Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Gut Vergunst – Struktur, Besitzgeschichte und Baugestalt eines altmärkischen Vorwerks (18. Jahrhundert): Das ehemalige Gut Vergunst, gelegen etwas außerhalb des Dorfs Angern in der Altmark, stellt ein bemerkenswertes Beispiel für die bauliche, wirtschaftliche und dynastische Integration eines mittelgroßen Vorwerks in einen größeren Gutsverband im 18. Jahrhundert dar. Als Lehnsgut im Besitz eines Zweigs der Familie von der Schulenburg wurde es 1738 von Christoph Daniel von der Schulenburg angekauft und in die Konsolidierungsstrategie des Ritterguts Angern eingegliedert. Die erhaltenen Karten, Verwaltungsakten und Inventare erlauben eine dichte Rekonstruktion seiner Besitzverhältnisse, Baugestalt und Nutzung.

Gut Vergunst im Mittelalter – Funktion, Bedeutung und territoriale Einordnung

Das altmärkische Gut Vergunst, späterer Bestandteil des Ritterguts Angern, trat in den frühen Neuzeitquellen als wirtschaftlich genutzter Vorwerkskomplex in Erscheinung. Doch seine ursprüngliche Anlageform und seine Lage nahe der Elbniederung deuten auf eine wesentlich ältere, hochmittelalterliche Funktion hin. Die baulichen Strukturen, die Topographie und die Besitzgeschichte lassen erkennen, dass Vergunst im Mittelalter weit mehr als ein Wirtschaftshof war: Es war ein befestigter Sitz mit eigenem symbolischen und funktionalen Anspruch innerhalb des niederadligen Besitzsystems der Altmark.

Besitzverhältnisse und Zuordnung zur Familie von der Schulenburg: Die architektonische Gestalt von Vergunst lässt sich auf Basis eines kartografischen Plans von 1740 aus dem Landeshauptarchiv Magdeburg erschließen. Dort ist das zentrale Gebäude – mit „I“ bezeichnet – von einem vollständig umlaufenden Wasserzug eingefasst, der nur über einen schmalen Zugang im Norden zu betreten war. Diese Insellage ist nicht nur ein landschaftliches, sondern vor allem ein sozialräumliches Ordnungsmerkmal, das typologisch der spätmittelalterlichen Wasserburg oder dem befestigten Rittersitz entspricht. In der Altmark – einem Raum dichter Grundherrschaften – war die Kombination aus zentralem Herrenhaus, Wassergraben und separatem Wirtschaftshof ein geläufiges Modell adliger Präsenz zwischen dem 14. und frühen 17. Jahrhundert.

Die Besitzverhältnisse stützen diese Deutung: Vergunst befand sich im späten Mittelalter im Eigentum der Beetzendorfer Linie der Familie von der Schulenburg, deren Hauptsitz die Burg Beetzendorf war. Als Teil einer durch Erbteilungen, Mitbelehnungen und Versorgungslösungen vielfach zersplitterten Adelsfamilie diente Vergunst mit hoher Wahrscheinlichkeit einem nachgeordneten Familienzweig als eigenständiger Sitz – nicht im Sinne eines ökonomisch genutzten Meierhofs, sondern als rechtlich abgegrenzter Beisitz mit lokalem Herrschaftsanspruch. Die architektonische Absetzung vom umgebenden Wirtschaftshof – besonders durch den Wassergraben – unterstreicht die Funktion als symbolisch aufgeladene Hofstelle mit Verteidigungs-, Aufsichts- und Repräsentationscharakter.

Funktion im Kontext der Burg Angern: Trotz der räumlichen Nähe von Gut Vergunst zur Burg Angern lässt sich keine ursprüngliche funktionale Einheit beider Anlagen nachweisen. Vielmehr spricht die Quellenlage eindeutig für ein historisch gewachsenes Nebeneinander zweier getrennter Besitzkomplexe, die verschiedenen Linien der Familie von der Schulenburg zugeordnet waren. Während die Burg Angern samt Rittergut traditionell im Besitz der sogenannten weißen Linie (abstammend von Busso von der Schulenburg) verblieb, befand sich Vergunst über Jahrhunderte hinweg im Eigentum der schwarzen Linie (Beetzendorfer Linie), die auf Bernhard von der Schulenburg zurückging. Die Entstehung dieser Konstellation beruht nicht auf bewusster dynastischer Planung innerhalb des Dorfes Angern, sondern vielmehr auf den weit verbreiteten Folgen spätmittelalterlicher Realteilung, durch die sich selbst innerhalb einzelner Ortschaften verschiedene Familienzweige mit eigenen Höfen und Gerichtsbarkeiten etablieren konnten. Die Anlage von Vergunst war demnach kein Neben- oder Zweitsitz der Angerner Hauptlinie, sondern ein eigenständiger Rittersitz mit eigener Verwaltung, Gerichtsbarkeit und symbolischer Architektur. Erst der gezielte Rückkauf des Guts durch Christoph Daniel von der Schulenburg im Jahr 1738 führte zu einer Vereinigung der beiden ehemals getrennten Linienbesitze in Angern. Die damit vollzogene Konsolidierung war weniger genealogisch als vielmehr strategisch motiviert: Sie diente der Wiederherstellung eines zusammenhängenden Territoriums, das sich bis dahin in konkurrierenden Händen innerhalb derselben Familie befunden hatte.

