Angern mehrfach genannt wird, übernahm im Jahr 1736 in Magdeburg die Rolle einer lokalen Auszahlungsstelle. In seiner Funktion als Zahlungsvermittler quittierte er nacheinander drei Einzelbeträge über insgesamt 11.027 Taler, jeweils „par Ordre Mons. du Mont“, und führte somit die Auszahlung der in Turin angewiesenen Gelder faktisch durch. Diese wiederholte Beauftragung und sein Auftreten als vertrauenswürdiger Ausführer der Überweisung belegen, dass Magdeburg bereits in der Frühphase der Transferbewegungen – also vor dem Großtransfer von 1738 – als ein etablierter Finanzknotenpunkt im länderübergreifenden Wechselnetz agierte.

Mr. Tissot, ein persönlicher Bevollmächtigter Christoph Daniel von der Schulenburgs, war unmittelbar mit der Kontrolle und Absicherung der Zahlungsprozesse im Rahmen des Gutsankaufs betraut. Schon in Leipzig war er in „frühere Zahlungsanweisungen“ eingebunden, bevor er später die Verantwortung für die Auszahlung an Amtmann Lademann in Magdeburg übernahm. Seine Rolle ging dabei deutlich über bloße Botengänge hinaus. So heißt es: „haben Ew. Exz. meines wenigen Erachtens am besten getan zur Vermeidung aller Risque Mr. Tissot herauszuschicken“, da „die Gelder … bei Herrn Geh. Rat von Haeseke in vollkommener Sicherheit sein“ sollten. Der Einsatz Tissots erscheint als gezielte Maßnahme zur rechtlich abgesicherten Übergabe erheblicher Barvermögen. Dass er bei Unstimmigkeiten über den Ort der Auszahlung selbst intervenierte, belegt seine umfassenden Vollmachten: „lange soll Mr. Tissot nicht aufgehalten werden, da mir bekannt, wie nötig, ja unentbehrlich seine Person Ew. Exz. und dem Regiment [ist]“. Gleichwohl wurde ihm zugemutet, mit dem Verfasser „von Leipzig eine Tour nach Angern [zu] tun und die Güter samt dem Baubesche[n] könne“. Die präzise Überwachung des finalen Auszahlungsstadiums unterstreicht, wie stark Christoph Daniel von der Schulenburg auf persönliche Kontrolle, rechtlich abgesicherte Abläufe und handverlesene Vertrauenspersonen setzte, um seine transnationalen Vermögenswerte in lokale Besitzverhältnisse zu überführen. Die Formulierung in REP H 336 Nr. 12, Mr. Tissot sei „unentbehrlich […] dem Regiment“, deutet mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine aktive militärische Funktion im direkten Umfeld Christoph Daniel von der Schulenburgs hin. Als dieser bis Mitte der 1730er Jahre in sardinisch-piemontesischen Diensten stand, gehörte Tissot vermutlich dem gleichen Regiment oder zumindest dessen Stab an – etwa als Adjutant, Zahlmeister oder Verwaltungsoffizier. Der Name Tissot legt eine frankophone Herkunft nahe, was gut zu den internationalen Personalstrukturen der sardinischen Armee passt, in der zahlreiche französische, schweizerische und deutsche Offiziere dienten. Der Umstand, dass Tissot trotz seiner militärischen Unverzichtbarkeit für eine zivilrechtlich und finanziell heikle Mission nach Mitteldeutschland beordert wurde, belegt sein besonderes Vertrauensverhältnis zu Schulenburg. Er übernahm dabei nicht nur die persönliche Überwachung größerer Geldbewegungen, sondern auch die juristisch einwandfreie Übergabe von Vermögenswerten an örtliche Amtsträger – eine Aufgabe, für die neben absoluter Loyalität auch Erfahrung im Umgang mit militärisch-administrativen Abläufen und eine disziplinierte Amtsführung unabdingbar waren.

