Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Raumstruktur und Gewölbeaufteilung im nördlichen Erdgeschoss des Palas von Burg Angern im 14. Jahrhundert. Die bauarchäologischen Befunde im Bereich des Palas der Burg Angern – insbesondere die Freilegung originaler Tonnengewölbe, der Nachweis eines mittelalterlichen Umkehrgangs sowie der erhaltene Treppenaufgang – erlauben eine fundierte Rekonstruktion der Raumstruktur des gesamten Erdgeschosses im 14. Jahrhundert. Ergänzt werden diese Beobachtungen durch mehrere vermauerte Fensteröffnungen in der Ostwand sowie durch die bauliche Gliederung noch verschütteter südlicher Gewölberäume. Die erhaltene Substanz liefert ein bemerkenswert klares Bild der funktionalen und sicherheitstechnischen Organisation eines hochmittelalterlichen Burgpalas in der Altmark.

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KI Rekonstruktion des Palas Erdgeschosses der Burg Angern

Funktionale Gliederung

Die Raumstruktur folgt dem für hochmittelalterliche Burganlagen typischen Prinzip einer klaren funktionalen Differenzierung: Das Erdgeschoss des Palas diente vornehmlich wirtschaftlichen und logistischen Zwecken – etwa als Lager, Vorratsraum oder Küche – während die oberen Geschosse dem repräsentativen Wohnen vorbehalten waren.

Charakteristisch sind bauliche Elemente wie die gedrückten Tonnengewölbe, der asymmetrisch angelegte Umkehrgang sowie die interne Treppenerschließung in das Obergeschoss. Diese Komponenten belegen eine durchdachte Raumlogik mit Trennung von horizontaler und vertikaler Erschließung. Die Belichtung erfolgte gezielt über hochliegende, strategisch platzierte Fensteröffnungen, die zugleich Sichtachsen zu besonders gefährdeten Außenbereichen wie dem Wassergraben boten. 

Die massive Ausführung der Zwischenwände, die bewusste Separierung der Gewölberäume und die klar gegliederten Verkehrswege verweisen auf ein fortschrittliches Sicherheits- und Nutzungskonzept im Sinne hochmittelalterlicher Kernburgen. Die beobachteten Strukturen zeigen eine planvolle Organisation wirtschaftlicher und verteidigungsrelevanter Funktionen innerhalb der ringmauerumfassten Hauptburginsel. Die vermauerten Fenster zeugen von einer ursprünglich offeneren Lichtführung, die später aus strategischen oder klimatischen Gründen reduziert wurde.

Funktionale Deutung

Im Kontext vergleichbarer Burgen – etwa Ziesar, Falkenstein oder der Wartburg – ist eine solche Raumkonfiguration typisch für Wirtschafts- und Lagerräume, die im Sockelgeschoss des Palas oder angrenzender Flügel angesiedelt waren. Charakteristisch ist dabei die Trennung vom Wohnbereich sowie der Verzicht auf große Fensteröffnungen, um Brandschutz, Kälte- und Feuchteresistenz sowie eine gewisse Sicherung vor Einbruch oder Zugriff zu gewährleisten. Derartige Räume wurden häufig zur Lagerung von Vorräten (z. B. Getreide, Wein, Salz), zur Aufbewahrung von Geräten oder für rüstungstechnisches Material genutzt. In Krisensituationen konnten sie zudem als geschützte Depoträume oder Rückzugsorte dienen, da ihre begrenzte Erschließung eine Kontrolle des Zugangs erleichterte. Auch in Angern deutet vieles auf eine solche multifunktionale Nutzung. Die architektonische Eigenständigkeit, die robuste Bauausführung mit geringem Öffnungsanteil und die Position im besonders geschützten inneren Bereich der Hauptburg sprechen für eine wirtschaftlich-strategische Rolle. Der Raum war durch seine bauliche Trennung flexibel nutzbar, ohne die Funktionsabläufe im Flurbereich zu stören. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass er innerhalb der ringmauerumfassten Hauptinsel liegt, was ihn zusätzlich vor äußeren Zugriffen schützte.

