Burg Angern
Die um 1340–1350 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Raumstruktur und Gewölbeaufteilung im Erdgeschoss des Palas von Burg Angern im 14. Jahrhundert. Die neuesten Befunde im Bereich des Palas der Burg Angern, insbesondere die Entdeckung des ursprünglichen Bruchsteingewölbes, des Umkehrgangs sowie der Werksteine des Eingangsbereichs, ergänzt durch die Beobachtung der zugemauerten Fenster in der Ostwand, erlauben eine differenzierte Rekonstruktion der ursprünglichen Raumstruktur des Erdgeschosses. Die Erkenntnisse zeigen eine typische, funktionale Raumaufteilung hochmittelalterlicher Burganlagen der Altmark.

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Südlicher Bereich des Palas mit den beiden Eingängen zum Erdgeschoss

Zugang vom Innenhof

Der ursprüngliche Zugang zum nördlichen Teil des Palas erfolgt - wie auf dem Bild rekonstruiert - über die linke Tür, die innerhalb einer heute noch vollständig erhaltenen, sorgfältig gearbeiteten Werksteinrahmung aus dunkelgrauem, feinkörnigem Naturstein angeordnet ist, vermutlich Basaltlava oder andesitisches Gestein. Die Werksteine sind quaderförmig zugerichtet und weisen geglättete, regelmäßige Kanten auf, was auf eine bewusst gesetzte, architektonisch betonte Gestaltung des Eingangs hinweist. Trotz der primären Ausrichtung auf Verteidigungsfähigkeit hebt die qualitätvolle Bearbeitung subtil die Bedeutung des Zugangs hervor. Der Türdurchgang bildet keinen repräsentativen Saalzugang, sondern einen funktionalen, massiv gesicherten Durchlass, der vor allem der kontrollierten Bewegung und der Verteidigung diente. Der Eingangsbereich ist heute noch teilweise verschüttet; es besteht die Möglichkeit, dass im unteren Bereich Reste der ursprünglichen Türverankerung, wie Angeln oder Verriegelungsnischen, erhalten geblieben sind. Eine gezielte Freilegung könnte hier weitere bauhistorische Details erschließen. Vergleichbare Anlagen finden sich an der Burg Ziesar (Brandenburg) sowie an der Burg Falkenstein (Harz), wo Vorräume oder kontrollierende Zugangswinkel gezielt zur Sicherung und Statusbetonung errichtet wurden (vgl. Bergner 1911, S. 32f.; Dehio 1990, S. 11).

Direkt an das bauzeitliche Werksteingewölbe des Eingangsbereichs schließt sich ein etwa vier Meter langer und drei Meter breiter Flur an, der in Ost-West-Richtung verläuft. Der Flur selbst setzt sich nach Osten fort und endet an einem kleinen, hochmittelalterlich typischen Fenster, das den Wassergraben überblickt. Solche gezielt gesetzten Lichtöffnungen dienten sowohl der minimalen Belichtung der unteren Wirtschaftsräume als auch der Überwachung des äußeren Annäherungsbereichs. Der Flur ist tonnengewölbt; das heute sichtbare Gewölbe besteht aus Backstein und dürfte stilistisch dem 17. oder frühen 18. Jahrhundert zuzuordnen sein. Die erhaltene Zugangssituation zeigt typische Merkmale hochmittelalterlicher Burgarchitektur: die bewusste Kombination von funktionaler Verteidigung und zurückhaltender architektonischer Akzentuierung.

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Flur des Palas um 1350 mit Treppe ins Obergeschoss

180 Grad Umkehrgang

Nördlich - also linkerhand des Eingangs - zweigt der Zugang zum bauzeitlichen Umkehrgang ab, der durch die westliche Innenwand des Palas führt. Dieser Umkehrgang biegt um 180 Grad ab und erschließt den nördlich gelegenen Kellerraum, wobei die Führung der Bewegung gezielt gelenkt und verteidigungstechnisch abgesichert ist.