Johann Pommer, ein Bankier in Venedig, war Ausgangspunkt der späteren Großüberweisung. Er erhielt den Auftrag, 33.000 Taler in Louisd’or blanc bereitzustellen und an das Leipziger Bankhaus Faber & Küstner weiterzuleiten, das wiederum als Durchleitungsstelle zur Auszahlung in Magdeburg fungierte. Ein vertiefter Blick in die Handels- und Ransomsysteme des frühen 18. Jahrhunderts belegt, dass die Familie Pommer in Venedig zu den am besten vernetzten deutschen Bankiers im Mittelmeerraum zählte. Johann Jacob Pommer (1659–1717), ursprünglich aus Wien, hatte sein kaufmännisches Handwerk bei seinem Onkel in Venedig erlernt und dort ein großes Handels- und Wechselgeschäft aufgebaut.¹ Bereits ab 1715 wurde er von der dänischen Krone als Hauptagent der Sklavenkasse beauftragt, um den Freikauf dänisch-norwegischer Seeleute aus algerischer Gefangenschaft abzuwickeln – ein Auftrag, der nach seinem Tod 1717 von seinem Sohn Johannes Pommer (1692–1753) übernommen wurde.² Die Pommers waren dabei nicht nur für logistische und finanzielle Transaktionen zuständig, sondern bildeten ein Bindeglied zwischen Venedig, Livorno, Hamburg, Amsterdam, London – und Kopenhagen. Das Geschäft wurde fast ausschließlich über Wechselbriefe abgewickelt; die Pommers erhielten 1 % Provision und organisierten den Transfer über ihre weitgespannten Netzwerke mit bemerkenswerter Effizienz.³ Auch wenn es keinen direkten Beleg für eine Geschäftsbeziehung zwischen Christoph Daniel von der Schulenburg und den Pommers gibt, zeigt sich anhand der Struktur der in Rep. H Nr. 412 dokumentierten Kapitaltransfers über Venedig, dass es sich um genau jene Art von Bank- und Wechselnetzwerk handelt, wie sie die Pommers zwischen 1715 und 1750 betrieben. Die Wahl Venedigs als Knotenpunkt für Kapitalübertragungen spricht dafür, dass auch Schulenburgs Transaktionen Teil dieses nord-süd-europäischen Systems waren, das auf gegenseitigem Vertrauen, Konsulaten, jüdischen und protestantischen Handelsnetzwerken sowie stabilen Wechselkursverhältnissen basierte.

Der Geheime Rat Gottlieb von Haeseler (1701–1752), königlich-preußischer Beamter im Herzogtum Magdeburg, fungierte im Rahmen des Geldtransfers nicht als aktiver Teilnehmer der internationalen Überweisungskette, wohl aber als juristisch legitimierende Instanz im Schlussakt der Eigentumsübertragung. Auf Wunsch von Amtmann Lademann, dem bevollmächtigten Vertreter des Verkäufers, sollte die Auszahlung der 33.000 Taler in den Räumlichkeiten von Haeseler in Magdeburg stattfinden. Diese Wahl war keineswegs zufällig: Haeseler, seit 1733 geadelt und mit umfassenden administrativen Befugnissen ausgestattet, galt als hochangesehene Vertrauensperson mit formaler Autorität. Als Regierungs- und Geheimer Rat stellte er die nötige rechtliche und soziale Absicherung für einen derart bedeutenden Kapitaltransfer bereit. Der Disput zwischen Tissot (dem Vertreter Schulenburgs) und Lademann über den Ort der Übergabe unterstreicht die zentrale Rolle Haeselers als neutrale, öffentlich anerkannte Instanz. Sein Haus diente letztlich als symbolisch aufgeladener Ort rechtssicherer Übergabe: Dort konnte die Zahlung deponiert, gezählt, quittiert und notariell beurkundet werden – ein Akt, der dem Transfer nicht nur juristische Gültigkeit, sondern auch soziale Legitimität verlieh.

Monsieur Croon, langjähriger Sekretär und Verwalter Schulenburgs, war zwar nicht persönlich an der Bargeldübergabe beteiligt, koordinierte jedoch sämtliche vorbereitenden und nachbereitenden Schritte. Er war für die korrekte Buchführung der Zahlungseingänge zuständig und notierte in den Gutsakten ausdrücklich, das Geld sei „von Turin aus hinausgeschickt worden“. Croon stellte damit die dokumentarische Brücke zwischen internationalem Kapitalfluss und lokaler Rechnungsführung her.