Zugang vom Innenhof

Der Zugang zum nördlichen Teil des Palas erfolgte über eine mittig angelegte Türöffnung vom Innenhof aus. Dieser Zugang war kein repräsentativer Haupteingang, sondern Teil einer inneren Kontrollstruktur, die sowohl Bewegungsfluss als auch Sicherheit gewährleistete. Der Zugang ist heute verschüttet, doch besteht Hoffnung auf erhaltene originale Befunde wie Bolzenlöcher, Angeln oder Verriegelungsnischen im unteren Bereich der Türeinfassung.

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Verschütteter Eingang vom Innenhof in das Palas Erdgeschoss

Südlicher Gewölberaum

Unmittelbar hinter dem Eingang, südlich des zentralen Flurs, liegt ein rund 5 × 5 Meter großer Tonnengewölberaum, der sich in Ost-West-Richtung erstreckt. Der Raum ist durch eine massive Mauer vom Flur getrennt und besitzt zwei hochliegende, segmentbogenförmige Fensteröffnungen in der östlichen Außenwand, die heute vermauert sind. Diese Fenster dienten ursprünglich der Belichtung und gleichzeitigen Überwachung des Wassergrabens. Das gedrückte Tonnengewölbe besteht aus grobem Bruchstein und wurde mit einem unregelmäßigen Mischmauerwerk aus Ziegelbruch, Feld- und Bruchstein errichtet. Diese Bauweise entspricht dem hochmittelalterlichen Standard der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Auffällig ist der funktionale Charakter des Raumes: keine dekorativen Elemente, keine Durchgänge zu angrenzenden Räumen, robuste Wände und kleine, strategisch platzierte Fenster.

Die architektonische Ausprägung spricht für eine Nutzung als Vorrats-, Lager- oder Depotraum. Die geschützte Lage innerhalb der ringmauerumfassten Hauptinsel sowie die Separierung durch massive Zwischenwände deuten auf eine sicherheitsbewusste Planung. Die vollständige Einwölbung und die bewusst minimierte Öffnungsfläche sprechen zudem für ein gesteigertes Bedürfnis nach Brandschutz, Kälteresistenz und Schutz vor äußeren Zugriffen.

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Südliches Gewölbe im Palas Erdgeschoss

Treppe in die erste Etage

Rechts des Eingangs beginnt eine schmale, steil verlaufende Treppe mit Sandsteinstufen, eingefasst von einem eigenen Tonnengewölbe. Diese führte direkt in das Obergeschoss mit Wohn- und Repräsentationsfunktion. Bauform, Materialität und die architektonische Einbindung sprechen dafür, dass die Treppe bauzeitlich ist oder zumindest sehr frühzeitigen Ursprungs. Ihre Lage unmittelbar hinter dem Eingang, die Einwölbung und der Verlauf entsprechen typischen Erschließungslösungen des 14. Jahrhunderts. Die Integration der Treppe in das Innere des Gebäudes anstelle einer außenliegenden Lösung verweist auf ein bereits fortgeschrittenes Verständnis von Wohnkomfort und Schutzarchitektur. Die Position neben dem Umkehrgang zeigt eine durchdachte funktionale Trennung von vertikaler und horizontaler Erschließung innerhalb des Palas.

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Treppe vom Erdgeschoss in die erste Etage des Palas

Nördliches Tonnengewölbe

Links des Eingangs beginnt ein bauzeitlicher Umkehrgang, der in einer 180°-Schleife durch die westliche Innenwand des Palas verläuft und den Zugang zum nördlich gelegenen Gewölberaum ermöglichte. Diese Erschließungsführung diente sowohl der inneren Bewegungslenkung als auch der Sicherung – ein bewährtes Mittel hochmittelalterlicher Burgarchitektur zur Kontrolle des Zutritts zu Wirtschaftsräumen.

Der rund 7,20 Meter lange, 4,50 Meter breite und 2,27 Meter hohe Raum weist ein gedrücktes Tonnengewölbe auf, dessen Struktur mit grobem Mischmauerwerk aus Feld-, Bruch- und Ziegelsteinen sowie Kalkmörtel eindeutig dem 14. Jahrhundert zugeordnet werden kann. Hochliegende Lichtöffnungen in der Ostwand belegen eine geplante Belichtung und Überwachung der Grabenzone. Die Konstruktion ohne dekorative Elemente, aber mit robustem Mauerverband, entspricht der Bauweise vergleichbarer Wirtschaftsräume z. B. in Ziesar oder Falkenstein.