Gangsystem: Der erhaltene 180°-Umkehrgang an der Westseite des Gewöbes zeigt die interne Erschließung der Palaskeller. Der Gang beginnt asymmetrisch an der linken Rückwand, führt mit einer sofortigen Wendung in das südlich angrenzende Kellergewölbe und belegt damit die typische mittelalterliche Praxis, verschiedene Funktionsräume unterirdisch zu verbinden. Hinweise auf einen ursprünglichen westlichen Ausgang existieren im nördlichsten Gewölbe nicht; dieser ist vielmehr im mittleren Kellerteil zu vermuten. Der erhaltene 180°-Umkehrgang stellt ein herausragendes baugeschichtliches Detail dar. Solche Gangführungen sind selten so gut überliefert und belegen die mittelalterliche Planung von Kellererschließungen. Der hohe Authentizitätsgrad des Kellerraumes, ohne massive moderne Eingriffe, macht den nördlichen Palaskeller zu einem besonders wertvollen Objekt für die Erforschung mittelalterlicher Wasserburgen.

Nördliches Tonnengewölbe

Obwohl Teile des Tonnengewölbes im 17. Jahrhundert unter Verwendung von Backstein neu gemauert oder ausgebessert wurden, entspricht das erhaltene Raumprofil weiterhin dem hochmittelalterlichen Ursprungszustand. Die Abmessungen, die Proportionen der Gewölberundung sowie die Raumtiefe und Breite folgen unverkennbar dem mittelalterlichen Erschließungs- und Nutzungskonzept. Das Gewölbe besitzt eine gedrungene, flach gespannte Tonne, wie sie für Vorrats- und Wirtschaftsräume hochmittelalterlicher Wasserburgen charakteristisch war. Solche robusten, niedrig geführten Raumprofile waren funktional optimiert: Sie gewährleisteten statische Stabilität, minimierten den Aufwand an Baumaterial und schufen ein gleichmäßig kühles Raumklima zur Lagerung empfindlicher Vorräte. Die heutige Überwölbung spiegelt damit – trotz der verwendeten neueren Backsteinmaterialien – in Bauweise und Raumgestaltung das ursprüngliche, hochmittelalterliche Raumkonzept wider. Damit bleibt der Raum als authentisches Zeugnis der ursprünglichen Bau- und Nutzungslogik der Burg Angern erhalten und bietet weiterhin wichtige Einblicke in die Funktionsarchitektur des 14. Jahrhunderts.

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Nördliches Tonnengewölbe im Palas

Südlich - also rechterhand des Eingangs - öffnet sich der Zugang zur schmalen Treppe mit Sandsteinstufen, die steil angelegt ist und von einer separaten tonnenförmigen Überwölbung eingefasst wird. Die Treppe führte in die oberen repräsentativen Wohn- und Saalgeschosse und zeigt damit die bauliche Trennung von Bewegungs- und Repräsentationsbereichen. 

Alle Räume des Erdgeschosses, einschließlich Flur, Umkehrgang und Treppenaufgang, sind tonnengewölbt. Das heute sichtbare Gewölbe besteht aus Backstein und dürfte im Zuge frühneuzeitlicher Reparaturen entstanden sein, vermutlich im Zusammenhang mit den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges. Die Backsteingewölbe wurden dabei auf den originalen, bauzeitlichen Tonnenfundamenten errichtet. Ursprünglich waren diese Räume als massive Bruchsteingewölbe ausgeführt, deren Mauern aus grob bearbeiteten, unregelmäßig gesetzten Steinen bestehen, entsprechend der hochmittelalterlichen Bauweise von Wasserburgen im norddeutschen Raum.

Raumgliederung und Funktion

Das Tonnengewölbe des nördlichen Gewölbes liegt nahezu auf Hofniveau, was zeigt, dass der Keller von Anfang an ebenerdig oder nur leicht vertieft angelegt wurde. Hinweise auf ein ursprüngliches Pflaster fehlen; der heutige Boden ist verschüttet. Die Wände sind einfach und grob ausgeführt und weisen keinerlei Spuren repräsentativer Gestaltung auf, etwa Kaminzüge oder Wandverkleidungen. Diese Ausführung bestätigt die Nutzung des Raumes als reinen Lager- und Wirtschaftskeller. 