Die Verteilung dieser Rollen zeigt exemplarisch, wie sich Frühaufklärung, Adelsmacht und transnationale Wirtschaftsnetzwerke miteinander verbanden. Der Zugang zu verlässlichen Mittelsmännern, die sich über Jahre bewährt hatten, und zu etablierten Finanzplätzen wie Venedig, Leipzig und Magdeburg war essenziell, um eine derart große Summe sicher über die Alpen und durch mehrere Staaten hinweg nach Norddeutschland zu bringen.

Der Geldtransfer diente nicht allein der Eigentumsübertragung – er war zugleich Teil eines öffentlichen Aktes von Legitimation. Die exakte Dokumentation, die Quittung in Goldmünzen, das Beisein von Notar, Bevollmächtigtem und Vertreter des Verkäufers: all dies verweist auf ein Verständnis von Besitz als öffentlich gesicherte, symbolisch codierte Herrschaft. In diesem Sinne lässt sich der Transfer nicht nur als ökonomischer Vorgang, sondern als Herrschaftsritual verstehen, in dem das materielle Kapital zum Träger einer neuen Rechts- und Ordnungsstruktur wurde – sichtbar gemacht durch die Zahlung, besiegelt durch Unterschriften, verkörpert durch Rituale wie Handschlag und Huldigung.

Ein transnationales Vermögen – Die Rücklagen Christoph Daniels und ihre Rolle in der Baufinanzierung

Christoph Daniel von der Schulenburg verfügte über erhebliche Rücklagen, die er während seiner langen militärischen Karriere im Ausland – insbesondere im Dienst des Königs von Sardinien-Piemont – angesammelt hatte. Diese Vermögenswerte dienten nach seiner Rückkehr nach Angern ab 1735 als Hauptfinanzierungsquelle für den aufwendigen Schlossneubau sowie den Erwerb des Ritterguts Angern-Vergunst. Bereits bis Mai 1737 sind nachweislich 11.027 Taler aus Turin nach Angern übertragen worden, die über Wechselgeschäfte abgewickelt und schließlich in Magdeburg bar ausgezahlt wurden.¹ Für den Kauf von Angern-Vergunst im Mai 1738 – dokumentiert mit einem Preis von 50.000 Talern² – müssen weitere umfangreiche Mittel mobilisiert worden sein. Dazu kommt der Ankauf von weiteren Gütern wie Krüssau und nicht belegte Kosten für die Innenausstattung des Schlosses. Konservativ geschätzt lassen sich somit bis mindestens 1738 rund 60.000 Taler an Rücklagen aktivieren. Rechnet man mit einem durchschnittlichen Umrechnungswert von 1 Taler ≈ 40 Euro in heutiger Kaufkraft, so entspricht dies einem Vermögen von mindestens 2,4 Millionen Euro – eine außergewöhnliche Summe für einen Einzelhaushalt des mitteldeutschen Adels im 18. Jahrhundert. Die Herkunft dieser Rücklagen belegt die transnationale Mobilität und wirtschaftliche Eigenständigkeit adeliger Karrieren im Militärdienst der europäischen Staatenwelt.

Christoph Daniel von der Schulenburg stand seit den 1720er Jahren im Dienst der Könige Viktor Amadeus II. und Karl Emanuel III. von Sardinien-Piemont, vermutlich zunächst im Rahmen eines preußisch-sardinischen Offiziersaustauschs und später als Generalleutnant der Infanterie im aktiven Kriegs- und Garnisonsdienst. Zwar ist keine vollständige Gehaltsliste erhalten, doch lassen sich Art und Umfang seines sardinischen Einkommens historisch fundiert einschätzen:

Dienstgrad: Generalleutnant: Schulenburg wird in den Quellen mehrfach als Generalleutnant im Dienst des Königs von Sardinien bezeichnet – einem Rang, der im 18. Jahrhundert mit bedeutenden Einkünften, Nebenleistungen und sozialen Privilegien verbunden war. In den Armeen kleinerer europäischer Staaten wie Savoyen-Sardinien waren ausländische Offiziere üblich, und hochrangige Ränge wurden teils mit überdurchschnittlichen Gehältern besetzt, um Loyalität zu sichern. Für einen Generalleutnant in ausländischem Dienst kann man mit einem Jahresgehalt zwischen 2.000 und 3.500 Talern rechnen – zusätzlich zu Gratifikationen, Reisezuschüssen, Kriegsbeuteanteilen und Versorgung (z. B. freie Unterkunft, Pferde, Diener, Naturalien).