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nördliches Tonnengewölbe mit bauzeitlichem Umkehrgang

Weiter südlich gelegene verschüttete Gewölberäume

Südlich anschließend belegen vermauerte Lichtöffnungen an der Ostwand die Existenz weiterer, bislang nicht freigelegter Gewölberäume. Dies wird durch das Foto der östlichen Außenwand des Palas eindrucksvoll bestätigt: Sichtbar ist ein längerer Mauerabschnitt aus unregelmäßigem Bruchsteinmauerwerk mit eingestreuten Ziegelpartien, der mindestens zwei vermauerte Fenster- oder Türöffnungen aufweist. Diese Öffnungen sind rundbogig übermauert und wurden später mit Ziegeln zugesetzt. Die Lage der Wand direkt über dem Wassergraben und die formalen Übereinstimmungen mit den Fenstern des nördlichen Gewölberaums legen nahe, dass sich dahinter weitere tonnengewölbte Kellerräume des Palas befinden. Die verwendete Mischbauweise, die Form der Öffnungen und die Bauflucht der Wand sprechen für einen mittelalterlichen Ursprung. Ihre Lage innerhalb der ringmauerumfassten Hauptinsel sowie der architektonische Kontext deuten auf eine fortgesetzte Nutzung dieser Abschnitte als wirtschaftlich genutzte Kellerräume. Die vollständige Freilegung dieser Areale würde eine präzisere Rekonstruktion der Raumabfolge ermöglichen und könnte neue Erkenntnisse zur inneren Erschließung und Funktionsgliederung des südlichen Palasbereichs liefern.

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Verschüttete südliche Gewölberäume des Palas

Auch eine Nutzung als Rüstkammer ist denkbar: Der abgeschirmte Zugang, die klimatisch günstige Lage und die solide Bauweise mit minimierten Öffnungen bieten ideale Bedingungen für die Aufbewahrung empfindlicher Ausrüstung, Waffen und Schutzkleidung. Die Nähe zur Brückenzone in Richtung Bergfried sowie die Lage unterhalb des Wehrgangs sprechen zusätzlich für eine funktionale Einbindung in die Verteidigungsinfrastruktur der Burg. Im Fall einer Belagerung wäre von hier aus ein rascher Zugriff auf Waffen möglich gewesen, ohne dass der Wirtschaftsbereich kompromittiert wurde. ist dabei, dass er innerhalb der ringmauerumfassten Hauptinsel liegt, was ihn zusätzlich vor äußeren Zugriffen schützte.

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Eingang zum Gewölbe im südlichen Bereich des Palas der Burg Angern - blau markiert

Proportion und Raumgliederung

Der Palas misst an der Ostseite rund 35 Meter in der Länge und etwa 10 Meter in der Breite, entsprechend der Grundfläche des benachbarten Bergfrieds. Diese Proportionen sprechen für eine bewusste architektonische Angleichung innerhalb der Hauptburg und ermöglichen eine klare funktionale Zweiteilung des Baukörpers. Die Breite erlaubt eine Gliederung in einen zentralen Erschließungsbereich mit seitlich angeordneten Gewölberäumen. Das nördliche und südliche Gewölbe flankieren diesen Flur und sind durch massive Zwischenmauern baulich separiert. Der Zugang erfolgt über den mittig gelegenen Eingang auf der Westseite, unmittelbar gefolgt von der Raumteilung in Treppenhaus und Umkehrgang.

Das Niveau des Erdgeschosses liegt nahezu auf Höhe des Innenhofs. Hinweise auf ein ursprüngliches Pflaster fehlen zwar, doch lassen die Maueranschlüsse und Fensterhöhen auf eine ebenerdige Nutzung ohne tiefer liegendes Souterrain schließen. Die ostseitige Außenwand bildet zugleich die Begrenzung der Hauptinsel zum Wassergraben und ist mit hochliegenden Fensteröffnungen versehen – ein Hinweis auf die funktionale Orientierung des Baus entlang der Verteidigungslinien.