Das Tonnengewölbe selbst ist relativ schmal und tief angelegt, entsprechend der typischen Funktion eines Vorratsraumes zur Lagerung von Lebensmitteln oder Gerätschaften. An der Ostwand befindet sich ein kleines Fenster, das ursprünglich vermutlich schmaler angelegt und später vergrößert wurde. Es diente der minimalen Belichtung und Belüftung des Kellerraumes. Seine Position bestätigt, dass der Palas unmittelbar an der Ostkante der Hauptinsel errichtet wurde, wobei die Ostwand zugleich die Außenbegrenzung zum Wassergraben bildete. Die Existenz des Fensters unterstreicht, dass der Raum zumindest eine begrenzte natürliche Lichtzufuhr erhalten sollte und nicht als vollständig dunkler Kellerraum konzipiert war.

Struktur und Funktion der südlichen Gewölberäume

Die Entdeckung der separaten südlichen Gewölberäume im Erdgeschoss des Palas bestätigt die hochentwickelte Funktionsarchitektur der Burg Angern im 14. Jahrhundert. Ein Zugang aus dem nördlichen Palas Erdgeschoss ist bisher nicht nachgewiesen. Die bewusste Trennung von Bewegungszonen - bestehend aus Flur und Treppenaufgang - von den südlich gelegenen Wirtschaftsflächen entspricht den sicherheits- und funktionsorientierten Anforderungen hochmittelalterlicher Burganlagen.

Besonders hervorzuheben ist die gezielte Lichtführung über regelmäßig gesetzte Fenster entlang der gesamten Ostseite des Erdgeschosses des Palas, die zum Wassergraben hin ausgerichtet sind – ein Charakteristikum hochmittelalterlicher Vorrats- und Wirtschaftsräume, das auch an vergleichbaren Anlagen dieser Zeit belegt ist. Diese Lichtführung diente nicht nur der Belichtung, sondern auch der Reduzierung von Feuchtigkeit und dem Schutz der gelagerten Vorräte.

Ausgehend von regionalen Vergleichsbeispielen sowie überlieferten Erschließungskonzepten mittelalterlicher Wasserburgen ergeben sich mehrere plausible Erschließungsszenarien für diese südlichen Palas Gewölbe.

  1. Direkter Zugang vom Hof: Am wahrscheinlichsten ist ein direkter Zugang vom Innenhof der Hauptburg in die südlichen Gebäudeabschnitte. Typischerweise erfolgte dieser über einfache rechteckige Türdurchgänge in der hofseitigen Westwand, eventuell mit geringer Absenkung des Hofniveaus oder einer kurzen Rampe. Solche direkten Hofzugänge waren in Wasserburgen weit verbreitet und dienten der einfachen Versorgung und Lagerbewirtschaftung.
  2. Interner Verbindungsgang: Eine weitere Möglichkeit besteht in einem internen Verbindungsgang, der die nördlichen und südlichen Gewölbe miteinander verband. Analog zum erhaltenen 180°-Umkehrgang könnte ein schmaler Durchbruch innerhalb der Gewölbeanlage existiert haben, der eine wettergeschützte Erschließung ermöglichte.
  3. Treppenabgang vom Obergeschoss: Ergänzend könnte ein Treppenabgang vom darüberliegenden Palasgeschoss bestanden haben. Solche Abgänge wurden oft in der Küche oder in Wirtschaftsräumen eingerichtet, um Vorräte direkt aus dem Keller entnehmen zu können. Hinweise auf eine derartige Treppe sind bislang jedoch nicht nachweisbar.

Zusammenfassung: Der Zugang zu den heute verschütteten südlichen Palasgewölben der Burg Angern erfolgte mit hoher Wahrscheinlichkeit primär über direkte Türöffnungen vom Innenhof sowie möglicherweise über interne Verbindungen im Erdgeschoss. Diese Erschließungsweise entspricht dem regional überlieferten Bautypus vergleichbarer Burgen wie Ziesar oder Lenzen.