Dienstzeit und Kapitalbildung: Schulenburg hielt sich nachweislich über mehrere Jahre in Piemont und Turin auf. Rechnet man konservativ mit 8–10 Jahren aktiven Diensts, ergibt sich bei durchschnittlich 2.500 Talern jährlich ein Haupteinkommen von etwa 20.000 bis 25.000 Talern. Dazu kamen mutmaßlich:

  • Sonderzahlungen bei Feldzügen,
  • Zinsgewinne durch Anlage seines Soldes bei Bankiers in Turin,
  • mögliche Pensionsteile oder Abschlagszahlungen bei Vertragsauflösung.

Dies deckt sich mit der dokumentierten Übertragung von mindestens 11.027 Talern bis 1737 und der Fähigkeit, 50.000 Taler für den Kauf von Angern-Vergunst aufzubringen – ein Gesamtvermögen von rund 60.000 Talern, das mit einer militärischen Karriere dieser Dauer und Stellung im Ausland plausibel erklärbar ist.

Buchhalterischer Umgang mit dem Vermögen: Bemerkenswert ist, dass Christoph Daniel von der Schulenburg sein sardisches Einkommen nicht unmittelbar nach Deutschland überführte, sondern es offenbar zunächst bei Vertrauensleuten wie Monsieur du Mont (in Quellen auch Dumont) in Turin deponierte. Von dort aus ließ er die Mittel über ein gestaffeltes Wechselnetzwerk – unter Einschaltung von Bankiers wie Johann Pommer in Venedig und Faber & Küstner in Leipzig – durch quittierte Zahlungsanweisungen in Magdeburg verfügbar machen. Diese verzögerte, aber dokumentierte Vermögensübertragung diente nicht der laufenden Deckung von Ausgaben, sondern war Ausdruck strategischer Finanzplanung: Schulenburg betrachtete sein Auslandskapital als gezielte Rücklage für spätere Repräsentations- und Konsolidierungsvorhaben – insbesondere für den Schlossbau in Angern und den Erwerb umliegender Rittergüter.

Christoph Daniels sardischer Dienst sicherte ihm über Jahre hinweg ein bedeutendes Einkommen von vermutlich bis zu 30.000 Talern, das er – klug zurückgelegt und durch vertrauenswürdige Finanzvermittler verwaltet – zur Grundlage eines der umfangreichsten privaten Bauprojekte in der Altmark machte.

Fazit

Der Erwerb von Angern-Vergunst durch Christoph Daniel von der Schulenburg war weit mehr als eine territoriale Expansion im Rahmen adliger Besitzpolitik. Er war ein vielschichtiger Akt transnationaler Finanzorganisation, der exemplarisch aufzeigt, wie Adelige des 18. Jahrhunderts zwischen Militärdienst, Vermögensbildung im Ausland, familiärer Konsolidierung und grundherrlicher Reorganisation operierten. Die Kapitalflüsse, die diesem Gutsankauf zugrunde lagen, verliefen nicht durch abstrakte Finanzinstitutionen, sondern über ein personengebundenes Vertrauensnetzwerk mit Stationen in Turin, Venedig, Leipzig und Magdeburg. Dass über mehrere Jahre hinweg hohe Summen in Gold und Silber in gestaffelten Raten transferiert, quittiert, gesichert und lokal abgerechnet wurden, belegt ein hohes Maß an organisatorischer Leistungsfähigkeit und juristischer Klarheit im frühneuzeitlichen Adelsmilieu.

Die Kombination aus ausländischem Ordergeber (Philipp du Mont), lokalen Vermittlern (Sandrat, Faber & Küstner), Rechtsgaranten (Haeseler) und Repräsentanten (Tissot, Croon) zeigt eindrucksvoll, wie Herrschafts- und Besitzstrukturen im 18. Jahrhundert nicht isoliert, sondern im engen Austausch mit europäischen Finanznetzwerken standen. Schulenburgs Handeln verbindet dabei ökonomische Rationalität mit symbolischer Machtpolitik: Die Zahlung in Louisd’or, die feierliche Besitzübergabe, der notariell begleitete Huldigungseid und die explizite Dokumentation im Gutsarchiv spiegeln die Gleichzeitigkeit von Rechtsform, öffentlicher Performanz und dynastischer Selbstbehauptung.