Vergleichende Einordnung

Die Raumstruktur des Palas von Angern lässt sich in den architektonischen Kontext hochmittelalterlicher Adelsresidenzen der Altmark und Mitteldeutschlands einordnen. Typologisch vergleichbar sind etwa die Burgen von Ziesar (Brandenburg), Falkenstein (Harz) und Salzwedel. Dort wie in Angern finden sich zentrale Erschließungsflure, angrenzende tonnengewölbte Wirtschaftsräume, gezielte Lichtöffnungen in sicherheitsrelevanten Bereichen sowie ein klar funktional gegliederter Grundriss.

Während Ziesar durch eine repräsentativere Ausgestaltung hervorsticht und Falkenstein stärker auf Verteidigungsarchitektur ausgelegt ist, zeigt Angern eine besonders wirtschaftsorientierte und pragmatische Ausführung. Die Erhaltung der originalen Raumstruktur mit Umkehrgang, Treppenhaus und mehrteiliger Gewölbezonierung macht Angern zu einem besonders anschaulichen Beispiel für eine funktionsorientierte, innerlich differenzierte Hauptburganlage.

Die Klarheit der baulichen Organisation und der außergewöhnliche Erhaltungszustand machen die Anlage zu einem bedeutenden Referenzpunkt für die Erforschung spätmittelalterlicher Wasserburgen in Norddeutschland.

Klima und Lagerfähigkeit

Die massiven, vollständig eingewölbten Räume im Erdgeschoss des Palas sorgten für ein konstant kühles, feuchteresistentes Innenklima, das sich ideal für die Lagerung von Lebensmitteln und empfindlichen Vorräten eignete. Die dicken Mauern und die minimale Fensterfläche verhinderten extreme Temperaturschwankungen und schützten den Raum vor direkter Sonneneinstrahlung. Diese klimatischen Eigenschaften sprechen für eine gezielte Planung des Erdgeschosses als Lager- und Depotzone.

Statik und Gewölbekonstruktion

Die gedrückten Tonnengewölbe des Palas ruhen auf stabilen Längswänden aus Mischmauerwerk mit ausreichender Breite, um die seitlich auftretenden Schubkräfte aufzunehmen. Die konsequente Trennung der Gewölbe durch massive Zwischenwände minimiert Horizontalschub und verbessert die Lastverteilung innerhalb des Bauwerks. Der Verzicht auf Querverstrebungen oder Gurtbögen lässt auf eine präzise statische Planung mit robustem Wandverband schließen, wie sie im 14. Jahrhundert bei funktional orientierten Bauten üblich war.

Fußbodenaufbau und Nutzspuren

Der heutige Bodenniveau ist verschüttet, doch lässt der Wandverlauf vermuten, dass der ursprüngliche Fußboden knapp über oder direkt auf Hofniveau lag. Hinweise auf Pflasterungen oder Nutzspuren wie Lagerpodeste, Verankerungen oder Abläufe fehlen derzeit, könnten aber durch gezielte archäologische Grabungen ermittelt werden. Angesichts der Nutzung als Lagerraum ist von einem robusten, unempfindlichen Bodenaufbau auszugehen – etwa gestampfter Lehm, Steinplatten oder Ziegelplatten in Teilbereichen.

Baugeschichtliche Bedeutung

Die Freilegung der mittelalterlichen Mauerstruktur hinter späteren Umbauten zeigt die hohe Authentizität des Bestands. Die erhaltenen Bauelemente wie der Umkehrgang, das originale Bruchsteingewölbe im Süden, die Wandstrukturen aus opus mixtum und die Position der hochliegenden Fensteröffnungen bilden zusammen ein nahezu einzigartiges Ensemble hochmittelalterlicher Profanarchitektur. Besonders hervorzuheben ist der außergewöhnlich gute Erhaltungszustand der unteren Baustrukturen, die seit dem 14. Jahrhundert im Wesentlichen unverändert blieben und trotz barocker Überformungen nicht überbaut oder ersetzt wurden.

Diese Kontinuität ermöglicht nicht nur eine präzise bauarchäologische Analyse, sondern macht den Palas von Angern zu einem herausragenden Referenzobjekt für die Erforschung hochmittelalterlicher Burgarchitektur im norddeutschen Raum. Die funktionale Trennung zwischen Erschließungszonen, Lagerbereichen und der Aufgangsanlage zur Beletage entspricht den planerischen Standards führender Bauhütten der Zeit um 1340. In Verbindung mit den erhaltenen Gewölben dokumentiert Angern exemplarisch die wirtschaftlich ausgerichtete Raumdisposition und innere Sicherheitsarchitektur einer spätmittelalterlichen Wasserburg.