Gut Vergunst im 18. Jahrhundert

Anfang des 18. Jahrhunderts befand sich Vergunst noch immer im Besitz eines Beetzendorfer Schulenburg-Zweigs, namentlich des Generalmajors Adolph Friedrich Freiherr von der Schulenburg, seit 1728 Graf von der Schulenburg. Nach mehrjährigen Verhandlungen und unter Mitwirkung des Oberamtmann Croon wurde das Gut 1738 für rund 50.000 Taler an Christoph Daniel von der Schulenburg verkauft. Die Korrespondenz Croons (Gutsarchiv Angern Rep. H 336) belegt detailliert die Abläufe der Pachtübergabe, der juristischen Abwicklung (Mitbelehnung, Gesamtbeleihung) sowie die damit verbundene Neuordnung der Pächterverhältnisse. Bereits 1737 begannen Vorverhandlungen, die 1738 zur Vertragsunterzeichnung und Besitzergreifung führten. Der Kauf wurde teils mit Geldern aus dem Ausland finanziert, darunter Transfers aus Turin, die über venezianische und Leipziger Bankiers geleitet wurden.

Nach dem Ankauf wurde Vergunst dem Pächter Heinrichs übergeben, der bereits das Rittergut Angern bewirtschaftete. Die Pacht wurde auf 3.650 Taler festgesetzt, zusätzlich zu Vorstandsgeldern. In der Folgezeit wurden Flächen vermessen, Pachtanschläge neu kalkuliert, Fischereien, Wiesen, Teiche und Holznutzungen wirtschaftlich integriert. Vergunst diente fortan als funktionale Erweiterung des Gutsbetriebs von Angern und verlor mit der Zeit seine Stellung als eigenständiger Adelssitz.

Fazit

Gut Vergunst war im Mittelalter mehr als ein Gutsstandort im modernen Sinne. Es handelte sich um einen befestigten, eigenständigen Rittersitz innerhalb der weitverzweigten Besitzstruktur der Familie von der Schulenburg. Die symbolische Architekturform des wasserumwehrten Hofs, die familiäre Zugehörigkeit zur Beetzendorfer Linie und die strategische Lage in der Nähe der Burg Angern machen deutlich, dass Vergunst Teil einer mehrschichtigen, herrschaftlichen Raumordnung war. Als solches steht es exemplarisch für die territorialen Mechanismen des niederadligen Adels in der Altmark zwischen Selbstbehauptung, Verzweigung und Raumsicherung.

Quellen

  • Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abt. Magdeburg:
  • Gutsarchiv Angern, Rep. H 336: Croon-Korrespondenz (1737–1739).
  • Rep. H 409, Bl. 25–28: Kasseneinträge mit Turin-Zahlungen (1736–1737).
  • Rep. H 76: Inventarverzeichnis Schloss Angern (1752).
  • Katasterplan von Angern, „Plan … der Schulenburgischen Ritter-Sitzen und Dorff Angern“, 1740.
  • Danneil, Johann Friedrich: Das Geschlecht der von der Schulenburg. Bd. I–II. Salzwedel 1847.
  • Leuschner, Eckhard: Niederadelige Wasserburgen der Altmark. In: Burgenforschung aus Sachsen-Anhalt, Bd. 2. Halle 2003.
  • Huth, Christoph: Adelige Wohnkultur des 18. Jahrhunderts in Sachsen-Anhalt. In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt, H. 2 (2009).
Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Baupolitik, Raumordnung und Repräsentation auf dem Rittergut Angern um 1734 – Eine Analyse des "Pro Memoria" Christoph Daniel von der Schulenburg im Kontext vergleichbarer Gutsherrschaften. Das Gutsarchiv Angern überliefert mit 31-Punkte umfassenden "Pro Memoria" von 1734 (Rep. H Angern Nr. 409) ein einzigartiges Zeugnis adliger Planungspraxis im 18. Jahrhundert. Christoph Daniel von der Schulenburg, königlich sardischer General und Besitzer des Ritterguts Angern, skizziert darin die umfassende Neugestaltung seiner Besitzung. Das Dokument gewährt Einblick in eine administrative Rationalisierung, ästhetisch-repräsentative Raumgestaltung und die materiellen wie sozialen Strukturen eines barocken Gutes. Im Folgenden wird dieses Bauprogramm analysiert und mit zeitgleichen Gutsherrschaften in Brandenburg-Preußen und Norddeutschland verglichen.
Finanzielle Lasten und Investitionsprioritäten beim Schlossbau in Angern – Eine Analyse der Ausgabenbilanz von 1737. Die Ausgabenbilanz vom 24. Mai 1737 stellt ein aufschlussreiches Dokument über die ökonomischen Rahmenbedingungen und Prioritätensetzungen während der frühen Phase des barocken Schlossbaus in Angern dar. Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg , der damalige Besitzer des Ritterguts, ließ die Anlage ab 1735 unter erheblichen finanziellen Aufwendungen neu errichten. Die Bilanz verzeichnet zwischen 1735 und Mai 1737 Gesamtausgaben in Höhe von 22.026 Talern, 16 Silbergroschen und 8 Pfennig , von denen 9.100 Taler explizit als baugebundene Ausgaben ausgewiesen sind.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.