Die archivalischen Nachweise aus Rep. H 336 und Rep. H 409 erlauben nicht nur die Rekonstruktion der Geldflüsse, sondern bieten einen einzigartigen Einblick in die Verzahnung von Mikrogeschichte und Makroprozessen: Sie zeigen, wie frühneuzeitliche Herrschaft auf der präzisen Verknüpfung von Geld, Recht und symbolischer Ordnung beruhte – lange bevor diese Zusammenhänge in der Moderne durch Institutionalisierung und Anonymisierung abgelöst wurden. Der Fall Schulenburg steht damit nicht nur für eine besonders gelungene Gutsübernahme, sondern für ein historisches Modell der personalen Globalisierung im Dienst dynastischer Stabilität.

Quellen

  • Gutsarchiv Angern, Rep. H Angern Nr. 336 (1737–1739): Berichte Croons an Christoph Daniel von der Schulenburg.
  • Heinrich Bergner: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt, Halle 1911.
  • Johann Friedrich Danneil: Das Geschlecht der von der Schulenburg, Bd. I–II, Salzwedel 1847.
  • Gutsarchiv Angern, Rep. H 409, Einnahmen 1736 (Bl. 26–27): Zahlungen „par ordre de Mons. Dumont“ über Sandrat an Croon.
  • Gutsarchiv Angern, Rep. H 409, Ausgabenseite (Bl. 28): „Von Turin aus hinausgeschickt worden“, Quittungen 1–3.

Fußnoten

  1. Magnus Ressel: Venice and the Redemption of Northern European Slaves (17th–18th Centuries), Cahiers de la Méditerranée 87 (2013), https://journals.openedition.org/cdlm/7194, Abschnitt 15–18.
  2. Ebd., Abschnitt 18: Johannes Pommer setzte das Geschäft von 1717 bis 1745 fort.
  3. Ebd., Abschnitt 19–29: Struktur und Effizienz der Wechselnetze, Provisionen, Geldrouten über Hamburg, Livorno, Algiers etc.
Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Baupolitik, Raumordnung und Repräsentation auf dem Rittergut Angern um 1734 – Eine Analyse des "Pro Memoria" Christoph Daniel von der Schulenburg im Kontext vergleichbarer Gutsherrschaften. Das Gutsarchiv Angern überliefert mit 31-Punkte umfassenden "Pro Memoria" von 1734 (Rep. H Angern Nr. 409) ein einzigartiges Zeugnis adliger Planungspraxis im 18. Jahrhundert. Christoph Daniel von der Schulenburg, königlich sardischer General und Besitzer des Ritterguts Angern, skizziert darin die umfassende Neugestaltung seiner Besitzung. Das Dokument gewährt Einblick in eine administrative Rationalisierung, ästhetisch-repräsentative Raumgestaltung und die materiellen wie sozialen Strukturen eines barocken Gutes. Im Folgenden wird dieses Bauprogramm analysiert und mit zeitgleichen Gutsherrschaften in Brandenburg-Preußen und Norddeutschland verglichen.
Finanzielle Lasten und Investitionsprioritäten beim Schlossbau in Angern – Eine Analyse der Ausgabenbilanz von 1737. Die Ausgabenbilanz vom 24. Mai 1737 stellt ein aufschlussreiches Dokument über die ökonomischen Rahmenbedingungen und Prioritätensetzungen während der frühen Phase des barocken Schlossbaus in Angern dar. Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg , der damalige Besitzer des Ritterguts, ließ die Anlage ab 1735 unter erheblichen finanziellen Aufwendungen neu errichten. Die Bilanz verzeichnet zwischen 1735 und Mai 1737 Gesamtausgaben in Höhe von 22.026 Talern, 16 Silbergroschen und 8 Pfennig , von denen 9.100 Taler explizit als baugebundene Ausgaben ausgewiesen sind.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.