Fazit

Das Erdgeschoss des Palas von Burg Angern stellt ein herausragendes Beispiel hochmittelalterlicher Raumorganisation und Bauweise in der Altmark dar. Die erhaltenen Gewölbe, der Umkehrgang, die integrierte Treppenanlage sowie die differenzierte Fensterarchitektur belegen eine klare funktionale Gliederung der Wirtschafts-, Lager- und Erschließungsbereiche innerhalb der Hauptburg. Die dokumentierten Baumerkmale wie Mischmauerwerk, gedrückte Tonnengewölbe und hochliegende Fensteröffnungen lassen sich eindeutig in das 14. Jahrhundert datieren und zeigen, dass trotz späterer Überformungen wesentliche Teile der ursprünglichen Substanz erhalten geblieben sind.

Diese außergewöhnlich gut bewahrte Struktur erlaubt nicht nur Rückschlüsse auf den Alltagsbetrieb einer spätmittelalterlichen Wasserburg, sondern liefert auch wertvolle Vergleichspunkte zur regionalen Burgenarchitektur Mitteldeutschlands. Angern nimmt damit innerhalb der Forschung zum hochmittelalterlichen Profanbau eine exemplarische Stellung ein und bietet durch seine Klarheit und bauliche Authentizität ein bedeutendes Referenzobjekt für zukünftige bauhistorische Untersuchungen.

Quelle

Die vorliegende Darstellung stützt sich auf eine Transkription durch die Angerner Dorfchronistin Brigitte Kofahl, deren Arbeiten eine wichtige Grundlage für die Erschließung des Gutsarchivs bilden.