Vermutete Beziehung zwischen Palas und Bergfried

Aufgrund der baulichen Situation wird angenommen, dass ursprünglich eine feste Brücke zwischen dem ersten Obergeschoss des Palas und dem südlich vorgelagerten Bergfried bestand. Diese Brücke hätte den Wassergraben überspannt und eine direkte, geschützte Verbindung zwischen dem Wehrturm und dem repräsentativen Wohnbau ermöglicht. Für diese Rekonstruktion sprechen die Lage der erhaltenen Schießscharte im Erdgeschoss des Bergfrieds, die auf einen hochgelegenen Zugang verweist, sowie Parallelen zu zeitgleichen Burgen wie der Burg Ziesar (Brandenburg) und der Burg Falkenstein (Harz), wo vergleichbare strategische Brückenverbindungen nachgewiesen sind (vgl. Dehio 1990, S. 11; Bergner 1911, S. 32f.). Die Existenz einer solchen Brücke ist jedoch bislang nicht archäologisch belegt, sondern ergibt sich aus der bauhistorischen Interpretation der vorhandenen Befunde und aus Vergleichen mit ähnlichen Anlagen.

Zugangssystem

Das Erschließungssystem der Palasgewölbe war mehrschichtig aufgebaut. Interne Verbindungen über schmale Durchgänge, wie der Umkehrgang, erleichterten den Zugang zwischen den einzelnen Gewölben. Ein Treppenaufgang vom südlichen Gewöbe führte vermutlich direkt in das Obergeschoss des Palas und verband die Wirtschaftsräume des Kellers mit den darüberliegenden Wohn- und Verwaltungsräumen. Diese Kombination von Hofzugängen, internen Verbindungen und vertikaler Erschließung entspricht dem überlieferten Erschließungssystem hochmittelalterlicher Wasserburgen.

Vergleichende Einordnung

Die in Angern nachgewiesene Struktur zeigt deutliche Parallelen zu vergleichbaren Anlagen der Altmark und Mitteldeutschlands. So ist beispielsweise bei der Burg Ziesar (Brandenburg) der Palas ebenfalls in einen zentralen Flur mit kontrollierter Erschließung und angrenzenden Wirtschaftsbereichen gegliedert (vgl. Dehio 1990, S. 11). Auch die Burg Falkenstein im Harz weist einen gesicherten Zugang über Flure mit daran anschließenden Lagerräumen auf, wobei kleine Fenster bewusst über Wasseranlagen angeordnet sind, um Belichtung und Verteidigungsfunktion zu kombinieren (vgl. Bergner 1911, S. 32f.). Eine ähnliche Trennung von Hauptflur und angrenzenden Wirtschaftsgewölben findet sich schließlich auch an der Markgrafenburg in Salzwedel, womit sich Burg Angern eindeutig in den architektonischen Kontext hochmittelalterlicher Adelsresidenzen der Region einordnen lässt (vgl. Danneil 1847).

Baugeschichtliche Einordnung

Die Entdeckung des erhaltenen Bruchsteingewölbes hinter einer späteren Ziegelmauer sowie die Erhaltung des originalen Eingangsgewändes aus sorgfältig bearbeitetem dunkelgrauem Naturstein belegen, dass die ursprüngliche Erschließung des Palas auf eine hochfunktionale, zugleich repräsentative Planung ausgerichtet war. Der Hauptzugang war deutlich akzentuiert und dokumentiert die architektonische Wertigkeit der Anlage bereits bei ihrer Errichtung um 1340–1350. Die klare Trennung zwischen Zugang, Aufstieg in die Wohnbereiche und Erschließung der Kellerzonen entspricht dem Standard hochmittelalterlicher Adelsburgen in Norddeutschland. Die später vorgenommenen Überwölbungen mit Ziegeln sowie die Vermauerung des ursprünglichen Eingangs spiegeln Reparaturen und Umbauten wider, die vermutlich nach schweren Beschädigungen – etwa im Dreißigjährigen Krieg – erfolgten und die Anpassung an veränderte Wohn- und Wirtschaftsbedürfnisse dokumentieren (vgl. Gutsarchiv Angern, Rep. H 76).

Fazit

Das Erdgeschoss im Palas der Burg Angern weist eine außergewöhnlich authentische Raumstruktur aus dem 14. Jahrhundert auf. Diese Befunde ermöglichen es, die ursprüngliche Nutzung und Erschließung einer hochmittelalterlichen Burganlage exemplarisch nachzuvollziehen und sie in den Kontext vergleichbarer Anlagen der Altmark und der mitteldeutschen Niederungsburgen einzuordnen. Die differenzierte Trennung zwischen dem nördlichen Flur- und Treppenbereich und den südlichen Wirtschaftsgewölben dokumentiert die Prinzipien hochmittelalterlicher Burgarchitektur: Verteidigung, Funktionalität und Nutzungstrennung. Innerhalb der Burgenlandschaft Norddeutschlands nimmt die Raumstruktur des Palas in Angern damit eine beispielhafte Stellung ein.