  • Gutsarchiv Angern, Rep. H 76: Bauakten und Inventare zum Schloss- und Burgbereich Angern (v. a. zur Nutzung und Substanz im 18. Jh.).
  • Dorfchronik Angern (zit. nach Abschrift im Besitz der Familie von der Schulenburg).
  • Eigene Befundaufnahmen, Fotodokumentation und Mauerwerksanalyse 2022–2025.
  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Brandenburg, München 2000, S. 11 (Burg Ziesar).
  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I: Regierungsbezirk Magdeburg, München/Berlin 2002, S. 91 (Burg Angern).
  • Bergner, Rudolf: Burgen des Harzes, Braunschweig 1911, S. 32 f. (Burg Falkenstein).
  • Wäscher, Hermann: Feudalburgen in den Bezirken Halle und Magdeburg, Bd. 1, Berlin 1962, S. 37 f.
  • Grimm, Paul: Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg, Berlin 1958, S. 360, Nr. 904.
  • Krahe, Friedrich-Wilhelm: Burgen des Deutschen Mittelalters. Grundriss-Lexikon, Würzburg 2000, S. 95.
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg sowie einflussreiche Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitzrechte, Lehnsbindungen und lokale Machtstellungen. In diesem territorial instabilen Raum stellte die Gründung der Burg Angern eine gezielte Maßnahme der Erzdiözese Magdeburg dar, um ihren Einfluss militärisch abzusichern und administrativ zu konsolidieren. Die Errichtung einer Wasserburg mit deutlich ausgeprägter Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz vor Ort und fungierte zugleich als sichtbares Machtsymbol gegenüber konkurrierenden Adelsinteressen. Hauptburg Angern Palas, Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1350 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik.
Die Burg Angern im Kontext des hochmittelalterlichen Burgenbaus der Altmark. Die Burg Angern zählt zu den wenigen noch heute klar strukturell erfassbaren Beispielen hochmittelalterlicher Wasserburgen im nördlichen Sachsen-Anhalt. Errichtet vermutlich um 1340 unter dem Einfluss des Magdeburger Erzstifts, zeigt die Anlage eine außergewöhnlich gut erhaltene Grundstruktur, die sich aus drei funktional getrennten Inselbereichen zusammensetzt: Hauptburg mit Palas, südlich vorgelagerte Turminsel mit Wehrturm sowie die westlich angegliederte Vorburg mit wirtschaftlicher Nutzung. Die gezielte Gliederung in Verteidigung, Verwaltung und Versorgung veranschaulicht in exemplarischer Weise die Prinzipien rationalisierten Burgenbaus im Spätmittelalter. Ostansicht des Palas mit dem Wehrturm (KI Rekonstruktion)
Die Burg Angern um 1350: Architektur und Aufbau einer mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark. Die Burg Angern, errichtet um 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg, stellt ein herausragendes Beispiel für den Typus der mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark dar. Inmitten eines künstlich angelegten Wassergrabens erhoben sich die Hauptburg auf einer nördlichen Insel sowie der Bergfried auf einer südlichen Nebeninsel. Die hier dargestellte Rekonstruktion basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) und Vergleichen mit zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Beetzendorf und Salzwedel. Lageplan der Burg Angern mit Hauptburg, Turminsel und Vorburg um 1350
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern zählt zu den wenigen archäologisch und archivalisch gleichermaßen gut dokumentierten Beispielen hochmittelalterlicher Wasserburgen in der norddeutschen Tiefebene. Die um 1340 entstandene Anlage vereint in exemplarischer Weise militärische, wirtschaftliche und administrative Funktionen innerhalb eines klar gegliederten Burgsystems. Ihre topografische Konzeption – bestehend aus zwei künstlichen, bis heute erhaltenen Inseln inmitten eines umlaufenden Grabensystems – dokumentiert eindrucksvoll die strategischen und technischen Planungsprinzipien des Burgenbaus im mittleren 14. Jahrhundert. Zentrale Bestandteile der Gesamtanlage sind der massiv ausgeführte Wehrturm (Bergfried) auf der südlichen Insel, die Hauptburg mit dem zweigeschossigen Palas auf der nördlichen Insel sowie die südwestlich vorgelagerte Vorburg mit nachweislich wirtschaftlicher Funktion. Die bewusste funktionale Trennung von Verteidigungs- und Wirtschaftsbereich innerhalb eines geschlossen wasserumwehrten Areals folgt einem hochentwickelten, auf Autarkie und Resilienz im Belagerungsfall ausgerichteten Konzept. In ihrer baulichen Klarheit, der außergewöhnlich gut erhaltenen Geländestruktur und den dokumentierten Funktionszusammenhängen stellt die Burg Angern ein herausragendes Beispiel hochmittelalterlicher Burgplanung im Einflussbereich des Magdeburger Erzstifts dar. Ihre Erforschung bietet nicht nur neue Erkenntnisse zur Entwicklung des regionalen Niederungsburgenbaus, sondern auch zum administrativen und wehrarchitektonischen Selbstverständnis der adligen Grundherrschaft in der Altmark. Sie ist damit von überregionaler Bedeutung für die vergleichende Burgenarchäologie Mitteleuropas.
Die Vorburg der Burg Angern: Funktionsanalyse und historische Rekonstruktion unter der Annahme mittelalterlicher Vorgängermauern (ca. 1350). Die Vorburg der Burg Angern, wie sie auf einem barockzeitlichen Plan um 1760 dargestellt ist, weist eine markante rechteckige Struktur mit drei langgestreckten Wirtschaftsgebäuden und zwei freistehenden Bauten auf. Auf Grundlage architektonischer Analyse, funktionaler Einteilung sowie typologischer Vergleiche mit anderen mitteleuropäischen Burganlagen lässt sich begründet rekonstruieren, dass die barocken Gebäude auf der Struktur und dem Grundriss einer hochmittelalterlichen Vorburg basieren. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Rekonstruktion dieser früheren Vorburg unter der Annahme eines Baubestandes aus der Zeit um 1350. Innenhof der Vorburg Angern mit Wirtschaftsgebäuden (KI-Rekonstruktion)
Die strategische Lage Angerns im Dreißigjährigen Krieg. Angern war zu Beginn des 17. Jahrhunderts Sitz eines ausgedehnten Lehngutes der Familie von der Schulenburg, gelegen an der Grenze zwischen dem Kurfürstentum Brandenburg und den geistlichen Territorien Halberstadt und Magdeburg. Die Burg war Teil eines befestigten Ensembles aus Hauptburg, Vorburg und Turminsel. Ihre Lage machte sie im Kontext konfessioneller Konflikte und durchziehender Heere zu einem militärisch sensiblen Ziel.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.