Im Nordosten der zweiten Insel erhob sich ein massiver, quadratischer Turm mit einer Grundfläche von 10 mal 10 Metern. Seine sieben Geschosse machten ihn zum dominanten Element der früheren Wehranlage. Die Höhenrekonstruktion des Bergfrieds der Burg Angern lässt sich auf Grundlage der bekannten Grundfläche von 10 × 10 Metern und der Überlieferung von sieben Stockwerken annähernd bestimmen. Typische hochmittelalterliche Bergfriede wiesen lichte Raumhöhen von etwa 3,0 bis 3,5 Metern auf, ergänzt um Decken- und Mauerstärken von circa 0,5 bis 0,7 Metern pro Geschoss. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Geschosshöhe von etwa 3,5 bis 4,0 Metern. Multipliziert mit sieben Etagen ergibt sich eine Turmhöhe von etwa 24,5 bis 28 Metern, zuzüglich der Höhenanteile für eine Wehrplatte, Brustwehr oder eventuelles Zeltdach. Somit dürfte der Bergfried von Angern eine Gesamthöhe von etwa 26 bis 30 Metern erreicht haben, vergleichbar mit anderen regionalen Anlagen wie dem Bergfried von Tangermünde oder Lenzen. Diese Rekonstruktion verdeutlicht die imposante Dominanz des Turmes innerhalb der Burganlage und seine zentrale Rolle im Verteidigungssystem. KI generierte Ansicht des Bergfrieds der Burg Angern ca. um 1600
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Die mittelalterliche Burg von Angern stellt ein bemerkenswertes Beispiel für die Kombination aus natürlicher Topographie und wehrarchitektonischer Anpassung dar. Grundlage der Analyse bilden topographische Befunde, schriftliche Überlieferungen sowie bauliche Relikte, die eine differenzierte Rekonstruktion der Gesamtanlage ermöglichen.
Die Burganlage von Angern in der heutigen Altmark (Sachsen-Anhalt) gehört zu den bedeutenden Wasserburgen der Altmark. Ihre Entwicklung lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen, als sie im Rahmen der hochmittelalterlichen Landesausbauprozesse errichtet wurde. Die Hauptburg entstand auf einer künstlich angelegten Insel innerhalb eines doppelten Wassergrabensystems. Von der ursprünglichen Anlage ist heute vor allem die Struktur des Geländes erhalten, während die bauliche Substanz größtenteils durch kriegerische Ereignisse wie die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1631) sowie durch barocke Umbauten im 18. Jahrhundert überformt wurde. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum.
Die Burg Angern befand sich in der nordöstlichen Altmark, etwa 5 Kilometer westlich der Elbe, in einer feuchten Niederungslandschaft, die durch zahlreiche Altarme, sumpfige Wiesen und temporäre Überflutungsflächen geprägt war. Die Wahl dieses Standorts war sowohl durch defensive als auch durch infrastrukturelle Überlegungen motiviert. Die Anlage nutzte die natürlichen Gegebenheiten der Landschaft, um durch Wassergräben, Inselbildung und kontrollierte Wegeführung ein hohes Maß an Wehrhaftigkeit zu erzielen. Zugleich ermöglichte die Lage zwischen Magdeburg, Tangermünde, Rogätz und Wolmirstedt die Einbindung in überregionale Verkehrs- und Kommunikationsnetze.
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Die bauliche Entwicklung der Burg Angern lässt sich in mehreren Phasen vom Hochmittelalter bis zur Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg nachzeichnen. Die Anlage vereinte typische Merkmale einer wasserumwehrten Adelsburg in der norddeutschen Tiefebene: Inselfestung, Verteidigungsstruktur, Wirtschaftseinheit und Repräsentationsort. Das zentrale Element war die vollständig von Wassergräben umgebene Hauptburginsel, ergänzt durch eine südlich vorgelagerte Turminsel und eine festlandseitige Vorburg.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.